Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Alle feste Köxper von beträchtlichen Oberflächen, wie Mauern, Wälle und Festungswerke, dichte Wälder, Häuser, Berge, Felsen, hohe Ufer, können ein Echo veranlassen. Eben so die Höhlen in den Bergen, und die Wolken. Daher kömmt das Brüllen des Donners, s. Donner.

Dennoch ist die Theorie der Zurückwerfung für den Schall bey weitem noch nicht so ausgearbeitet und zuverläßig, als für das Licht. Die Erfahrung lehrt, daß oft das Echo an Orten außenbleibt, wo man es der Regel nach hören sollte, und an andern, wo man es nicht erwartet hätte, statt findet. Die Ursache liegt wohl darinn, daß man die nöthige Beschaffenheit der zurückwerfen den Flächen beym Lichte besser, als beym Schalle, kennet. Beym Lichte ist die Glätte eine nothwendige Eigenschaft der Spiegelfläche, die ein Bild machen soll: beym Schalle scheint dies nicht der Fall zu seyn; denn sehr oft findet man das schönste Echo in den rauhesten und unebensten Wildnissen, wo an glatte Flächen nicht zu denken ist. Im Ganzen kan man zwar die Aehnlichkeit der Gesetze, nach welchen Licht und Schall zurückgeworfen werden, nicht verkennen; allein sie kan schon darum nicht ohne Einschränkung gelten, weil sich der Fortgang des Schalls nicht mit solcher Evidenz auf gerade Linien zurückführen läst, wie der Fortgang des Lichts.

Unter dem Worte Echo wird sehr oft auch der Ort verstanden, wo sich ein wiederholter Schall hören läst. Man findet solche Orte häufig, und ich will hier nur einiger besonders ausgezeichneten gedenken.

Gassendi führt in seinen Anmerkungen über das zehnte Buch des Diogenes Laertius an, daß Boissard bey dem Grabmale der Metella, Gemahlin des Crassus, den ersten Vers der Aeneide: Arma virumque etc. achtmal wiederschallen gehört habe. So gedenkt Caspar Barth in den Noten zu der Thebaide des Statius (L.XI. v. 30.) eines Echo bey Coblenz am Ufer des Rheins, welches ein Wort siebzehnmal wiederhole, und sonst viel ähnliches mit dem zu Genetay bey Rouen hat, das in den Schriften der pariser Akademie vom Jahre 1692 beschrieben wird. An


Alle feſte Koͤxper von betraͤchtlichen Oberflaͤchen, wie Mauern, Waͤlle und Feſtungswerke, dichte Waͤlder, Haͤuſer, Berge, Felſen, hohe Ufer, koͤnnen ein Echo veranlaſſen. Eben ſo die Hoͤhlen in den Bergen, und die Wolken. Daher koͤmmt das Bruͤllen des Donners, ſ. Donner.

Dennoch iſt die Theorie der Zuruͤckwerfung fuͤr den Schall bey weitem noch nicht ſo ausgearbeitet und zuverlaͤßig, als fuͤr das Licht. Die Erfahrung lehrt, daß oft das Echo an Orten außenbleibt, wo man es der Regel nach hoͤren ſollte, und an andern, wo man es nicht erwartet haͤtte, ſtatt findet. Die Urſache liegt wohl darinn, daß man die noͤthige Beſchaffenheit der zuruͤckwerfen den Flaͤchen beym Lichte beſſer, als beym Schalle, kennet. Beym Lichte iſt die Glaͤtte eine nothwendige Eigenſchaft der Spiegelflaͤche, die ein Bild machen ſoll: beym Schalle ſcheint dies nicht der Fall zu ſeyn; denn ſehr oft findet man das ſchoͤnſte Echo in den rauheſten und unebenſten Wildniſſen, wo an glatte Flaͤchen nicht zu denken iſt. Im Ganzen kan man zwar die Aehnlichkeit der Geſetze, nach welchen Licht und Schall zuruͤckgeworfen werden, nicht verkennen; allein ſie kan ſchon darum nicht ohne Einſchraͤnkung gelten, weil ſich der Fortgang des Schalls nicht mit ſolcher Evidenz auf gerade Linien zuruͤckfuͤhren laͤſt, wie der Fortgang des Lichts.

Unter dem Worte Echo wird ſehr oft auch der Ort verſtanden, wo ſich ein wiederholter Schall hoͤren laͤſt. Man findet ſolche Orte haͤufig, und ich will hier nur einiger beſonders ausgezeichneten gedenken.

Gaſſendi fuͤhrt in ſeinen Anmerkungen uͤber das zehnte Buch des Diogenes Laertius an, daß Boiſſard bey dem Grabmale der Metella, Gemahlin des Craſſus, den erſten Vers der Aeneide: Arma virumque etc. achtmal wiederſchallen gehoͤrt habe. So gedenkt Caſpar Barth in den Noten zu der Thebaide des Statius (L.XI. v. 30.) eines Echo bey Coblenz am Ufer des Rheins, welches ein Wort ſiebzehnmal wiederhole, und ſonſt viel aͤhnliches mit dem zu Genetay bey Rouen hat, das in den Schriften der pariſer Akademie vom Jahre 1692 beſchrieben wird. An

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p>
            <pb facs="#f0679" xml:id="P.1.665" n="665"/><lb/>
          </p>
          <p>Alle fe&#x017F;te Ko&#x0364;xper von betra&#x0364;chtlichen Oberfla&#x0364;chen, wie Mauern, Wa&#x0364;lle und Fe&#x017F;tungswerke, dichte Wa&#x0364;lder, Ha&#x0364;u&#x017F;er, Berge, Fel&#x017F;en, hohe Ufer, ko&#x0364;nnen ein Echo veranla&#x017F;&#x017F;en. Eben &#x017F;o die Ho&#x0364;hlen in den Bergen, und die Wolken. Daher ko&#x0364;mmt das Bru&#x0364;llen des Donners, <hi rendition="#b">&#x017F;. Donner.</hi></p>
          <p>Dennoch i&#x017F;t die Theorie der Zuru&#x0364;ckwerfung fu&#x0364;r den Schall bey weitem noch nicht &#x017F;o ausgearbeitet und zuverla&#x0364;ßig, als fu&#x0364;r das Licht. Die Erfahrung lehrt, daß oft das Echo an Orten außenbleibt, wo man es der Regel nach ho&#x0364;ren &#x017F;ollte, und an andern, wo man es nicht erwartet ha&#x0364;tte, &#x017F;tatt findet. Die Ur&#x017F;ache liegt wohl darinn, daß man die no&#x0364;thige Be&#x017F;chaffenheit der zuru&#x0364;ckwerfen den Fla&#x0364;chen beym Lichte be&#x017F;&#x017F;er, als beym Schalle, kennet. Beym Lichte i&#x017F;t die Gla&#x0364;tte eine nothwendige Eigen&#x017F;chaft der Spiegelfla&#x0364;che, die ein Bild machen &#x017F;oll: beym Schalle &#x017F;cheint dies nicht der Fall zu &#x017F;eyn; denn &#x017F;ehr oft findet man das &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te Echo in den rauhe&#x017F;ten und uneben&#x017F;ten Wildni&#x017F;&#x017F;en, wo an glatte Fla&#x0364;chen nicht zu denken i&#x017F;t. Im Ganzen kan man zwar die Aehnlichkeit der Ge&#x017F;etze, nach welchen Licht und Schall zuru&#x0364;ckgeworfen werden, nicht verkennen; allein &#x017F;ie kan &#x017F;chon darum nicht ohne Ein&#x017F;chra&#x0364;nkung gelten, weil &#x017F;ich der Fortgang des Schalls nicht mit &#x017F;olcher Evidenz auf gerade Linien zuru&#x0364;ckfu&#x0364;hren la&#x0364;&#x017F;t, wie der Fortgang des Lichts.</p>
          <p>Unter dem Worte <hi rendition="#b">Echo</hi> wird &#x017F;ehr oft auch der Ort ver&#x017F;tanden, wo &#x017F;ich ein wiederholter Schall ho&#x0364;ren la&#x0364;&#x017F;t. Man findet &#x017F;olche Orte ha&#x0364;ufig, und ich will hier nur einiger be&#x017F;onders ausgezeichneten gedenken.</p>
          <p><hi rendition="#b">Ga&#x017F;&#x017F;endi</hi> fu&#x0364;hrt in &#x017F;einen Anmerkungen u&#x0364;ber das zehnte Buch des Diogenes Laertius an, daß Boi&#x017F;&#x017F;ard bey dem Grabmale der Metella, Gemahlin des Cra&#x017F;&#x017F;us, den er&#x017F;ten Vers der Aeneide: <hi rendition="#aq">Arma virumque etc.</hi> achtmal wieder&#x017F;challen geho&#x0364;rt habe. So gedenkt Ca&#x017F;par <hi rendition="#b">Barth</hi> in den Noten zu der Thebaide des Statius <hi rendition="#aq">(L.XI. v. 30.)</hi> eines Echo bey Coblenz am Ufer des Rheins, welches ein Wort &#x017F;iebzehnmal wiederhole, und &#x017F;on&#x017F;t viel a&#x0364;hnliches mit dem zu Genetay bey Rouen hat, das in den Schriften der pari&#x017F;er Akademie vom Jahre 1692 be&#x017F;chrieben wird. An<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[665/0679] Alle feſte Koͤxper von betraͤchtlichen Oberflaͤchen, wie Mauern, Waͤlle und Feſtungswerke, dichte Waͤlder, Haͤuſer, Berge, Felſen, hohe Ufer, koͤnnen ein Echo veranlaſſen. Eben ſo die Hoͤhlen in den Bergen, und die Wolken. Daher koͤmmt das Bruͤllen des Donners, ſ. Donner. Dennoch iſt die Theorie der Zuruͤckwerfung fuͤr den Schall bey weitem noch nicht ſo ausgearbeitet und zuverlaͤßig, als fuͤr das Licht. Die Erfahrung lehrt, daß oft das Echo an Orten außenbleibt, wo man es der Regel nach hoͤren ſollte, und an andern, wo man es nicht erwartet haͤtte, ſtatt findet. Die Urſache liegt wohl darinn, daß man die noͤthige Beſchaffenheit der zuruͤckwerfen den Flaͤchen beym Lichte beſſer, als beym Schalle, kennet. Beym Lichte iſt die Glaͤtte eine nothwendige Eigenſchaft der Spiegelflaͤche, die ein Bild machen ſoll: beym Schalle ſcheint dies nicht der Fall zu ſeyn; denn ſehr oft findet man das ſchoͤnſte Echo in den rauheſten und unebenſten Wildniſſen, wo an glatte Flaͤchen nicht zu denken iſt. Im Ganzen kan man zwar die Aehnlichkeit der Geſetze, nach welchen Licht und Schall zuruͤckgeworfen werden, nicht verkennen; allein ſie kan ſchon darum nicht ohne Einſchraͤnkung gelten, weil ſich der Fortgang des Schalls nicht mit ſolcher Evidenz auf gerade Linien zuruͤckfuͤhren laͤſt, wie der Fortgang des Lichts. Unter dem Worte Echo wird ſehr oft auch der Ort verſtanden, wo ſich ein wiederholter Schall hoͤren laͤſt. Man findet ſolche Orte haͤufig, und ich will hier nur einiger beſonders ausgezeichneten gedenken. Gaſſendi fuͤhrt in ſeinen Anmerkungen uͤber das zehnte Buch des Diogenes Laertius an, daß Boiſſard bey dem Grabmale der Metella, Gemahlin des Craſſus, den erſten Vers der Aeneide: Arma virumque etc. achtmal wiederſchallen gehoͤrt habe. So gedenkt Caſpar Barth in den Noten zu der Thebaide des Statius (L.XI. v. 30.) eines Echo bey Coblenz am Ufer des Rheins, welches ein Wort ſiebzehnmal wiederhole, und ſonſt viel aͤhnliches mit dem zu Genetay bey Rouen hat, das in den Schriften der pariſer Akademie vom Jahre 1692 beſchrieben wird. An

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/679
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 665. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/679>, abgerufen am 22.11.2024.