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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

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einigen Körpern sind die Wirkungen der Elasticität kaum merklich: man nennt sie unelastische, nicht-elastische Körper, obgleich auch ihnen ein geringer Grad von Elasticität nicht abgesprochen werden kann.

Es sind nemlich alle bekannte Körper elastisch, obgleich einige in weit höherm Grade, als andere. Selbst die Liquoren, oder tropfbaren flüßigen Materien, haben einige Elasticität, wie man schon daraus abnehmen kan, weil sie den Schall fortpflanzen, s. Schall. Wenn man zwischen Liquoren und elastischen flüßigen Materien einen Unterschied macht, so muß dies nur so angenommen werden, daß die letztern einen ohne alle Vergleichung höhern Grad von Elasticität besitzen. Die Elasticität des Wassers ist auch jetzt durch völlig entscheidende Versuche dargethan, s. Wasser. Man kan also die Elasticität im Grunde als ein allgemeines Phänomen der Körper ansehen.

Daß es keinen vollkommen elastischen Körper unter den festen geben könne, ist schon daraus klar, weil bey Wiederherstellung der veränderten Gestalt die an einander hingehenden Theile ein Reiben veranlassen, auf welches ein Theil der Kraft verwendet werden muß, der dadurch verlohren geht. Eben dies ist wohl die Ursache, warum gespannte Saiten, wenn sie beweget werden, ihre Schwingungen nur eine Zeitlang fortsetzen, und dann wieder in Ruhe kommen. Der Widerstand der Luft kan nicht allein die Ursache ausmachen, weil eben das auch im luftleeren Raume geschieht. Mersenne (Harmonic. L. III. prop. 13.) fand, daß eine aus 12 Darmhäutchen verfertigte und durch 8 Pf. Gewicht gespannte Saite mit einer 1/4 Lin. die cken und mit 6 3/8 Pf. gespannten Metallsaite den Einklang gab, daß aber die Darmsaite nur 40 Secunden, die Metallsaite 64 Sec. lang zitterte. Er schließt hieraus, daß sich die Theile des Metalls bey Veränderung der Gestalt weniger reiben, als die Theile der Darmhäutchen. Auch beym Stoße elastischer Körper weichen aus diesem Grunde die Versuche oft weit von den eigentlichen Gesetzen ab.

Man kan die Elasticität der Körper durch verschiedene Mittel verstärken. Die Metalle erhalten durch gewisse


einigen Koͤrpern ſind die Wirkungen der Elaſticitaͤt kaum merklich: man nennt ſie unelaſtiſche, nicht-elaſtiſche Koͤrper, obgleich auch ihnen ein geringer Grad von Elaſticitaͤt nicht abgeſprochen werden kann.

Es ſind nemlich alle bekannte Koͤrper elaſtiſch, obgleich einige in weit hoͤherm Grade, als andere. Selbſt die Liquoren, oder tropfbaren fluͤßigen Materien, haben einige Elaſticitaͤt, wie man ſchon daraus abnehmen kan, weil ſie den Schall fortpflanzen, ſ. Schall. Wenn man zwiſchen Liquoren und elaſtiſchen fluͤßigen Materien einen Unterſchied macht, ſo muß dies nur ſo angenommen werden, daß die letztern einen ohne alle Vergleichung hoͤhern Grad von Elaſticitaͤt beſitzen. Die Elaſticitaͤt des Waſſers iſt auch jetzt durch voͤllig entſcheidende Verſuche dargethan, ſ. Waſſer. Man kan alſo die Elaſticitaͤt im Grunde als ein allgemeines Phaͤnomen der Koͤrper anſehen.

Daß es keinen vollkommen elaſtiſchen Koͤrper unter den feſten geben koͤnne, iſt ſchon daraus klar, weil bey Wiederherſtellung der veraͤnderten Geſtalt die an einander hingehenden Theile ein Reiben veranlaſſen, auf welches ein Theil der Kraft verwendet werden muß, der dadurch verlohren geht. Eben dies iſt wohl die Urſache, warum geſpannte Saiten, wenn ſie beweget werden, ihre Schwingungen nur eine Zeitlang fortſetzen, und dann wieder in Ruhe kommen. Der Widerſtand der Luft kan nicht allein die Urſache ausmachen, weil eben das auch im luftleeren Raume geſchieht. Merſenne (Harmonic. L. III. prop. 13.) fand, daß eine aus 12 Darmhaͤutchen verfertigte und durch 8 Pf. Gewicht geſpannte Saite mit einer 1/4 Lin. die cken und mit 6 3/8 Pf. geſpannten Metallſaite den Einklang gab, daß aber die Darmſaite nur 40 Secunden, die Metallſaite 64 Sec. lang zitterte. Er ſchließt hieraus, daß ſich die Theile des Metalls bey Veraͤnderung der Geſtalt weniger reiben, als die Theile der Darmhaͤutchen. Auch beym Stoße elaſtiſcher Koͤrper weichen aus dieſem Grunde die Verſuche oft weit von den eigentlichen Geſetzen ab.

Man kan die Elaſticitaͤt der Koͤrper durch verſchiedene Mittel verſtaͤrken. Die Metalle erhalten durch gewiſſe

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[697/0711] einigen Koͤrpern ſind die Wirkungen der Elaſticitaͤt kaum merklich: man nennt ſie unelaſtiſche, nicht-elaſtiſche Koͤrper, obgleich auch ihnen ein geringer Grad von Elaſticitaͤt nicht abgeſprochen werden kann. Es ſind nemlich alle bekannte Koͤrper elaſtiſch, obgleich einige in weit hoͤherm Grade, als andere. Selbſt die Liquoren, oder tropfbaren fluͤßigen Materien, haben einige Elaſticitaͤt, wie man ſchon daraus abnehmen kan, weil ſie den Schall fortpflanzen, ſ. Schall. Wenn man zwiſchen Liquoren und elaſtiſchen fluͤßigen Materien einen Unterſchied macht, ſo muß dies nur ſo angenommen werden, daß die letztern einen ohne alle Vergleichung hoͤhern Grad von Elaſticitaͤt beſitzen. Die Elaſticitaͤt des Waſſers iſt auch jetzt durch voͤllig entſcheidende Verſuche dargethan, ſ. Waſſer. Man kan alſo die Elaſticitaͤt im Grunde als ein allgemeines Phaͤnomen der Koͤrper anſehen. Daß es keinen vollkommen elaſtiſchen Koͤrper unter den feſten geben koͤnne, iſt ſchon daraus klar, weil bey Wiederherſtellung der veraͤnderten Geſtalt die an einander hingehenden Theile ein Reiben veranlaſſen, auf welches ein Theil der Kraft verwendet werden muß, der dadurch verlohren geht. Eben dies iſt wohl die Urſache, warum geſpannte Saiten, wenn ſie beweget werden, ihre Schwingungen nur eine Zeitlang fortſetzen, und dann wieder in Ruhe kommen. Der Widerſtand der Luft kan nicht allein die Urſache ausmachen, weil eben das auch im luftleeren Raume geſchieht. Merſenne (Harmonic. L. III. prop. 13.) fand, daß eine aus 12 Darmhaͤutchen verfertigte und durch 8 Pf. Gewicht geſpannte Saite mit einer 1/4 Lin. die cken und mit 6 3/8 Pf. geſpannten Metallſaite den Einklang gab, daß aber die Darmſaite nur 40 Secunden, die Metallſaite 64 Sec. lang zitterte. Er ſchließt hieraus, daß ſich die Theile des Metalls bey Veraͤnderung der Geſtalt weniger reiben, als die Theile der Darmhaͤutchen. Auch beym Stoße elaſtiſcher Koͤrper weichen aus dieſem Grunde die Verſuche oft weit von den eigentlichen Geſetzen ab. Man kan die Elaſticitaͤt der Koͤrper durch verſchiedene Mittel verſtaͤrken. Die Metalle erhalten durch gewiſſe

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 697. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/711>, abgerufen am 22.11.2024.