Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.
Allein wie kan man diese angenommene zurückstoßende Kraft mit der Anziehung in Uebereinstimmung bringen, die ihr gerade entgegengesetzt ist, und doch ebenfalls stärker wird, wenn die Theilchen einander näher kommen? Dies heißt, Anziehung und Repulsion auf gut Glück annehmen, je nachdem man das eine oder das andere nöthig hat. Es bleibt also wohl nichts übrig, als die Vermuthung, daß bey den Theilchen der elastischen festen Körper die Kraft des Zusammenhangs in gewissen Lagen der genauern Berührung wegen stärker seyn möge, als in andern Lagen, da sich bey den weniger elastischen vielleicht die Theilchen in allen Lagen auf einerley Weise berühren; obgleich auch hierbey die Art und Weise, wie daraus die Phänomene der Elasticität entstehen, sehr dunkel bleibt. Die Elasticität flüßiger Materien, und insbesondere der Luft, haben sehr viele, wie Descartes, aus einer innern Bewegung ihrer Theilchen herleiten wollen, ob sie gleich diese Bewegung verschiedentlich bestimmen, und bald in einer Umdrehung jedes Theilchens um seine Axe, bald in einem Wirbel mehrerer Theilchen um einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt bestehen lassen. Daniel Bernoulli (Hydrodynam. Sect. X. de affectionibus atque motibus fluidorum elasticorum) hat sich bemüht, die Hypothese des Descartes, daß die Federkraft flüßiger Materien in einer sehr schnellen Bewegung aller ihrer Theile nach allen Richtungen bestehe, zur Erklärung der Erscheinungen anzuwenden. Man stelle sich eine Menge solcher Theilchen in einem hohlen Cylinder unter einem beweglichen und mit einem Gewichte beschwerten Deckel vor; dieser Deckel wird im Cylinder durch beständig wiederholte Stöße der Theilchen aus einer gewissen Höhe
Allein wie kan man dieſe angenommene zuruͤckſtoßende Kraft mit der Anziehung in Uebereinſtimmung bringen, die ihr gerade entgegengeſetzt iſt, und doch ebenfalls ſtaͤrker wird, wenn die Theilchen einander naͤher kommen? Dies heißt, Anziehung und Repulſion auf gut Gluͤck annehmen, je nachdem man das eine oder das andere noͤthig hat. Es bleibt alſo wohl nichts uͤbrig, als die Vermuthung, daß bey den Theilchen der elaſtiſchen feſten Koͤrper die Kraft des Zuſammenhangs in gewiſſen Lagen der genauern Beruͤhrung wegen ſtaͤrker ſeyn moͤge, als in andern Lagen, da ſich bey den weniger elaſtiſchen vielleicht die Theilchen in allen Lagen auf einerley Weiſe beruͤhren; obgleich auch hierbey die Art und Weiſe, wie daraus die Phaͤnomene der Elaſticitaͤt entſtehen, ſehr dunkel bleibt. Die Elaſticitaͤt fluͤßiger Materien, und insbeſondere der Luft, haben ſehr viele, wie Descartes, aus einer innern Bewegung ihrer Theilchen herleiten wollen, ob ſie gleich dieſe Bewegung verſchiedentlich beſtimmen, und bald in einer Umdrehung jedes Theilchens um ſeine Axe, bald in einem Wirbel mehrerer Theilchen um einen gemeinſchaftlichen Mittelpunkt beſtehen laſſen. Daniel Bernoulli (Hydrodynam. Sect. X. de affectionibus atque motibus fluidorum elaſticorum) hat ſich bemuͤht, die Hypotheſe des Descartes, daß die Federkraft fluͤßiger Materien in einer ſehr ſchnellen Bewegung aller ihrer Theile nach allen Richtungen beſtehe, zur Erklaͤrung der Erſcheinungen anzuwenden. Man ſtelle ſich eine Menge ſolcher Theilchen in einem hohlen Cylinder unter einem beweglichen und mit einem Gewichte beſchwerten Deckel vor; dieſer Deckel wird im Cylinder durch beſtaͤndig wiederholte Stoͤße der Theilchen auſ einer gewiſſen Hoͤhe <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0715" xml:id="P.1.701" n="701"/><lb/> in den Wirkungskreis der Repulſion des andern tritt. Die Repulſion aber wird deſto ſtaͤrker, je naͤher die Theilchen einander kommen, und treibt daher die Theilchen in ihre vorige Entfernung und den Koͤrper in ſeine vorige Geſtalt zuruͤck. Daher werden die Metalle elaſtiſcher, wenn man ſie haͤmmert, und Koͤrper mit weiten Zwiſchenraͤumen haben weniger Elaſticitaͤt.</p> <p>Allein wie kan man dieſe angenommene zuruͤckſtoßende Kraft mit der Anziehung in Uebereinſtimmung bringen, die ihr gerade entgegengeſetzt iſt, und doch ebenfalls ſtaͤrker wird, wenn die Theilchen einander naͤher kommen? Dies heißt, Anziehung und Repulſion auf gut Gluͤck annehmen, je nachdem man das eine oder das andere noͤthig hat.</p> <p>Es bleibt alſo wohl nichts uͤbrig, als die Vermuthung, daß bey den Theilchen der elaſtiſchen feſten Koͤrper die Kraft des Zuſammenhangs in gewiſſen Lagen der genauern Beruͤhrung wegen ſtaͤrker ſeyn moͤge, als in andern Lagen, da ſich bey den weniger elaſtiſchen vielleicht die Theilchen in allen Lagen auf einerley Weiſe beruͤhren; obgleich auch hierbey die Art und Weiſe, wie daraus die Phaͤnomene der Elaſticitaͤt entſtehen, ſehr dunkel bleibt.</p> <p>Die Elaſticitaͤt fluͤßiger Materien, und insbeſondere der Luft, haben ſehr viele, wie <hi rendition="#b">Descartes,</hi> aus einer innern Bewegung ihrer Theilchen herleiten wollen, ob ſie gleich dieſe Bewegung verſchiedentlich beſtimmen, und bald in einer Umdrehung jedes Theilchens um ſeine Axe, bald in einem Wirbel mehrerer Theilchen um einen gemeinſchaftlichen Mittelpunkt beſtehen laſſen.</p> <p><hi rendition="#b">Daniel Bernoulli</hi><hi rendition="#aq">(Hydrodynam. Sect. X. de affectionibus atque motibus fluidorum elaſticorum)</hi> hat ſich bemuͤht, die Hypotheſe des <hi rendition="#b">Descartes,</hi> daß die Federkraft fluͤßiger Materien in einer ſehr ſchnellen Bewegung aller ihrer Theile nach allen Richtungen beſtehe, zur Erklaͤrung der Erſcheinungen anzuwenden. Man ſtelle ſich eine Menge ſolcher Theilchen in einem hohlen Cylinder unter einem beweglichen und mit einem Gewichte beſchwerten Deckel vor; dieſer Deckel wird im Cylinder durch beſtaͤndig wiederholte Stoͤße der Theilchen auſ einer gewiſſen Hoͤhe<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [701/0715]
in den Wirkungskreis der Repulſion des andern tritt. Die Repulſion aber wird deſto ſtaͤrker, je naͤher die Theilchen einander kommen, und treibt daher die Theilchen in ihre vorige Entfernung und den Koͤrper in ſeine vorige Geſtalt zuruͤck. Daher werden die Metalle elaſtiſcher, wenn man ſie haͤmmert, und Koͤrper mit weiten Zwiſchenraͤumen haben weniger Elaſticitaͤt.
Allein wie kan man dieſe angenommene zuruͤckſtoßende Kraft mit der Anziehung in Uebereinſtimmung bringen, die ihr gerade entgegengeſetzt iſt, und doch ebenfalls ſtaͤrker wird, wenn die Theilchen einander naͤher kommen? Dies heißt, Anziehung und Repulſion auf gut Gluͤck annehmen, je nachdem man das eine oder das andere noͤthig hat.
Es bleibt alſo wohl nichts uͤbrig, als die Vermuthung, daß bey den Theilchen der elaſtiſchen feſten Koͤrper die Kraft des Zuſammenhangs in gewiſſen Lagen der genauern Beruͤhrung wegen ſtaͤrker ſeyn moͤge, als in andern Lagen, da ſich bey den weniger elaſtiſchen vielleicht die Theilchen in allen Lagen auf einerley Weiſe beruͤhren; obgleich auch hierbey die Art und Weiſe, wie daraus die Phaͤnomene der Elaſticitaͤt entſtehen, ſehr dunkel bleibt.
Die Elaſticitaͤt fluͤßiger Materien, und insbeſondere der Luft, haben ſehr viele, wie Descartes, aus einer innern Bewegung ihrer Theilchen herleiten wollen, ob ſie gleich dieſe Bewegung verſchiedentlich beſtimmen, und bald in einer Umdrehung jedes Theilchens um ſeine Axe, bald in einem Wirbel mehrerer Theilchen um einen gemeinſchaftlichen Mittelpunkt beſtehen laſſen.
Daniel Bernoulli (Hydrodynam. Sect. X. de affectionibus atque motibus fluidorum elaſticorum) hat ſich bemuͤht, die Hypotheſe des Descartes, daß die Federkraft fluͤßiger Materien in einer ſehr ſchnellen Bewegung aller ihrer Theile nach allen Richtungen beſtehe, zur Erklaͤrung der Erſcheinungen anzuwenden. Man ſtelle ſich eine Menge ſolcher Theilchen in einem hohlen Cylinder unter einem beweglichen und mit einem Gewichte beſchwerten Deckel vor; dieſer Deckel wird im Cylinder durch beſtaͤndig wiederholte Stoͤße der Theilchen auſ einer gewiſſen Hoͤhe
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