dreyerley Bewegungen, wovon man bisweilen nur eine oder zwo, bisweilen aber alle drey bemerket. Die erste besteht aus horizontalen Schwingungen des Bodens, welche, wenn sie heftig und anhaltend sind, den Grund sammt allem, was darauf stehet, zerstören. Diese Bewegung fand sich hauptsächlich bey dem Erdbeben zu Lissabon. Die zwote besteht in aufwärts gerichteten Stößen, wodurch die Erdrinde in die Höhe gehoben wird, oft auch bricht, und ganz oder zum Theile wieder einsinket. Das Wasser folget wegen seiner Flüßigkeit dieser Bewegung noch geschwinder, als die Erdrinde, so wie der Tago zu Lissabon auf einmal zurücktrat, und binnen vier Minuten wieder 30 Fuß über seine gewöhnliche Höhe emporstieg. Die dritte Bewegung gleichet eiuer Explosion oder gewaltsamen und nach allen Seiten wirkenden Zersprengung, wobey mehrentheils Flammen aus der Erde hervorbrechen, und durch die gerissenen Oefnungen Wasser, Asche, Erde und Steine ausgeworfen werden. Hiebey zeigt sich die Aehnlichkeit mit den Vulkanen am deutlichsten. Solche Explosionen zerstörten im Jahre 1746 binnen drey Minuten den größten Theil der Stadt Lima, überschwemmten Callao, versenkten 23 Schiffe, und ließen von 4000 Personen nur 200 entkommen. Es brachen dabey in einer Nacht vier Vulkane aus. Dies ist der höchste und schrecklichste Grad der Erdbeben, nach dessen Erreichung sie auch gemeiniglich nachlassen.
Die Stöße der Erdbeben folgen bisweilen langsam, mit dazwischen fallenden langen Pausen, bisweilen mit großer Geschwindigkeit auf einander. In Lima empfand man deren in 24 Stunden über zweyhundert. Sie nehmen gewöhnlich einen gewissen Strich, daher oft Gebäude, die außerhalb dieses Striches liegen, verschont bleiben, dagegen andere ganz nahe liegende auf die entgegengesetzte Seite geworfen werden. Auch die Dauer dieser ganzen fürchterlichen Begebenheit ist sehr verschieden; in Amerika haben die Erdbeben oft Jahre lang an einerley Orte gewüthet, und fast täglich ihre Stöße erneuert. Die meisten Erdbeben erstrecken sich nur über eingeschränkte Gegenden; viele aber breiten sich auch durch einen ungeheuren Umfang aus,
dreyerley Bewegungen, wovon man bisweilen nur eine oder zwo, bisweilen aber alle drey bemerket. Die erſte beſteht aus horizontalen Schwingungen des Bodens, welche, wenn ſie heftig und anhaltend ſind, den Grund ſammt allem, was darauf ſtehet, zerſtoͤren. Dieſe Bewegung fand ſich hauptſaͤchlich bey dem Erdbeben zu Liſſabon. Die zwote beſteht in aufwaͤrts gerichteten Stoͤßen, wodurch die Erdrinde in die Hoͤhe gehoben wird, oft auch bricht, und ganz oder zum Theile wieder einſinket. Das Waſſer folget wegen ſeiner Fluͤßigkeit dieſer Bewegung noch geſchwinder, als die Erdrinde, ſo wie der Tago zu Liſſabon auf einmal zuruͤcktrat, und binnen vier Minuten wieder 30 Fuß uͤber ſeine gewoͤhnliche Hoͤhe emporſtieg. Die dritte Bewegung gleichet eiuer Exploſion oder gewaltſamen und nach allen Seiten wirkenden Zerſprengung, wobey mehrentheils Flammen aus der Erde hervorbrechen, und durch die geriſſenen Oefnungen Waſſer, Aſche, Erde und Steine ausgeworfen werden. Hiebey zeigt ſich die Aehnlichkeit mit den Vulkanen am deutlichſten. Solche Exploſionen zerſtoͤrten im Jahre 1746 binnen drey Minuten den groͤßten Theil der Stadt Lima, uͤberſchwemmten Callao, verſenkten 23 Schiffe, und ließen von 4000 Perſonen nur 200 entkommen. Es brachen dabey in einer Nacht vier Vulkane aus. Dies iſt der hoͤchſte und ſchrecklichſte Grad der Erdbeben, nach deſſen Erreichung ſie auch gemeiniglich nachlaſſen.
Die Stoͤße der Erdbeben folgen bisweilen langſam, mit dazwiſchen fallenden langen Pauſen, bisweilen mit großer Geſchwindigkeit auf einander. In Lima empfand man deren in 24 Stunden uͤber zweyhundert. Sie nehmen gewoͤhnlich einen gewiſſen Strich, daher oft Gebaͤude, die außerhalb dieſes Striches liegen, verſchont bleiben, dagegen andere ganz nahe liegende auf die entgegengeſetzte Seite geworfen werden. Auch die Dauer dieſer ganzen fuͤrchterlichen Begebenheit iſt ſehr verſchieden; in Amerika haben die Erdbeben oft Jahre lang an einerley Orte gewuͤthet, und faſt taͤglich ihre Stoͤße erneuert. Die meiſten Erdbeben erſtrecken ſich nur uͤber eingeſchraͤnkte Gegenden; viele aber breiten ſich auch durch einen ungeheuren Umfang aus,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="2"><p><pbfacs="#f0010"xml:id="P.2.4"n="4"/><lb/>
dreyerley Bewegungen, wovon man bisweilen nur eine oder zwo, bisweilen aber alle drey bemerket. Die erſte beſteht aus horizontalen Schwingungen des Bodens, welche, wenn ſie heftig und anhaltend ſind, den Grund ſammt allem, was darauf ſtehet, zerſtoͤren. Dieſe Bewegung fand ſich hauptſaͤchlich bey dem Erdbeben zu Liſſabon. Die zwote beſteht in aufwaͤrts gerichteten Stoͤßen, wodurch die Erdrinde in die Hoͤhe gehoben wird, oft auch bricht, und ganz oder zum Theile wieder einſinket. Das Waſſer folget wegen ſeiner Fluͤßigkeit dieſer Bewegung noch geſchwinder, als die Erdrinde, ſo wie der Tago zu Liſſabon auf einmal zuruͤcktrat, und binnen vier Minuten wieder 30 Fuß uͤber ſeine gewoͤhnliche Hoͤhe emporſtieg. Die dritte Bewegung gleichet eiuer Exploſion oder gewaltſamen und nach allen Seiten wirkenden Zerſprengung, wobey mehrentheils Flammen aus der Erde hervorbrechen, und durch die geriſſenen Oefnungen Waſſer, Aſche, Erde und Steine ausgeworfen werden. Hiebey zeigt ſich die Aehnlichkeit mit den Vulkanen am deutlichſten. Solche Exploſionen zerſtoͤrten im Jahre 1746 binnen drey Minuten den groͤßten Theil der Stadt Lima, uͤberſchwemmten Callao, verſenkten 23 Schiffe, und ließen von 4000 Perſonen nur 200 entkommen. Es brachen dabey in einer Nacht vier Vulkane aus. Dies iſt der hoͤchſte und ſchrecklichſte Grad der Erdbeben, nach deſſen Erreichung ſie auch gemeiniglich nachlaſſen.</p><p>Die Stoͤße der Erdbeben folgen bisweilen langſam, mit dazwiſchen fallenden langen Pauſen, bisweilen mit großer Geſchwindigkeit auf einander. In Lima empfand man deren in 24 Stunden uͤber zweyhundert. Sie nehmen gewoͤhnlich einen gewiſſen Strich, daher oft Gebaͤude, die außerhalb dieſes Striches liegen, verſchont bleiben, dagegen andere ganz nahe liegende auf die entgegengeſetzte Seite geworfen werden. Auch die Dauer dieſer ganzen fuͤrchterlichen Begebenheit iſt ſehr verſchieden; in Amerika haben die Erdbeben oft Jahre lang an einerley Orte gewuͤthet, und faſt taͤglich ihre Stoͤße erneuert. Die meiſten Erdbeben erſtrecken ſich nur uͤber eingeſchraͤnkte Gegenden; viele aber breiten ſich auch durch einen ungeheuren Umfang aus,<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[4/0010]
dreyerley Bewegungen, wovon man bisweilen nur eine oder zwo, bisweilen aber alle drey bemerket. Die erſte beſteht aus horizontalen Schwingungen des Bodens, welche, wenn ſie heftig und anhaltend ſind, den Grund ſammt allem, was darauf ſtehet, zerſtoͤren. Dieſe Bewegung fand ſich hauptſaͤchlich bey dem Erdbeben zu Liſſabon. Die zwote beſteht in aufwaͤrts gerichteten Stoͤßen, wodurch die Erdrinde in die Hoͤhe gehoben wird, oft auch bricht, und ganz oder zum Theile wieder einſinket. Das Waſſer folget wegen ſeiner Fluͤßigkeit dieſer Bewegung noch geſchwinder, als die Erdrinde, ſo wie der Tago zu Liſſabon auf einmal zuruͤcktrat, und binnen vier Minuten wieder 30 Fuß uͤber ſeine gewoͤhnliche Hoͤhe emporſtieg. Die dritte Bewegung gleichet eiuer Exploſion oder gewaltſamen und nach allen Seiten wirkenden Zerſprengung, wobey mehrentheils Flammen aus der Erde hervorbrechen, und durch die geriſſenen Oefnungen Waſſer, Aſche, Erde und Steine ausgeworfen werden. Hiebey zeigt ſich die Aehnlichkeit mit den Vulkanen am deutlichſten. Solche Exploſionen zerſtoͤrten im Jahre 1746 binnen drey Minuten den groͤßten Theil der Stadt Lima, uͤberſchwemmten Callao, verſenkten 23 Schiffe, und ließen von 4000 Perſonen nur 200 entkommen. Es brachen dabey in einer Nacht vier Vulkane aus. Dies iſt der hoͤchſte und ſchrecklichſte Grad der Erdbeben, nach deſſen Erreichung ſie auch gemeiniglich nachlaſſen.
Die Stoͤße der Erdbeben folgen bisweilen langſam, mit dazwiſchen fallenden langen Pauſen, bisweilen mit großer Geſchwindigkeit auf einander. In Lima empfand man deren in 24 Stunden uͤber zweyhundert. Sie nehmen gewoͤhnlich einen gewiſſen Strich, daher oft Gebaͤude, die außerhalb dieſes Striches liegen, verſchont bleiben, dagegen andere ganz nahe liegende auf die entgegengeſetzte Seite geworfen werden. Auch die Dauer dieſer ganzen fuͤrchterlichen Begebenheit iſt ſehr verſchieden; in Amerika haben die Erdbeben oft Jahre lang an einerley Orte gewuͤthet, und faſt taͤglich ihre Stoͤße erneuert. Die meiſten Erdbeben erſtrecken ſich nur uͤber eingeſchraͤnkte Gegenden; viele aber breiten ſich auch durch einen ungeheuren Umfang aus,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: keine Angabe;
Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: keine Angabe;
Kustoden: keine Angabe;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine Angabe;
rundes r (ꝛ): keine Angabe;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: aufgelöst;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: keine Angabe;
Zeichensetzung: keine Angabe;
Zeilenumbrüche markiert: nein;
Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/10>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.