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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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eben das entbunden werden muß, was bey der Auflösung der Säure entzogen ward, so schließt er, es sey dieses die reine Luft, und also das Salpetergas eine, durch Beraubung der reinen Luft, zersetzte Säure. Macquer aber zeigt sehr richtig, daß er hiebey die Zersetzung der Säure bey der Auflösung willkührlich voraussetze, und daß weit wahrscheinlicher im Salpetergas die noch unzersetzte Säure durch etwas gebunden sey, was sie hindert, sich als Säure zu zeigen, welches nichts anders, als das Phlogiston seyn kan. Macquer beruft sich hiebey auf die von Lavoisier selbst bemerkten Umstände, daß die Wiederherstellung des Quecksilbers mehr reine Luft gab, als die Auflösung Salpetergas gegeben hatte; daß das Salpetergas schon von der Hälfte der erhaltnen reinen Luft gesättigt ward, und daß am Ende der ganzen Operation fast die Hälfte der vermeyntlich zersetzten Salpetersäure fehlte. Diese Umstände, welche Lavoisier selbst nicht zu erklären weiß, zeigen deutlich, daß hiebey nicht blos Abgang und Wiedererstattung eben derselben Substanz erfolge, sondern daß der Uebergang der Salpetersäure in Salpetergas noch eine andere Ursache, als den bloßen Abgang der reinen Luft, haben müsse. Ich werde mich hierauf bey dem Worte: Phlogiston beziehen.

Man hat also die Entstehung der Dämpfe bey der Vermischung der nitrösen und gemeinen Luft nicht für eine Erzeugung, sondern für einen Niederschlag anzusehen. Daß aber dieser Niederschlag nach Herrn Acbard (Chymischphys. Schriften, S. 173.) durch die in der gemeinen Luft befindliche Vitriolsäure bewirkt werde, ist wohl unwahrscheinlich, da das Daseyn einer solchen Säure unerwiesen ist. Man kan ihn weit besser aus der stärkern Verwandschaft des Phlogistons mit der Luft herleiten.

Kirwan (Exp. and Obs. on various saline substan- <*>es, nach Crells Uebers. S. 105.) hat die Verminderung der respirablen Luft durch Salpetergas für einen Uebergang in fixe Luft, die vom Wasser verschluckt würde, ansehen wollen. Man findet aber im Rückstande allzuwenig fixe Luft, als daß man dieselbe für ein Hauptprodukt der Operation


eben das entbunden werden muß, was bey der Aufloͤſung der Saͤure entzogen ward, ſo ſchließt er, es ſey dieſes die reine Luft, und alſo das Salpetergas eine, durch Beraubung der reinen Luft, zerſetzte Saͤure. Macquer aber zeigt ſehr richtig, daß er hiebey die Zerſetzung der Saͤure bey der Aufloͤſung willkuͤhrlich vorausſetze, und daß weit wahrſcheinlicher im Salpetergas die noch unzerſetzte Saͤure durch etwas gebunden ſey, was ſie hindert, ſich als Saͤure zu zeigen, welches nichts anders, als das Phlogiſton ſeyn kan. Macquer beruft ſich hiebey auf die von Lavoiſier ſelbſt bemerkten Umſtaͤnde, daß die Wiederherſtellung des Queckſilbers mehr reine Luft gab, als die Aufloͤſung Salpetergas gegeben hatte; daß das Salpetergas ſchon von der Haͤlfte der erhaltnen reinen Luft geſaͤttigt ward, und daß am Ende der ganzen Operation faſt die Haͤlfte der vermeyntlich zerſetzten Salpeterſaͤure fehlte. Dieſe Umſtaͤnde, welche Lavoiſier ſelbſt nicht zu erklaͤren weiß, zeigen deutlich, daß hiebey nicht blos Abgang und Wiedererſtattung eben derſelben Subſtanz erfolge, ſondern daß der Uebergang der Salpeterſaͤure in Salpetergas noch eine andere Urſache, als den bloßen Abgang der reinen Luft, haben muͤſſe. Ich werde mich hierauf bey dem Worte: Phlogiſton beziehen.

Man hat alſo die Entſtehung der Daͤmpfe bey der Vermiſchung der nitroͤſen und gemeinen Luft nicht fuͤr eine Erzeugung, ſondern fuͤr einen Niederſchlag anzuſehen. Daß aber dieſer Niederſchlag nach Herrn Acbard (Chymiſchphyſ. Schriften, S. 173.) durch die in der gemeinen Luft befindliche Vitriolſaͤure bewirkt werde, iſt wohl unwahrſcheinlich, da das Daſeyn einer ſolchen Saͤure unerwieſen iſt. Man kan ihn weit beſſer aus der ſtaͤrkern Verwandſchaft des Phlogiſtons mit der Luft herleiten.

Kirwan (Exp. and Obſ. on various ſaline ſubſtan- <*>es, nach Crells Ueberſ. S. 105.) hat die Verminderung der reſpirablen Luft durch Salpetergas fuͤr einen Uebergang in fixe Luft, die vom Waſſer verſchluckt wuͤrde, anſehen wollen. Man findet aber im Ruͤckſtande allzuwenig fixe Luft, als daß man dieſelbe fuͤr ein Hauptprodukt der Operation

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[418/0424] eben das entbunden werden muß, was bey der Aufloͤſung der Saͤure entzogen ward, ſo ſchließt er, es ſey dieſes die reine Luft, und alſo das Salpetergas eine, durch Beraubung der reinen Luft, zerſetzte Saͤure. Macquer aber zeigt ſehr richtig, daß er hiebey die Zerſetzung der Saͤure bey der Aufloͤſung willkuͤhrlich vorausſetze, und daß weit wahrſcheinlicher im Salpetergas die noch unzerſetzte Saͤure durch etwas gebunden ſey, was ſie hindert, ſich als Saͤure zu zeigen, welches nichts anders, als das Phlogiſton ſeyn kan. Macquer beruft ſich hiebey auf die von Lavoiſier ſelbſt bemerkten Umſtaͤnde, daß die Wiederherſtellung des Queckſilbers mehr reine Luft gab, als die Aufloͤſung Salpetergas gegeben hatte; daß das Salpetergas ſchon von der Haͤlfte der erhaltnen reinen Luft geſaͤttigt ward, und daß am Ende der ganzen Operation faſt die Haͤlfte der vermeyntlich zerſetzten Salpeterſaͤure fehlte. Dieſe Umſtaͤnde, welche Lavoiſier ſelbſt nicht zu erklaͤren weiß, zeigen deutlich, daß hiebey nicht blos Abgang und Wiedererſtattung eben derſelben Subſtanz erfolge, ſondern daß der Uebergang der Salpeterſaͤure in Salpetergas noch eine andere Urſache, als den bloßen Abgang der reinen Luft, haben muͤſſe. Ich werde mich hierauf bey dem Worte: Phlogiſton beziehen. Man hat alſo die Entſtehung der Daͤmpfe bey der Vermiſchung der nitroͤſen und gemeinen Luft nicht fuͤr eine Erzeugung, ſondern fuͤr einen Niederſchlag anzuſehen. Daß aber dieſer Niederſchlag nach Herrn Acbard (Chymiſchphyſ. Schriften, S. 173.) durch die in der gemeinen Luft befindliche Vitriolſaͤure bewirkt werde, iſt wohl unwahrſcheinlich, da das Daſeyn einer ſolchen Saͤure unerwieſen iſt. Man kan ihn weit beſſer aus der ſtaͤrkern Verwandſchaft des Phlogiſtons mit der Luft herleiten. Kirwan (Exp. and Obſ. on various ſaline ſubſtan- <*>es, nach Crells Ueberſ. S. 105.) hat die Verminderung der reſpirablen Luft durch Salpetergas fuͤr einen Uebergang in fixe Luft, die vom Waſſer verſchluckt wuͤrde, anſehen wollen. Man findet aber im Ruͤckſtande allzuwenig fixe Luft, als daß man dieſelbe fuͤr ein Hauptprodukt der Operation

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/424>, abgerufen am 01.09.2024.