Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.
Der Abt Plüche (Spectacle de la nature. a la Haye, 1738 8. To. III. P. 2.) läßt bey der Entstehung der Erde die Ebnen des Aequators und der Ekliptik zusammenfallen, daraus einen beständigen Frühling erfolgen, und das Meer zum Theil in unterirdischen Höhlen verborgen liegen. Plötzlich aber lenkt der Schöpfer die Erdaxe nach den nördlichen Gestirnen, die Sonnenhitze fällt ganz auf die eine Halbkugel, es entstehen gewaltsame Ausdehnungen der Luft, die Stürme dringen zwischen das unterirdische Wasser und die Wölbung der Höhlen ein. Auch fällt das Wasser der Atmosphäre in heftigen Regengüssen herab. Die Erde zerbricht davon, fällt stückweis in die Tiefen, und treibt das Wasser herauf. Hierdurch entsteht die Sündfluth. Endlich bringen Ausdünstung und Ablauf die Erde wieder aufs Trockne, wo man noch die Erdschichten, als Ueberbleibsel des ältesten Baues, aber auch die Spuren der Veränderungen antrifft, die das Wasser und der Einsturz darauf verursacht haben. In diesem System ist die angenommene Ursache unstreitig zu schwach, um so gewaltsame Wirkungen hervorzubringen. Bourguet (Lettres philosophiques sur la formation des sels et des cristaux. a Amsterd. 1729. 12mo) glaubte in der Gestalt und Lage der Gebirge eine allgemeine Aehnlichkeit mit Festungswerken zu finden, wo immer einwärtsgehende und hervorspringende Winkel mit parallelen Schenkeln einander gegenüber stehen. Auch stand er, wie viele andere Naturforscher, in den Gedanken, daß man in allen Bergen Schichten und Conchylien finde. Er erklärte also die Bildung der Berge aus Strömen des ehemaligen Meeres, so wie sich an den Biegungen der Flüsse ebenfalls Winkel mit parallelen Schenkeln an beyden Ufern gegenüber stehen. Allein dies ist mehr die Wirkung eines reißenden Stroms, der sich Wege durchbricht, als die eines weit ausgebreiteten und Niederschläge absetzenden Meeres, zu geschweigen, daß diese Anordnung nur bey einer sehr geringen Anzahl von Bergen statt findet, und daß diese Berge schon vorhanden seyn mußten, ehe sich die Fluth den Weg durch dieselben
Der Abt Pluͤche (Spectacle de la nature. à la Haye, 1738 8. To. III. P. 2.) laͤßt bey der Entſtehung der Erde die Ebnen des Aequators und der Ekliptik zuſammenfallen, daraus einen beſtaͤndigen Fruͤhling erfolgen, und das Meer zum Theil in unterirdiſchen Hoͤhlen verborgen liegen. Ploͤtzlich aber lenkt der Schoͤpfer die Erdaxe nach den noͤrdlichen Geſtirnen, die Sonnenhitze faͤllt ganz auf die eine Halbkugel, es entſtehen gewaltſame Ausdehnungen der Luft, die Stuͤrme dringen zwiſchen das unterirdiſche Waſſer und die Woͤlbung der Hoͤhlen ein. Auch faͤllt das Waſſer der Atmoſphaͤre in heftigen Regenguͤſſen herab. Die Erde zerbricht davon, faͤllt ſtuͤckweis in die Tiefen, und treibt das Waſſer herauf. Hierdurch entſteht die Suͤndfluth. Endlich bringen Ausduͤnſtung und Ablauf die Erde wieder aufs Trockne, wo man noch die Erdſchichten, als Ueberbleibſel des aͤlteſten Baues, aber auch die Spuren der Veraͤnderungen antrifft, die das Waſſer und der Einſturz darauf verurſacht haben. In dieſem Syſtem iſt die angenommene Urſache unſtreitig zu ſchwach, um ſo gewaltſame Wirkungen hervorzubringen. Bourguet (Lettres philoſophiques ſur la formation des ſels et des criſtaux. à Amſterd. 1729. 12mo) glaubte in der Geſtalt und Lage der Gebirge eine allgemeine Aehnlichkeit mit Feſtungswerken zu finden, wo immer einwaͤrtsgehende und hervorſpringende Winkel mit parallelen Schenkeln einander gegenuͤber ſtehen. Auch ſtand er, wie viele andere Naturforſcher, in den Gedanken, daß man in allen Bergen Schichten und Conchylien finde. Er erklaͤrte alſo die Bildung der Berge aus Stroͤmen des ehemaligen Meeres, ſo wie ſich an den Biegungen der Fluͤſſe ebenfalls Winkel mit parallelen Schenkeln an beyden Ufern gegenuͤber ſtehen. Allein dies iſt mehr die Wirkung eines reißenden Stroms, der ſich Wege durchbricht, als die eines weit ausgebreiteten und Niederſchlaͤge abſetzenden Meeres, zu geſchweigen, daß dieſe Anordnung nur bey einer ſehr geringen Anzahl von Bergen ſtatt findet, und daß dieſe Berge ſchon vorhanden ſeyn mußten, ehe ſich die Fluth den Weg durch dieſelben <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0067" xml:id="P.2.61" n="61"/><lb/> Syſteme, welche die Berge durch unterirdiſches Feuer emporheben laſſen, ſehr ausfuͤhrlich widerlegt.</p> <p>Der Abt <hi rendition="#b">Pluͤche</hi> (<hi rendition="#aq">Spectacle de la nature. à la Haye, 1738 8. To. III. P. 2.</hi>) laͤßt bey der Entſtehung der Erde die Ebnen des Aequators und der Ekliptik zuſammenfallen, daraus einen beſtaͤndigen Fruͤhling erfolgen, und das Meer zum Theil in unterirdiſchen Hoͤhlen verborgen liegen. Ploͤtzlich aber lenkt der Schoͤpfer die Erdaxe nach den noͤrdlichen Geſtirnen, die Sonnenhitze faͤllt ganz auf die eine Halbkugel, es entſtehen gewaltſame Ausdehnungen der Luft, die Stuͤrme dringen zwiſchen das unterirdiſche Waſſer und die Woͤlbung der Hoͤhlen ein. Auch faͤllt das Waſſer der Atmoſphaͤre in heftigen Regenguͤſſen herab. Die Erde zerbricht davon, faͤllt ſtuͤckweis in die Tiefen, und treibt das Waſſer herauf. Hierdurch entſteht die Suͤndfluth. Endlich bringen Ausduͤnſtung und Ablauf die Erde wieder aufs Trockne, wo man noch die Erdſchichten, als Ueberbleibſel des aͤlteſten Baues, aber auch die Spuren der Veraͤnderungen antrifft, die das Waſſer und der Einſturz darauf verurſacht haben. In dieſem Syſtem iſt die angenommene Urſache unſtreitig zu ſchwach, um ſo gewaltſame Wirkungen hervorzubringen.</p> <p><hi rendition="#b">Bourguet</hi> (<hi rendition="#aq">Lettres philoſophiques ſur la formation des ſels et des criſtaux. à Amſterd. 1729. 12mo</hi>) glaubte in der Geſtalt und Lage der Gebirge eine allgemeine Aehnlichkeit mit Feſtungswerken zu finden, wo immer einwaͤrtsgehende und hervorſpringende Winkel mit parallelen Schenkeln einander gegenuͤber ſtehen. Auch ſtand er, wie viele andere Naturforſcher, in den Gedanken, daß man in allen Bergen Schichten und Conchylien finde. Er erklaͤrte alſo die Bildung der Berge aus Stroͤmen des ehemaligen Meeres, ſo wie ſich an den Biegungen der Fluͤſſe ebenfalls Winkel mit parallelen Schenkeln an beyden Ufern gegenuͤber ſtehen. Allein dies iſt mehr die Wirkung eines reißenden Stroms, der ſich Wege durchbricht, als die eines weit ausgebreiteten und Niederſchlaͤge abſetzenden Meeres, zu geſchweigen, daß dieſe Anordnung nur bey einer ſehr geringen Anzahl von Bergen ſtatt findet, und daß dieſe Berge ſchon vorhanden ſeyn mußten, ehe ſich die Fluth den Weg durch dieſelben<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [61/0067]
Syſteme, welche die Berge durch unterirdiſches Feuer emporheben laſſen, ſehr ausfuͤhrlich widerlegt.
Der Abt Pluͤche (Spectacle de la nature. à la Haye, 1738 8. To. III. P. 2.) laͤßt bey der Entſtehung der Erde die Ebnen des Aequators und der Ekliptik zuſammenfallen, daraus einen beſtaͤndigen Fruͤhling erfolgen, und das Meer zum Theil in unterirdiſchen Hoͤhlen verborgen liegen. Ploͤtzlich aber lenkt der Schoͤpfer die Erdaxe nach den noͤrdlichen Geſtirnen, die Sonnenhitze faͤllt ganz auf die eine Halbkugel, es entſtehen gewaltſame Ausdehnungen der Luft, die Stuͤrme dringen zwiſchen das unterirdiſche Waſſer und die Woͤlbung der Hoͤhlen ein. Auch faͤllt das Waſſer der Atmoſphaͤre in heftigen Regenguͤſſen herab. Die Erde zerbricht davon, faͤllt ſtuͤckweis in die Tiefen, und treibt das Waſſer herauf. Hierdurch entſteht die Suͤndfluth. Endlich bringen Ausduͤnſtung und Ablauf die Erde wieder aufs Trockne, wo man noch die Erdſchichten, als Ueberbleibſel des aͤlteſten Baues, aber auch die Spuren der Veraͤnderungen antrifft, die das Waſſer und der Einſturz darauf verurſacht haben. In dieſem Syſtem iſt die angenommene Urſache unſtreitig zu ſchwach, um ſo gewaltſame Wirkungen hervorzubringen.
Bourguet (Lettres philoſophiques ſur la formation des ſels et des criſtaux. à Amſterd. 1729. 12mo) glaubte in der Geſtalt und Lage der Gebirge eine allgemeine Aehnlichkeit mit Feſtungswerken zu finden, wo immer einwaͤrtsgehende und hervorſpringende Winkel mit parallelen Schenkeln einander gegenuͤber ſtehen. Auch ſtand er, wie viele andere Naturforſcher, in den Gedanken, daß man in allen Bergen Schichten und Conchylien finde. Er erklaͤrte alſo die Bildung der Berge aus Stroͤmen des ehemaligen Meeres, ſo wie ſich an den Biegungen der Fluͤſſe ebenfalls Winkel mit parallelen Schenkeln an beyden Ufern gegenuͤber ſtehen. Allein dies iſt mehr die Wirkung eines reißenden Stroms, der ſich Wege durchbricht, als die eines weit ausgebreiteten und Niederſchlaͤge abſetzenden Meeres, zu geſchweigen, daß dieſe Anordnung nur bey einer ſehr geringen Anzahl von Bergen ſtatt findet, und daß dieſe Berge ſchon vorhanden ſeyn mußten, ehe ſich die Fluth den Weg durch dieſelben
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