Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.
Die Erfahrung lehrt ferner, daß die Körper theilbar oder aus Theilen zusammengesetzt sind, s. Theilbarkeit. Wenn uns auch die Mittel fehlen, diese Theilung wirklich fortzusetzen, so kan doch die Vorstellungskraft noch theilen, so lang Ausdehnung vorhanden ist, s. Atomen. Da wir aber alle Körper, mit denen sich Versuche anstellen lassen, theilbar finden, so rechnet man auch diese Eigenschaft, oder besser, dieses Phänomen der Körper zu den allgemeinen. In sofern jede Theilung eines Körpers Kraft erfordert, oder in sofern jeder Körper seiner wirklichen Theilung Widerstand entgegensetzt, wird ihm Härte zugeschrieben, daher man auch diese zu den allgemeinen Phänomenen der Körper zu rechnen pflegt. Endlich nehmen wir wahr, oder können uns wenigstens in allen Fällen vorstellen, daß die Körper ihren Zustand in Absicht auf Ruhe und Bewegung nie ohne Ursache ändern. Dies nennen wir ihre Trägheit, die Ursachen der Aenderungen aber Kräfte. Viele dieser Kräfte liegen offenbar außer den Körpern selbst; ob aber einige auch in den Körpern liegen, davon belehren uns die Erscheinungen nicht, und wir überschreiten die dem Physiker vorgeschriebenen Grenzen, sobald wir darüber zu entscheiden wagen. Einige Metaphysiker sehen Kraft als etwas dem Körper Wesentliches an, suchen selbst in der Undurchdringlichkeit eine Kraft, oder finden gar das Wesen der Materie in einfachen, mit Kraft versehenen Substanzen, s. Materie. Andere hingegen dehnen den Begriff der Trägheit so weit aus, daß sie sich das Verhalten des Körpers als völlig leidend und unwirksam vorstellen, und alle Aenderungen seines Zustands als Wirkungen äußerer Ursachen ansehen. Beyde gehen über das hinaus, was die Phänomene lehren, daß nemlich jede Aenderung des Zustands eine Ursache voraussetze, deren Wesen man nicht kennt, und von der man es oft unentschieden lassen muß, ob sie in oder außer dem Körper liegt. Unter diese Ursachen, welche Bewegung hervorbringen
Die Erfahrung lehrt ferner, daß die Koͤrper theilbar oder aus Theilen zuſammengeſetzt ſind, ſ. Theilbarkeit. Wenn uns auch die Mittel fehlen, dieſe Theilung wirklich fortzuſetzen, ſo kan doch die Vorſtellungskraft noch theilen, ſo lang Ausdehnung vorhanden iſt, ſ. Atomen. Da wir aber alle Koͤrper, mit denen ſich Verſuche anſtellen laſſen, theilbar finden, ſo rechnet man auch dieſe Eigenſchaft, oder beſſer, dieſes Phaͤnomen der Koͤrper zu den allgemeinen. In ſofern jede Theilung eines Koͤrpers Kraft erfordert, oder in ſofern jeder Koͤrper ſeiner wirklichen Theilung Widerſtand entgegenſetzt, wird ihm Haͤrte zugeſchrieben, daher man auch dieſe zu den allgemeinen Phaͤnomenen der Koͤrper zu rechnen pflegt. Endlich nehmen wir wahr, oder koͤnnen uns wenigſtens in allen Faͤllen vorſtellen, daß die Koͤrper ihren Zuſtand in Abſicht auf Ruhe und Bewegung nie ohne Urſache aͤndern. Dies nennen wir ihre Traͤgheit, die Urſachen der Aenderungen aber Kraͤfte. Viele dieſer Kraͤfte liegen offenbar außer den Koͤrpern ſelbſt; ob aber einige auch in den Koͤrpern liegen, davon belehren uns die Erſcheinungen nicht, und wir uͤberſchreiten die dem Phyſiker vorgeſchriebenen Grenzen, ſobald wir daruͤber zu entſcheiden wagen. Einige Metaphyſiker ſehen Kraft als etwas dem Koͤrper Weſentliches an, ſuchen ſelbſt in der Undurchdringlichkeit eine Kraft, oder finden gar das Weſen der Materie in einfachen, mit Kraft verſehenen Subſtanzen, ſ. Materie. Andere hingegen dehnen den Begriff der Traͤgheit ſo weit aus, daß ſie ſich das Verhalten des Koͤrpers als voͤllig leidend und unwirkſam vorſtellen, und alle Aenderungen ſeines Zuſtands als Wirkungen aͤußerer Urſachen anſehen. Beyde gehen uͤber das hinaus, was die Phaͤnomene lehren, daß nemlich jede Aenderung des Zuſtands eine Urſache vorausſetze, deren Weſen man nicht kennt, und von der man es oft unentſchieden laſſen muß, ob ſie in oder außer dem Koͤrper liegt. Unter dieſe Urſachen, welche Bewegung hervorbringen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0787" xml:id="P.2.781" n="781"/><lb/><hi rendition="#b">Grundeigenſchaften</hi> der Koͤrper, weil ſie von der Vorſtellung eines Koͤrpers unzertrennlich ſind.</p> <p>Die Erfahrung lehrt ferner, daß die Koͤrper theilbar oder aus Theilen zuſammengeſetzt ſind, <hi rendition="#b">ſ. Theilbarkeit.</hi> Wenn uns auch die Mittel fehlen, dieſe Theilung <hi rendition="#b">wirklich</hi> fortzuſetzen, ſo kan doch die Vorſtellungskraft noch theilen, ſo lang Ausdehnung vorhanden iſt, <hi rendition="#b">ſ. Atomen.</hi> Da wir aber alle Koͤrper, mit denen ſich Verſuche anſtellen laſſen, theilbar finden, ſo rechnet man auch dieſe Eigenſchaft, oder beſſer, dieſes Phaͤnomen der Koͤrper zu den allgemeinen. In ſofern jede Theilung eines Koͤrpers Kraft erfordert, oder in ſofern jeder Koͤrper ſeiner wirklichen Theilung Widerſtand entgegenſetzt, wird ihm <hi rendition="#b">Haͤrte</hi> zugeſchrieben, daher man auch dieſe zu den allgemeinen Phaͤnomenen der Koͤrper zu rechnen pflegt.</p> <p>Endlich nehmen wir wahr, oder koͤnnen uns wenigſtens in allen Faͤllen vorſtellen, daß die Koͤrper ihren Zuſtand in Abſicht auf Ruhe und Bewegung nie ohne Urſache aͤndern. Dies nennen wir ihre <hi rendition="#b">Traͤgheit,</hi> die Urſachen der Aenderungen aber <hi rendition="#b">Kraͤfte.</hi> Viele dieſer Kraͤfte liegen offenbar außer den Koͤrpern ſelbſt; ob aber einige auch in den Koͤrpern liegen, davon belehren uns die Erſcheinungen nicht, und wir uͤberſchreiten die dem Phyſiker vorgeſchriebenen Grenzen, ſobald wir daruͤber zu entſcheiden wagen. Einige Metaphyſiker ſehen Kraft als etwas dem Koͤrper Weſentliches an, ſuchen ſelbſt in der Undurchdringlichkeit eine Kraft, oder finden gar das Weſen der Materie in einfachen, mit Kraft verſehenen Subſtanzen, <hi rendition="#b">ſ. Materie.</hi> Andere hingegen dehnen den Begriff der Traͤgheit ſo weit aus, daß ſie ſich das Verhalten des Koͤrpers als voͤllig leidend und unwirkſam vorſtellen, und alle Aenderungen ſeines Zuſtands als Wirkungen <hi rendition="#b">aͤußerer</hi> Urſachen anſehen. Beyde gehen uͤber das hinaus, was die Phaͤnomene lehren, daß nemlich jede Aenderung des Zuſtands eine Urſache vorausſetze, deren Weſen man nicht kennt, und von der man es oft unentſchieden laſſen muß, ob ſie in oder außer dem Koͤrper liegt.</p> <p>Unter dieſe Urſachen, welche Bewegung hervorbringen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [781/0787]
Grundeigenſchaften der Koͤrper, weil ſie von der Vorſtellung eines Koͤrpers unzertrennlich ſind.
Die Erfahrung lehrt ferner, daß die Koͤrper theilbar oder aus Theilen zuſammengeſetzt ſind, ſ. Theilbarkeit. Wenn uns auch die Mittel fehlen, dieſe Theilung wirklich fortzuſetzen, ſo kan doch die Vorſtellungskraft noch theilen, ſo lang Ausdehnung vorhanden iſt, ſ. Atomen. Da wir aber alle Koͤrper, mit denen ſich Verſuche anſtellen laſſen, theilbar finden, ſo rechnet man auch dieſe Eigenſchaft, oder beſſer, dieſes Phaͤnomen der Koͤrper zu den allgemeinen. In ſofern jede Theilung eines Koͤrpers Kraft erfordert, oder in ſofern jeder Koͤrper ſeiner wirklichen Theilung Widerſtand entgegenſetzt, wird ihm Haͤrte zugeſchrieben, daher man auch dieſe zu den allgemeinen Phaͤnomenen der Koͤrper zu rechnen pflegt.
Endlich nehmen wir wahr, oder koͤnnen uns wenigſtens in allen Faͤllen vorſtellen, daß die Koͤrper ihren Zuſtand in Abſicht auf Ruhe und Bewegung nie ohne Urſache aͤndern. Dies nennen wir ihre Traͤgheit, die Urſachen der Aenderungen aber Kraͤfte. Viele dieſer Kraͤfte liegen offenbar außer den Koͤrpern ſelbſt; ob aber einige auch in den Koͤrpern liegen, davon belehren uns die Erſcheinungen nicht, und wir uͤberſchreiten die dem Phyſiker vorgeſchriebenen Grenzen, ſobald wir daruͤber zu entſcheiden wagen. Einige Metaphyſiker ſehen Kraft als etwas dem Koͤrper Weſentliches an, ſuchen ſelbſt in der Undurchdringlichkeit eine Kraft, oder finden gar das Weſen der Materie in einfachen, mit Kraft verſehenen Subſtanzen, ſ. Materie. Andere hingegen dehnen den Begriff der Traͤgheit ſo weit aus, daß ſie ſich das Verhalten des Koͤrpers als voͤllig leidend und unwirkſam vorſtellen, und alle Aenderungen ſeines Zuſtands als Wirkungen aͤußerer Urſachen anſehen. Beyde gehen uͤber das hinaus, was die Phaͤnomene lehren, daß nemlich jede Aenderung des Zuſtands eine Urſache vorausſetze, deren Weſen man nicht kennt, und von der man es oft unentſchieden laſſen muß, ob ſie in oder außer dem Koͤrper liegt.
Unter dieſe Urſachen, welche Bewegung hervorbringen
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