Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


daraus erklären. Was aber die erste Ursache des Magnetismus sey, bleibt dabey noch immer unerklärt. Rittenhouse (Transactions of the american philosophical Society at Philadelphia. Vol. II. 1786. 4) trägt eine sehr ähnliche Theorie vor, nach welcher zwar nicht alle, aber doch viele Theile des Eisens, Magnete seyn sollen, die aber erst durch einen darangehaltenen Magnet, oder durch Hämmern, in ihre rechte Lage kommen. Ueberdies nimmt er an, es sey durch die ganze Natur eine gewisse Kraft verbreitet, welche auf diese kleinen Magnetchen nach der Richtung der Magnetnadel wirke, welches er durch Versuche mit Stangen zu beweisen sucht, die in den magnetischen Meridian gelegt, durch bloßes Klopsen magnetisch werden.

Herr van Swinden bleibt ganz bey den Gesetzen des Magnetismus stehen, und hält es für überflüßig, magnetische Materien anzunehmen, die doch nur unzureichende und hypothetische Erklärungen verschaften, und über deren Natur, Bewegung und Wirkungsart man keine Erfahrungen habe. Brugmans vertheidigt dagegen diese Materien sehr ernstlich. Er glaubt, man fühle sie, wenn man zwey große Magnete mit den freundschaftlichen Polen an einander streiche; Newton billige ja selbst die Versuche, die Anziehung aus dem Drucke einer Materie zu erklären, und man könne doch die bewunderungswürdige Erzeugung, Verstärkung, Schwächung und Vertilgung des Magnetismus bey unveränderter Masse, unmöglich einer anziehenden Kraft allein zuschreiben. Wie es auch um das Fühlen der Materien stehen mag, so verdienen doch die übrigen Gründe Herrn Brugmans allen Beyfall. Allerdings sind die Gesetze das einzige Gewisse, die Ursachen sind verborgen und ungewiß: das ist aber noch kein Grund, alle Untersuchungen und Muthmaßungen darüber abzubrechen, welche doch ohne Voraussetzung von Materien nicht wohl statt finden. Denn was soll das seyn, das sich bindet und frey läßt, wenn es nicht ein rcelles Wesen, oder eine Materie, ist?


daraus erklaͤren. Was aber die erſte Urſache des Magnetismus ſey, bleibt dabey noch immer unerklaͤrt. Rittenhouſe (Transactions of the american philoſophical Society at Philadelphia. Vol. II. 1786. 4) traͤgt eine ſehr aͤhnliche Theorie vor, nach welcher zwar nicht alle, aber doch viele Theile des Eiſens, Magnete ſeyn ſollen, die aber erſt durch einen darangehaltenen Magnet, oder durch Haͤmmern, in ihre rechte Lage kommen. Ueberdies nimmt er an, es ſey durch die ganze Natur eine gewiſſe Kraft verbreitet, welche auf dieſe kleinen Magnetchen nach der Richtung der Magnetnadel wirke, welches er durch Verſuche mit Stangen zu beweiſen ſucht, die in den magnetiſchen Meridian gelegt, durch bloßes Klopſen magnetiſch werden.

Herr van Swinden bleibt ganz bey den Geſetzen des Magnetismus ſtehen, und haͤlt es fuͤr uͤberfluͤßig, magnetiſche Materien anzunehmen, die doch nur unzureichende und hypothetiſche Erklaͤrungen verſchaften, und uͤber deren Natur, Bewegung und Wirkungsart man keine Erfahrungen habe. Brugmans vertheidigt dagegen dieſe Materien ſehr ernſtlich. Er glaubt, man fuͤhle ſie, wenn man zwey große Magnete mit den freundſchaftlichen Polen an einander ſtreiche; Newton billige ja ſelbſt die Verſuche, die Anziehung aus dem Drucke einer Materie zu erklaͤren, und man koͤnne doch die bewunderungswuͤrdige Erzeugung, Verſtaͤrkung, Schwaͤchung und Vertilgung des Magnetismus bey unveraͤnderter Maſſe, unmoͤglich einer anziehenden Kraft allein zuſchreiben. Wie es auch um das Fuͤhlen der Materien ſtehen mag, ſo verdienen doch die uͤbrigen Gruͤnde Herrn Brugmans allen Beyfall. Allerdings ſind die Geſetze das einzige Gewiſſe, die Urſachen ſind verborgen und ungewiß: das iſt aber noch kein Grund, alle Unterſuchungen und Muthmaßungen daruͤber abzubrechen, welche doch ohne Vorausſetzung von Materien nicht wohl ſtatt finden. Denn was ſoll das ſeyn, das ſich bindet und frey laͤßt, wenn es nicht ein rcelles Weſen, oder eine Materie, iſt?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0131" xml:id="P.3.125" n="125"/><lb/>
daraus erkla&#x0364;ren. Was aber die er&#x017F;te Ur&#x017F;ache des Magnetismus &#x017F;ey, bleibt dabey noch immer unerkla&#x0364;rt. <hi rendition="#b">Rittenhou&#x017F;e</hi> <hi rendition="#aq">(Transactions of the american philo&#x017F;ophical Society at Philadelphia. Vol. II. 1786. 4)</hi> tra&#x0364;gt eine &#x017F;ehr a&#x0364;hnliche Theorie vor, nach welcher zwar nicht alle, aber doch viele Theile des Ei&#x017F;ens, Magnete &#x017F;eyn &#x017F;ollen, die aber er&#x017F;t durch einen darangehaltenen Magnet, oder durch Ha&#x0364;mmern, in ihre rechte Lage kommen. Ueberdies nimmt er an, es &#x017F;ey durch die ganze Natur eine gewi&#x017F;&#x017F;e Kraft verbreitet, welche auf die&#x017F;e kleinen Magnetchen nach der Richtung der Magnetnadel wirke, welches er durch Ver&#x017F;uche mit Stangen zu bewei&#x017F;en &#x017F;ucht, die in den magneti&#x017F;chen Meridian gelegt, durch bloßes Klop&#x017F;en magneti&#x017F;ch werden.</p>
            <p>Herr <hi rendition="#b">van Swinden</hi> bleibt ganz bey den Ge&#x017F;etzen des Magnetismus &#x017F;tehen, und ha&#x0364;lt es fu&#x0364;r u&#x0364;berflu&#x0364;ßig, magneti&#x017F;che Materien anzunehmen, die doch nur unzureichende und hypotheti&#x017F;che Erkla&#x0364;rungen ver&#x017F;chaften, und u&#x0364;ber deren Natur, Bewegung und Wirkungsart man keine Erfahrungen habe. <hi rendition="#b">Brugmans</hi> vertheidigt dagegen die&#x017F;e Materien &#x017F;ehr ern&#x017F;tlich. Er glaubt, man <hi rendition="#b">fu&#x0364;hle</hi> &#x017F;ie, wenn man zwey große Magnete mit den freund&#x017F;chaftlichen Polen an einander &#x017F;treiche; <hi rendition="#b">Newton</hi> billige ja &#x017F;elb&#x017F;t die Ver&#x017F;uche, die Anziehung aus dem Drucke einer Materie zu erkla&#x0364;ren, und man ko&#x0364;nne doch die bewunderungswu&#x0364;rdige Erzeugung, Ver&#x017F;ta&#x0364;rkung, Schwa&#x0364;chung und Vertilgung des Magnetismus bey unvera&#x0364;nderter Ma&#x017F;&#x017F;e, unmo&#x0364;glich einer anziehenden Kraft allein zu&#x017F;chreiben. Wie es auch um das Fu&#x0364;hlen der Materien &#x017F;tehen mag, &#x017F;o verdienen doch die u&#x0364;brigen Gru&#x0364;nde Herrn <hi rendition="#b">Brugmans</hi> allen Beyfall. Allerdings &#x017F;ind die Ge&#x017F;etze das einzige Gewi&#x017F;&#x017F;e, die Ur&#x017F;achen &#x017F;ind verborgen und ungewiß: das i&#x017F;t aber noch kein Grund, alle Unter&#x017F;uchungen und Muthmaßungen daru&#x0364;ber abzubrechen, welche doch ohne Voraus&#x017F;etzung von Materien nicht wohl &#x017F;tatt finden. Denn was &#x017F;oll das &#x017F;eyn, das &#x017F;ich bindet und frey la&#x0364;ßt, wenn es nicht ein rcelles We&#x017F;en, oder eine Materie, i&#x017F;t?<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[125/0131] daraus erklaͤren. Was aber die erſte Urſache des Magnetismus ſey, bleibt dabey noch immer unerklaͤrt. Rittenhouſe (Transactions of the american philoſophical Society at Philadelphia. Vol. II. 1786. 4) traͤgt eine ſehr aͤhnliche Theorie vor, nach welcher zwar nicht alle, aber doch viele Theile des Eiſens, Magnete ſeyn ſollen, die aber erſt durch einen darangehaltenen Magnet, oder durch Haͤmmern, in ihre rechte Lage kommen. Ueberdies nimmt er an, es ſey durch die ganze Natur eine gewiſſe Kraft verbreitet, welche auf dieſe kleinen Magnetchen nach der Richtung der Magnetnadel wirke, welches er durch Verſuche mit Stangen zu beweiſen ſucht, die in den magnetiſchen Meridian gelegt, durch bloßes Klopſen magnetiſch werden. Herr van Swinden bleibt ganz bey den Geſetzen des Magnetismus ſtehen, und haͤlt es fuͤr uͤberfluͤßig, magnetiſche Materien anzunehmen, die doch nur unzureichende und hypothetiſche Erklaͤrungen verſchaften, und uͤber deren Natur, Bewegung und Wirkungsart man keine Erfahrungen habe. Brugmans vertheidigt dagegen dieſe Materien ſehr ernſtlich. Er glaubt, man fuͤhle ſie, wenn man zwey große Magnete mit den freundſchaftlichen Polen an einander ſtreiche; Newton billige ja ſelbſt die Verſuche, die Anziehung aus dem Drucke einer Materie zu erklaͤren, und man koͤnne doch die bewunderungswuͤrdige Erzeugung, Verſtaͤrkung, Schwaͤchung und Vertilgung des Magnetismus bey unveraͤnderter Maſſe, unmoͤglich einer anziehenden Kraft allein zuſchreiben. Wie es auch um das Fuͤhlen der Materien ſtehen mag, ſo verdienen doch die uͤbrigen Gruͤnde Herrn Brugmans allen Beyfall. Allerdings ſind die Geſetze das einzige Gewiſſe, die Urſachen ſind verborgen und ungewiß: das iſt aber noch kein Grund, alle Unterſuchungen und Muthmaßungen daruͤber abzubrechen, welche doch ohne Vorausſetzung von Materien nicht wohl ſtatt finden. Denn was ſoll das ſeyn, das ſich bindet und frey laͤßt, wenn es nicht ein rcelles Weſen, oder eine Materie, iſt?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/131
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/131>, abgerufen am 21.11.2024.