Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


femoris
) einen Strick, welcher sonst, ohne zu reißen, 1680 Pfund trug.

Die Bewunderung steigt aber noch höher, wenn man bedenkt, daß hiebey die Knochen als Wurfhebel bewegt werden, wobey die Kraft sehr wenig Abstand vom Ruhepunkte und eine sehr schiefe Richtung, mithin ein sehr geringes Moment hat, und also an sich bey weitem größer seyn muß, als der Widerstand, den sie überwältiget. Nach Musschenbrock (Introd. in philos. nat. To. l. §. 432.) sey Taf. XVII. Fig. 60. AEH der ausgestreckte Arm eines Menschen, der an den Fingern bey H eine Last P von 20 Pfund erhält. Wenn nun in der Achsel bey C der Ruhepunkt angenommen wird, so ist die Richtung des Muskels, der den Arm ausdehnt (Deltoides) EDF, und der Abstand der Kraft, oder das Perpendikel aus C auf diese Richtung CD; der Abstand der Last hingegen ist CH. Musschenbroek setzt im Durchschnitt genommen, CD:CH = 3:100 oder wie 1:33 1/3, daher, für CD = 1, das Moment der Last P = 20X33, 3 oder 666 wird, und die Kraft des Muskels EDF, ob sie gleich nur 20 Pfund trägt, dennoch = 666 Pfund gesetzt werden muß.

Borelli (prop. 45.) betrachtet den Arm AH als eine Zusammensetzung mehrerer Hebel, und berechnet die Kräfte aller bey dessen Ausstreckung mitwirkenden Muskeln, selbst derer in den Fingern. Was den Deltoides insbesondere betrift, so setzt er CD:CH = 1:30. Wäre also P = 9 1/2 Pfund, so würde die Kraft in EDF = 30 X 9 1/2 = 285 Pfund seyn mussen. Weil ader der Muskel durch Zusammenziehung wirkt, und also die eine Helste seiner Kraft gegen F, wo er fest ist, wendet, so muß man seine ganze Kraft doppelt so groß, oder 570 Pfund setzen. Hiezu kömmt noch das Gewicht des Arms selbst = 7 Pf., das man im Schwerpunkte desselben vereiniget, also dessen Moment = 15 X 7 = 105 Pf. setzen kan, welches aber wiederum zu verdoppeln ist, daß also die ganze nach EDF wirkende Kraft = 780 Pfund wird. Die sämtlichen Kräfte aller mitwirkenden Muskeln findet Borclli 1990 Pfund, oder 209mal größer als das erhaltene Gewicht P. Sie müssen aber noch größer angenot.tmen


femoris
) einen Strick, welcher ſonſt, ohne zu reißen, 1680 Pfund trug.

Die Bewunderung ſteigt aber noch hoͤher, wenn man bedenkt, daß hiebey die Knochen als Wurfhebel bewegt werden, wobey die Kraft ſehr wenig Abſtand vom Ruhepunkte und eine ſehr ſchiefe Richtung, mithin ein ſehr geringes Moment hat, und alſo an ſich bey weitem groͤßer ſeyn muß, als der Widerſtand, den ſie uͤberwaͤltiget. Nach Muſſchenbrock (Introd. in philoſ. nat. To. l. §. 432.) ſey Taf. XVII. Fig. 60. AEH der ausgeſtreckte Arm eines Menſchen, der an den Fingern bey H eine Laſt P von 20 Pfund erhaͤlt. Wenn nun in der Achſel bey C der Ruhepunkt angenommen wird, ſo iſt die Richtung des Muſkels, der den Arm ausdehnt (Deltoides) EDF, und der Abſtand der Kraft, oder das Perpendikel aus C auf dieſe Richtung CD; der Abſtand der Laſt hingegen iſt CH. Muſſchenbroek ſetzt im Durchſchnitt genommen, CD:CH = 3:100 oder wie 1:33 1/3, daher, fuͤr CD = 1, das Moment der Laſt P = 20X33, 3 oder 666 wird, und die Kraft des Muſkels EDF, ob ſie gleich nur 20 Pfund traͤgt, dennoch = 666 Pfund geſetzt werden muß.

Borelli (prop. 45.) betrachtet den Arm AH als eine Zuſammenſetzung mehrerer Hebel, und berechnet die Kraͤfte aller bey deſſen Ausſtreckung mitwirkenden Muſkeln, ſelbſt derer in den Fingern. Was den Deltoides insbeſondere betrift, ſo ſetzt er CD:CH = 1:30. Waͤre alſo P = 9 1/2 Pfund, ſo wuͤrde die Kraft in EDF = 30 X 9 1/2 = 285 Pfund ſeyn muſſen. Weil ader der Muſkel durch Zuſammenziehung wirkt, und alſo die eine Helſte ſeiner Kraft gegen F, wo er feſt iſt, wendet, ſo muß man ſeine ganze Kraft doppelt ſo groß, oder 570 Pfund ſetzen. Hiezu koͤmmt noch das Gewicht des Arms ſelbſt = 7 Pf., das man im Schwerpunkte deſſelben vereiniget, alſo deſſen Moment = 15 X 7 = 105 Pf. ſetzen kan, welches aber wiederum zu verdoppeln iſt, daß alſo die ganze nach EDF wirkende Kraft = 780 Pfund wird. Die ſaͤmtlichen Kraͤfte aller mitwirkenden Muſkeln findet Borclli 1990 Pfund, oder 209mal groͤßer als das erhaltene Gewicht P. Sie muͤſſen aber noch groͤßer angenot.tmen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><hi rendition="#aq"><pb facs="#f0304" xml:id="P.3.298" n="298"/><lb/>
femoris</hi>) einen Strick, welcher &#x017F;on&#x017F;t, ohne zu reißen, 1680 Pfund trug.</p>
            <p>Die Bewunderung &#x017F;teigt aber noch ho&#x0364;her, wenn man bedenkt, daß hiebey die Knochen als Wurfhebel bewegt werden, wobey die Kraft &#x017F;ehr wenig Ab&#x017F;tand vom Ruhepunkte und eine &#x017F;ehr &#x017F;chiefe Richtung, mithin ein &#x017F;ehr geringes Moment hat, und al&#x017F;o an &#x017F;ich bey weitem gro&#x0364;ßer &#x017F;eyn muß, als der Wider&#x017F;tand, den &#x017F;ie u&#x0364;berwa&#x0364;ltiget. Nach <hi rendition="#b">Mu&#x017F;&#x017F;chenbrock</hi> <hi rendition="#aq">(Introd. in philo&#x017F;. nat. To. l. §. 432.)</hi> &#x017F;ey Taf. <hi rendition="#aq">XVII.</hi> Fig. 60. <hi rendition="#aq">AEH</hi> der ausge&#x017F;treckte Arm eines Men&#x017F;chen, der an den Fingern bey <hi rendition="#aq">H</hi> eine La&#x017F;t <hi rendition="#aq">P</hi> von 20 Pfund erha&#x0364;lt. Wenn nun in der Ach&#x017F;el bey <hi rendition="#aq">C</hi> der Ruhepunkt angenommen wird, &#x017F;o i&#x017F;t die Richtung des Mu&#x017F;kels, der den Arm ausdehnt <hi rendition="#aq">(Deltoides) EDF,</hi> und der Ab&#x017F;tand der Kraft, oder das Perpendikel aus <hi rendition="#aq">C</hi> auf die&#x017F;e Richtung <hi rendition="#aq">CD;</hi> der Ab&#x017F;tand der La&#x017F;t hingegen i&#x017F;t <hi rendition="#aq">CH.</hi> Mu&#x017F;&#x017F;chenbroek &#x017F;etzt im Durch&#x017F;chnitt genommen, <hi rendition="#aq">CD:CH = 3:100</hi> oder wie 1:33 1/3, daher, fu&#x0364;r <hi rendition="#aq">CD = 1,</hi> das Moment der La&#x017F;t <hi rendition="#aq">P = 20X33, 3</hi> oder 666 wird, und die Kraft des Mu&#x017F;kels <hi rendition="#aq">EDF,</hi> ob &#x017F;ie gleich nur 20 Pfund tra&#x0364;gt, dennoch = 666 Pfund ge&#x017F;etzt werden muß.</p>
            <p><hi rendition="#b">Borelli</hi><hi rendition="#aq">(prop. 45.)</hi> betrachtet den Arm <hi rendition="#aq">AH</hi> als eine Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung mehrerer Hebel, und berechnet die Kra&#x0364;fte aller bey de&#x017F;&#x017F;en Aus&#x017F;treckung mitwirkenden Mu&#x017F;keln, &#x017F;elb&#x017F;t derer in den Fingern. Was den <hi rendition="#aq">Deltoides</hi> insbe&#x017F;ondere betrift, &#x017F;o &#x017F;etzt er <hi rendition="#aq">CD:CH = 1:30.</hi> Wa&#x0364;re al&#x017F;o <hi rendition="#aq">P = 9 1/2</hi> Pfund, &#x017F;o wu&#x0364;rde die Kraft in <hi rendition="#aq">EDF = 30 X 9 1/2 = 285</hi> Pfund &#x017F;eyn mu&#x017F;&#x017F;en. Weil ader der Mu&#x017F;kel durch Zu&#x017F;ammenziehung wirkt, und al&#x017F;o die eine Hel&#x017F;te &#x017F;einer Kraft gegen <hi rendition="#aq">F,</hi> wo er fe&#x017F;t i&#x017F;t, wendet, &#x017F;o muß man &#x017F;eine ganze Kraft doppelt &#x017F;o groß, oder 570 Pfund &#x017F;etzen. Hiezu ko&#x0364;mmt noch das Gewicht des Arms &#x017F;elb&#x017F;t = 7 Pf., das man im Schwerpunkte de&#x017F;&#x017F;elben vereiniget, al&#x017F;o de&#x017F;&#x017F;en Moment = 15 X 7 = 105 Pf. &#x017F;etzen kan, welches aber wiederum zu verdoppeln i&#x017F;t, daß al&#x017F;o die ganze nach <hi rendition="#aq">EDF</hi> wirkende Kraft = 780 Pfund wird. Die &#x017F;a&#x0364;mtlichen Kra&#x0364;fte aller mitwirkenden Mu&#x017F;keln findet <hi rendition="#b">Borclli</hi> 1990 Pfund, oder 209mal gro&#x0364;ßer als das erhaltene Gewicht <hi rendition="#aq">P.</hi> Sie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en aber noch gro&#x0364;ßer angenot.tmen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[298/0304] femoris) einen Strick, welcher ſonſt, ohne zu reißen, 1680 Pfund trug. Die Bewunderung ſteigt aber noch hoͤher, wenn man bedenkt, daß hiebey die Knochen als Wurfhebel bewegt werden, wobey die Kraft ſehr wenig Abſtand vom Ruhepunkte und eine ſehr ſchiefe Richtung, mithin ein ſehr geringes Moment hat, und alſo an ſich bey weitem groͤßer ſeyn muß, als der Widerſtand, den ſie uͤberwaͤltiget. Nach Muſſchenbrock (Introd. in philoſ. nat. To. l. §. 432.) ſey Taf. XVII. Fig. 60. AEH der ausgeſtreckte Arm eines Menſchen, der an den Fingern bey H eine Laſt P von 20 Pfund erhaͤlt. Wenn nun in der Achſel bey C der Ruhepunkt angenommen wird, ſo iſt die Richtung des Muſkels, der den Arm ausdehnt (Deltoides) EDF, und der Abſtand der Kraft, oder das Perpendikel aus C auf dieſe Richtung CD; der Abſtand der Laſt hingegen iſt CH. Muſſchenbroek ſetzt im Durchſchnitt genommen, CD:CH = 3:100 oder wie 1:33 1/3, daher, fuͤr CD = 1, das Moment der Laſt P = 20X33, 3 oder 666 wird, und die Kraft des Muſkels EDF, ob ſie gleich nur 20 Pfund traͤgt, dennoch = 666 Pfund geſetzt werden muß. Borelli (prop. 45.) betrachtet den Arm AH als eine Zuſammenſetzung mehrerer Hebel, und berechnet die Kraͤfte aller bey deſſen Ausſtreckung mitwirkenden Muſkeln, ſelbſt derer in den Fingern. Was den Deltoides insbeſondere betrift, ſo ſetzt er CD:CH = 1:30. Waͤre alſo P = 9 1/2 Pfund, ſo wuͤrde die Kraft in EDF = 30 X 9 1/2 = 285 Pfund ſeyn muſſen. Weil ader der Muſkel durch Zuſammenziehung wirkt, und alſo die eine Helſte ſeiner Kraft gegen F, wo er feſt iſt, wendet, ſo muß man ſeine ganze Kraft doppelt ſo groß, oder 570 Pfund ſetzen. Hiezu koͤmmt noch das Gewicht des Arms ſelbſt = 7 Pf., das man im Schwerpunkte deſſelben vereiniget, alſo deſſen Moment = 15 X 7 = 105 Pf. ſetzen kan, welches aber wiederum zu verdoppeln iſt, daß alſo die ganze nach EDF wirkende Kraft = 780 Pfund wird. Die ſaͤmtlichen Kraͤfte aller mitwirkenden Muſkeln findet Borclli 1990 Pfund, oder 209mal groͤßer als das erhaltene Gewicht P. Sie muͤſſen aber noch groͤßer angenot.tmen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/304
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/304>, abgerufen am 21.11.2024.