Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


u. s. w. mit vorzüglicher Leichtigkeit. Sie sind das Erste, was an den Körpern in die Augen fällt, und bey vielen fast das Einzige, was uns davon bekannt ist. Es ist daher sehr nöthig, den Kunstworten, mit welchen man sich über diese Kennzeichen ausdrückt, vollkommen bestimmte Bedeutungen zu geben, wie dies in Absicht auf die Mineralien Herr Werner (Von den äußerlichen Kennzeichen der Fossilien, Leipzig, 1774. 8.) mit vorzüglichem Fleiße gethan hat. Ein System aber, das man nach äußern Kennzeichen ordnen wollte, könnte sich nie dem natürlichen Systeme nähern. Es würde ost Körper von der größten innern Verschiedenheit wegen äußerer Aehnlichkeiten zusammenordnen, und dadurch zu Verwechselungen Anlaß geben. Zur Eintheilung der Körper nach dem System muß man also die äußern Kennzeichen nie ganz allein gebrauchen; man kan sogar behaupten, daß sie selbst zur Unterscheidung und Bestimmung der Körper nicht allemal vollkommen hinreichend sind.

Die Kenntniß der innern Organisation der Thiere und Pflanzen macht unter dem Namen der Anatomie und Physiologie der Thiere und Pflanzen einen Theil der Naturgeschichte aus: bey den Mineralien wird die Kenntniß ihrer Mischung zur Chymie gerechnet.

So bleibt die Naturgeschichte, seibst bey der eingeschränkten Bedeutung des Worts, noch immer so weitläuftig, daß man sie nothwendig von der Physik absondern und als eine eigne Wissenschaft behandeln muß. Da man bey Erlernung der Wissenschaften gewöhnlich von dem Allgemeinen anfängt, und mit dem Besondern endigt, so scheint es, als ob die allgemeine Physik vor der Naturgeschichte, oder der besondern Physik der drey Reiche, zu erlernen sey. Auch lassen sich viele Theile der Naturgeschichte, z. B. Physiologie der Thiere und Pflanzen, ohne allgemeine physikalische und chymische Lehren gar nicht verstehen. Dagegen kan man wiederum beym Vortrage der Naturlehre gewisse zur Naturgeschichte gehörige, besonders mineralogische Kenntnisse, nicht entbehren; daher auch neuere Lehrer der Physik, z. B. Karsten und Lichtenberg, ihren Anleitungen das Unent-


u. ſ. w. mit vorzuͤglicher Leichtigkeit. Sie ſind das Erſte, was an den Koͤrpern in die Augen faͤllt, und bey vielen faſt das Einzige, was uns davon bekannt iſt. Es iſt daher ſehr noͤthig, den Kunſtworten, mit welchen man ſich uͤber dieſe Kennzeichen ausdruͤckt, vollkommen beſtimmte Bedeutungen zu geben, wie dies in Abſicht auf die Mineralien Herr Werner (Von den aͤußerlichen Kennzeichen der Foſſilien, Leipzig, 1774. 8.) mit vorzuͤglichem Fleiße gethan hat. Ein Syſtem aber, das man nach aͤußern Kennzeichen ordnen wollte, koͤnnte ſich nie dem natuͤrlichen Syſteme naͤhern. Es wuͤrde oſt Koͤrper von der groͤßten innern Verſchiedenheit wegen aͤußerer Aehnlichkeiten zuſammenordnen, und dadurch zu Verwechſelungen Anlaß geben. Zur Eintheilung der Koͤrper nach dem Syſtem muß man alſo die aͤußern Kennzeichen nie ganz allein gebrauchen; man kan ſogar behaupten, daß ſie ſelbſt zur Unterſcheidung und Beſtimmung der Koͤrper nicht allemal vollkommen hinreichend ſind.

Die Kenntniß der innern Organiſation der Thiere und Pflanzen macht unter dem Namen der Anatomie und Phyſiologie der Thiere und Pflanzen einen Theil der Naturgeſchichte aus: bey den Mineralien wird die Kenntniß ihrer Miſchung zur Chymie gerechnet.

So bleibt die Naturgeſchichte, ſeibſt bey der eingeſchraͤnkten Bedeutung des Worts, noch immer ſo weitlaͤuftig, daß man ſie nothwendig von der Phyſik abſondern und als eine eigne Wiſſenſchaft behandeln muß. Da man bey Erlernung der Wiſſenſchaften gewoͤhnlich von dem Allgemeinen anfaͤngt, und mit dem Beſondern endigt, ſo ſcheint es, als ob die allgemeine Phyſik vor der Naturgeſchichte, oder der beſondern Phyſik der drey Reiche, zu erlernen ſey. Auch laſſen ſich viele Theile der Naturgeſchichte, z. B. Phyſiologie der Thiere und Pflanzen, ohne allgemeine phyſikaliſche und chymiſche Lehren gar nicht verſtehen. Dagegen kan man wiederum beym Vortrage der Naturlehre gewiſſe zur Naturgeſchichte gehoͤrige, beſonders mineralogiſche Kenntniſſe, nicht entbehren; daher auch neuere Lehrer der Phyſik, z. B. Karſten und Lichtenberg, ihren Anleitungen das Unent-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0323" xml:id="P.3.317" n="317"/><lb/>
u. &#x017F;. w. mit vorzu&#x0364;glicher Leichtigkeit. Sie &#x017F;ind das Er&#x017F;te, was an den Ko&#x0364;rpern in die Augen fa&#x0364;llt, und bey vielen fa&#x017F;t das Einzige, was uns davon bekannt i&#x017F;t. Es i&#x017F;t daher &#x017F;ehr no&#x0364;thig, den Kun&#x017F;tworten, mit welchen man &#x017F;ich u&#x0364;ber die&#x017F;e Kennzeichen ausdru&#x0364;ckt, vollkommen be&#x017F;timmte Bedeutungen zu geben, wie dies in Ab&#x017F;icht auf die Mineralien <hi rendition="#b">Herr Werner</hi> (Von den a&#x0364;ußerlichen Kennzeichen der Fo&#x017F;&#x017F;ilien, Leipzig, 1774. 8.) mit vorzu&#x0364;glichem Fleiße gethan hat. Ein Sy&#x017F;tem aber, das man nach a&#x0364;ußern Kennzeichen ordnen wollte, ko&#x0364;nnte &#x017F;ich nie dem natu&#x0364;rlichen Sy&#x017F;teme na&#x0364;hern. Es wu&#x0364;rde o&#x017F;t Ko&#x0364;rper von der gro&#x0364;ßten innern Ver&#x017F;chiedenheit wegen a&#x0364;ußerer Aehnlichkeiten zu&#x017F;ammenordnen, und dadurch zu Verwech&#x017F;elungen Anlaß geben. Zur Eintheilung der Ko&#x0364;rper nach dem Sy&#x017F;tem muß man al&#x017F;o die a&#x0364;ußern Kennzeichen nie ganz allein gebrauchen; man kan &#x017F;ogar behaupten, daß &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t zur Unter&#x017F;cheidung und Be&#x017F;timmung der Ko&#x0364;rper nicht allemal vollkommen hinreichend &#x017F;ind.</p>
            <p>Die Kenntniß der <hi rendition="#b">innern Organi&#x017F;ation</hi> der Thiere und Pflanzen macht unter dem Namen der <hi rendition="#b">Anatomie</hi> und <hi rendition="#b">Phy&#x017F;iologie</hi> der Thiere und Pflanzen einen Theil der Naturge&#x017F;chichte aus: bey den Mineralien wird die Kenntniß ihrer Mi&#x017F;chung zur Chymie gerechnet.</p>
            <p>So bleibt die Naturge&#x017F;chichte, &#x017F;eib&#x017F;t bey der einge&#x017F;chra&#x0364;nkten Bedeutung des Worts, noch immer &#x017F;o weitla&#x0364;uftig, daß man &#x017F;ie nothwendig von der Phy&#x017F;ik ab&#x017F;ondern und als eine eigne Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft behandeln muß. Da man bey Erlernung der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften gewo&#x0364;hnlich von dem Allgemeinen anfa&#x0364;ngt, und mit dem Be&#x017F;ondern endigt, &#x017F;o &#x017F;cheint es, als ob die allgemeine Phy&#x017F;ik vor der Naturge&#x017F;chichte, oder der be&#x017F;ondern Phy&#x017F;ik der drey Reiche, zu erlernen &#x017F;ey. Auch la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich viele Theile der Naturge&#x017F;chichte, z. B. Phy&#x017F;iologie der Thiere und Pflanzen, ohne allgemeine phy&#x017F;ikali&#x017F;che und chymi&#x017F;che Lehren gar nicht ver&#x017F;tehen. Dagegen kan man wiederum beym Vortrage der Naturlehre gewi&#x017F;&#x017F;e zur Naturge&#x017F;chichte geho&#x0364;rige, be&#x017F;onders mineralogi&#x017F;che Kenntni&#x017F;&#x017F;e, nicht entbehren; daher auch neuere Lehrer der Phy&#x017F;ik, z. B. <hi rendition="#b">Kar&#x017F;ten</hi> und <hi rendition="#b">Lichtenberg,</hi> ihren Anleitungen das <hi rendition="#b">Unent-</hi><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[317/0323] u. ſ. w. mit vorzuͤglicher Leichtigkeit. Sie ſind das Erſte, was an den Koͤrpern in die Augen faͤllt, und bey vielen faſt das Einzige, was uns davon bekannt iſt. Es iſt daher ſehr noͤthig, den Kunſtworten, mit welchen man ſich uͤber dieſe Kennzeichen ausdruͤckt, vollkommen beſtimmte Bedeutungen zu geben, wie dies in Abſicht auf die Mineralien Herr Werner (Von den aͤußerlichen Kennzeichen der Foſſilien, Leipzig, 1774. 8.) mit vorzuͤglichem Fleiße gethan hat. Ein Syſtem aber, das man nach aͤußern Kennzeichen ordnen wollte, koͤnnte ſich nie dem natuͤrlichen Syſteme naͤhern. Es wuͤrde oſt Koͤrper von der groͤßten innern Verſchiedenheit wegen aͤußerer Aehnlichkeiten zuſammenordnen, und dadurch zu Verwechſelungen Anlaß geben. Zur Eintheilung der Koͤrper nach dem Syſtem muß man alſo die aͤußern Kennzeichen nie ganz allein gebrauchen; man kan ſogar behaupten, daß ſie ſelbſt zur Unterſcheidung und Beſtimmung der Koͤrper nicht allemal vollkommen hinreichend ſind. Die Kenntniß der innern Organiſation der Thiere und Pflanzen macht unter dem Namen der Anatomie und Phyſiologie der Thiere und Pflanzen einen Theil der Naturgeſchichte aus: bey den Mineralien wird die Kenntniß ihrer Miſchung zur Chymie gerechnet. So bleibt die Naturgeſchichte, ſeibſt bey der eingeſchraͤnkten Bedeutung des Worts, noch immer ſo weitlaͤuftig, daß man ſie nothwendig von der Phyſik abſondern und als eine eigne Wiſſenſchaft behandeln muß. Da man bey Erlernung der Wiſſenſchaften gewoͤhnlich von dem Allgemeinen anfaͤngt, und mit dem Beſondern endigt, ſo ſcheint es, als ob die allgemeine Phyſik vor der Naturgeſchichte, oder der beſondern Phyſik der drey Reiche, zu erlernen ſey. Auch laſſen ſich viele Theile der Naturgeſchichte, z. B. Phyſiologie der Thiere und Pflanzen, ohne allgemeine phyſikaliſche und chymiſche Lehren gar nicht verſtehen. Dagegen kan man wiederum beym Vortrage der Naturlehre gewiſſe zur Naturgeſchichte gehoͤrige, beſonders mineralogiſche Kenntniſſe, nicht entbehren; daher auch neuere Lehrer der Phyſik, z. B. Karſten und Lichtenberg, ihren Anleitungen das Unent-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/323
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/323>, abgerufen am 21.11.2024.