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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

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an sich zur Physik, und daß man sie nicht ohne Mathematik verstehen kan, ist noch kein hinlänglicher Grund, sie der eigentlichen Naturlehre ganz zu entreißen. Man kan ja noch Mehreres, z. B. den Regenbogen, nicht ohne Mathematik erklären, dessen Betrachtung doch jederzeit zur Physik gerechnet worden ist. So entstand eine Wissenschaft, welche außer den genannten physikalischen Bruchstrücken viel angewandte Mathematik enthielt, mit gänzlichem Ausschluß der besondern Naturgeschichte und Chymie. Nach diesem Plane sind viele vortrefliche Lehrbücher der Physik von Musschenbroek, s'Gravesande, Desaguliers, Krafr, von Seguer u. a. geschrieben.

Neuere Entdeckungen, die unstreitig zur Physik gehören, aber ohne Ehymie nicht verständlich sind, machten endlich den Mangel chymischer Lehren fühlbar. Noch Erxleben (Anfangsgr. der Naturlehre, zwote Aufl. 1777.) suchte dadurch auszuweichen, daß er die ganze Lehre von den Luftgattungen ausschloß, und der Ehymie vorbehielt. Aber der Einfluß dieser Lehre auf das System der Physik war zu merklich, und so sahe man sich genöthiget, sie und mit ihr die nöthigen Vorkenntnisse aus der Chymie und Mineralogie in den Umfang der eigentlichen Physik aufzunehmen. Die Vorgänger hierinn waren in Deutschland die Herren Karsten (Anleirung zur gemeinnützlichen Kenntniß der Natur. Halle, 1783. 8.) und Lichtenberg (Dritte Auflage der Erxlebenschen Anfangsgr. Gött. 1784. 8.).

Karsten verfiel aber dabey auf den Plan, die mathematischen Lehren auszuschließen; nicht blos ihrer Weitläuftigkeit halber, sondern vornehmlich aus dem Grunde, weil sich die eigentliche Physik mit Qualitäten, nicht mit Quantitäten, beschäfrigen solle, und weil es unbequem und wider die gute Ordnung sey, einerley Lehren zugleich zur angewandten Mathematik, und zur Physik zu rechnen und in zweyerley Vorlesungen eben dasselbe unter verschiedenen Namen zu lehren. Er hat es aber selbst nicht vermeiden können, in den acht ersten Abschnitten seiner Anleitung vieles vorzutragen, was nach diesem Plane in einem Lehrbuche der Physik nicht stehen sollte.


an ſich zur Phyſik, und daß man ſie nicht ohne Mathematik verſtehen kan, iſt noch kein hinlaͤnglicher Grund, ſie der eigentlichen Naturlehre ganz zu entreißen. Man kan ja noch Mehreres, z. B. den Regenbogen, nicht ohne Mathematik erklaͤren, deſſen Betrachtung doch jederzeit zur Phyſik gerechnet worden iſt. So entſtand eine Wiſſenſchaft, welche außer den genannten phyſikaliſchen Bruchſtruͤcken viel angewandte Mathematik enthielt, mit gaͤnzlichem Ausſchluß der beſondern Naturgeſchichte und Chymie. Nach dieſem Plane ſind viele vortrefliche Lehrbuͤcher der Phyſik von Muſſchenbroek, s'Graveſande, Deſaguliers, Krafr, von Seguer u. a. geſchrieben.

Neuere Entdeckungen, die unſtreitig zur Phyſik gehoͤren, aber ohne Ehymie nicht verſtaͤndlich ſind, machten endlich den Mangel chymiſcher Lehren fuͤhlbar. Noch Erxleben (Anfangsgr. der Naturlehre, zwote Aufl. 1777.) ſuchte dadurch auszuweichen, daß er die ganze Lehre von den Luftgattungen ausſchloß, und der Ehymie vorbehielt. Aber der Einfluß dieſer Lehre auf das Syſtem der Phyſik war zu merklich, und ſo ſahe man ſich genoͤthiget, ſie und mit ihr die noͤthigen Vorkenntniſſe aus der Chymie und Mineralogie in den Umfang der eigentlichen Phyſik aufzunehmen. Die Vorgaͤnger hierinn waren in Deutſchland die Herren Karſten (Anleirung zur gemeinnuͤtzlichen Kenntniß der Natur. Halle, 1783. 8.) und Lichtenberg (Dritte Auflage der Erxlebenſchen Anfangsgr. Goͤtt. 1784. 8.).

Karſten verfiel aber dabey auf den Plan, die mathematiſchen Lehren auszuſchließen; nicht blos ihrer Weitlaͤuftigkeit halber, ſondern vornehmlich aus dem Grunde, weil ſich die eigentliche Phyſik mit Qualitaͤten, nicht mit Quantitaͤten, beſchaͤfrigen ſolle, und weil es unbequem und wider die gute Ordnung ſey, einerley Lehren zugleich zur angewandten Mathematik, und zur Phyſik zu rechnen und in zweyerley Vorleſungen eben daſſelbe unter verſchiedenen Namen zu lehren. Er hat es aber ſelbſt nicht vermeiden koͤnnen, in den acht erſten Abſchnitten ſeiner Anleitung vieles vorzutragen, was nach dieſem Plane in einem Lehrbuche der Phyſik nicht ſtehen ſollte.

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[491/0497] an ſich zur Phyſik, und daß man ſie nicht ohne Mathematik verſtehen kan, iſt noch kein hinlaͤnglicher Grund, ſie der eigentlichen Naturlehre ganz zu entreißen. Man kan ja noch Mehreres, z. B. den Regenbogen, nicht ohne Mathematik erklaͤren, deſſen Betrachtung doch jederzeit zur Phyſik gerechnet worden iſt. So entſtand eine Wiſſenſchaft, welche außer den genannten phyſikaliſchen Bruchſtruͤcken viel angewandte Mathematik enthielt, mit gaͤnzlichem Ausſchluß der beſondern Naturgeſchichte und Chymie. Nach dieſem Plane ſind viele vortrefliche Lehrbuͤcher der Phyſik von Muſſchenbroek, s'Graveſande, Deſaguliers, Krafr, von Seguer u. a. geſchrieben. Neuere Entdeckungen, die unſtreitig zur Phyſik gehoͤren, aber ohne Ehymie nicht verſtaͤndlich ſind, machten endlich den Mangel chymiſcher Lehren fuͤhlbar. Noch Erxleben (Anfangsgr. der Naturlehre, zwote Aufl. 1777.) ſuchte dadurch auszuweichen, daß er die ganze Lehre von den Luftgattungen ausſchloß, und der Ehymie vorbehielt. Aber der Einfluß dieſer Lehre auf das Syſtem der Phyſik war zu merklich, und ſo ſahe man ſich genoͤthiget, ſie und mit ihr die noͤthigen Vorkenntniſſe aus der Chymie und Mineralogie in den Umfang der eigentlichen Phyſik aufzunehmen. Die Vorgaͤnger hierinn waren in Deutſchland die Herren Karſten (Anleirung zur gemeinnuͤtzlichen Kenntniß der Natur. Halle, 1783. 8.) und Lichtenberg (Dritte Auflage der Erxlebenſchen Anfangsgr. Goͤtt. 1784. 8.). Karſten verfiel aber dabey auf den Plan, die mathematiſchen Lehren auszuſchließen; nicht blos ihrer Weitlaͤuftigkeit halber, ſondern vornehmlich aus dem Grunde, weil ſich die eigentliche Phyſik mit Qualitaͤten, nicht mit Quantitaͤten, beſchaͤfrigen ſolle, und weil es unbequem und wider die gute Ordnung ſey, einerley Lehren zugleich zur angewandten Mathematik, und zur Phyſik zu rechnen und in zweyerley Vorleſungen eben daſſelbe unter verſchiedenen Namen zu lehren. Er hat es aber ſelbſt nicht vermeiden koͤnnen, in den acht erſten Abſchnitten ſeiner Anleitung vieles vorzutragen, was nach dieſem Plane in einem Lehrbuche der Phyſik nicht ſtehen ſollte.

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/497>, abgerufen am 24.11.2024.