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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

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Dagegen behauptete Herr Scheibel auf Veranlassung ei ner von der fürstlich jablonowskischen Societät d. Wissenschasten zu Leipz. aufgegebnen Preißfrage (Super quaestionibus de philosophiae naturalis ambitu, limitibus et systemate, in Actis Societatis Jablonovianae, To. VI. p. 183. sqq.), die mathematische Betrachtung sey von der Kenntniß der allgemeinen Eigenschaften und Veränderungen der Körper unzertrennlich, und müsse in der Physik beybehalten werden, wenn der Unterricht in derselben nicht zu einem Spielwerke mit Versuchen herabsinken solle. Eine besondere angewandte Mathematik gebe es gar nicht; was man so nenne, sey daher entstanden, weil es bequem sey, die Auflösungen arithmetischer und geometrischer Probleme, welche bey den physikalischen Untersuchungen vorkommen, von den letztern zu trennen, wie z. B. die Betrachtung des Wegs geworfner Körper, die Höhenmessung mit dem Barometer u. dgl. Die Chymie betreffend rechnet er zwar die von der Natur selbst bewirkten Auflösungen und Zusammensetzungen zur Physik; die künstlichen aber (also auch alle Versuche über die Gasarten) will er gänzlich davon getrennt, und nur ihre Folgen, als Lehrsätze, in die besondere Physik aufgenommen wissen. Karsten hat noch in einem kurz vor selnem Tode vollendeten Aufsatze (Vom eigenthümlichen Gebiet der Naturlehre, in s. physisch-chymischen Abhandlungen, 1. Heft. Halle 1786. 8.) seine Ausschließung der angewandten Mathematik aus dem physikalischen Gebiete umständlich zu rechtfertigen gesucht.

Durch diese Versuche scheint jedoch der Zweck einer genauen Grenzbestimmung zwischen der eigentlichen Physik auf einer, und der Naturgeschichte, Chymie und angewandten Mathematik auf der andern Seite, noch nicht erreicht zu seyn. Die mathematischen Lehren ganz auszuschließen, ist nicht möglich, wenn die Wissenschaft ein zusammenhängendes Ganzes bleiben soll. Die Betrachtung der Größe ist zu genau mit allen menschlichen Kenntnissen verwebt, als daß sich ohne sie von den Qualitäten etwas Deutliches erkennen oder lehren ließe. Fast alle Beobachtungen und Versuche erfordern mathematische Bestimmungen, und


Dagegen behauptete Herr Scheibel auf Veranlaſſung ei ner von der fuͤrſtlich jablonowskiſchen Societaͤt d. Wiſſenſchaſten zu Leipz. aufgegebnen Preißfrage (Super quaeſtionibus de philoſophiae naturalis ambitu, limitibus et ſyſtemate, in Actis Societatis Jablonovianae, To. VI. p. 183. ſqq.), die mathematiſche Betrachtung ſey von der Kenntniß der allgemeinen Eigenſchaften und Veraͤnderungen der Koͤrper unzertrennlich, und muͤſſe in der Phyſik beybehalten werden, wenn der Unterricht in derſelben nicht zu einem Spielwerke mit Verſuchen herabſinken ſolle. Eine beſondere angewandte Mathematik gebe es gar nicht; was man ſo nenne, ſey daher entſtanden, weil es bequem ſey, die Aufloͤſungen arithmetiſcher und geometriſcher Probleme, welche bey den phyſikaliſchen Unterſuchungen vorkommen, von den letztern zu trennen, wie z. B. die Betrachtung des Wegs geworfner Koͤrper, die Hoͤhenmeſſung mit dem Barometer u. dgl. Die Chymie betreffend rechnet er zwar die von der Natur ſelbſt bewirkten Aufloͤſungen und Zuſammenſetzungen zur Phyſik; die kuͤnſtlichen aber (alſo auch alle Verſuche uͤber die Gasarten) will er gaͤnzlich davon getrennt, und nur ihre Folgen, als Lehrſaͤtze, in die beſondere Phyſik aufgenommen wiſſen. Karſten hat noch in einem kurz vor ſelnem Tode vollendeten Aufſatze (Vom eigenthuͤmlichen Gebiet der Naturlehre, in ſ. phyſiſch-chymiſchen Abhandlungen, 1. Heft. Halle 1786. 8.) ſeine Ausſchließung der angewandten Mathematik aus dem phyſikaliſchen Gebiete umſtaͤndlich zu rechtfertigen geſucht.

Durch dieſe Verſuche ſcheint jedoch der Zweck einer genauen Grenzbeſtimmung zwiſchen der eigentlichen Phyſik auf einer, und der Naturgeſchichte, Chymie und angewandten Mathematik auf der andern Seite, noch nicht erreicht zu ſeyn. Die mathematiſchen Lehren ganz auszuſchließen, iſt nicht moͤglich, wenn die Wiſſenſchaft ein zuſammenhaͤngendes Ganzes bleiben ſoll. Die Betrachtung der Groͤße iſt zu genau mit allen menſchlichen Kenntniſſen verwebt, als daß ſich ohne ſie von den Qualitaͤten etwas Deutliches erkennen oder lehren ließe. Faſt alle Beobachtungen und Verſuche erfordern mathematiſche Beſtimmungen, und

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[492/0498] Dagegen behauptete Herr Scheibel auf Veranlaſſung ei ner von der fuͤrſtlich jablonowskiſchen Societaͤt d. Wiſſenſchaſten zu Leipz. aufgegebnen Preißfrage (Super quaeſtionibus de philoſophiae naturalis ambitu, limitibus et ſyſtemate, in Actis Societatis Jablonovianae, To. VI. p. 183. ſqq.), die mathematiſche Betrachtung ſey von der Kenntniß der allgemeinen Eigenſchaften und Veraͤnderungen der Koͤrper unzertrennlich, und muͤſſe in der Phyſik beybehalten werden, wenn der Unterricht in derſelben nicht zu einem Spielwerke mit Verſuchen herabſinken ſolle. Eine beſondere angewandte Mathematik gebe es gar nicht; was man ſo nenne, ſey daher entſtanden, weil es bequem ſey, die Aufloͤſungen arithmetiſcher und geometriſcher Probleme, welche bey den phyſikaliſchen Unterſuchungen vorkommen, von den letztern zu trennen, wie z. B. die Betrachtung des Wegs geworfner Koͤrper, die Hoͤhenmeſſung mit dem Barometer u. dgl. Die Chymie betreffend rechnet er zwar die von der Natur ſelbſt bewirkten Aufloͤſungen und Zuſammenſetzungen zur Phyſik; die kuͤnſtlichen aber (alſo auch alle Verſuche uͤber die Gasarten) will er gaͤnzlich davon getrennt, und nur ihre Folgen, als Lehrſaͤtze, in die beſondere Phyſik aufgenommen wiſſen. Karſten hat noch in einem kurz vor ſelnem Tode vollendeten Aufſatze (Vom eigenthuͤmlichen Gebiet der Naturlehre, in ſ. phyſiſch-chymiſchen Abhandlungen, 1. Heft. Halle 1786. 8.) ſeine Ausſchließung der angewandten Mathematik aus dem phyſikaliſchen Gebiete umſtaͤndlich zu rechtfertigen geſucht. Durch dieſe Verſuche ſcheint jedoch der Zweck einer genauen Grenzbeſtimmung zwiſchen der eigentlichen Phyſik auf einer, und der Naturgeſchichte, Chymie und angewandten Mathematik auf der andern Seite, noch nicht erreicht zu ſeyn. Die mathematiſchen Lehren ganz auszuſchließen, iſt nicht moͤglich, wenn die Wiſſenſchaft ein zuſammenhaͤngendes Ganzes bleiben ſoll. Die Betrachtung der Groͤße iſt zu genau mit allen menſchlichen Kenntniſſen verwebt, als daß ſich ohne ſie von den Qualitaͤten etwas Deutliches erkennen oder lehren ließe. Faſt alle Beobachtungen und Verſuche erfordern mathematiſche Beſtimmungen, und

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/498>, abgerufen am 24.11.2024.