sie augenblicklich. Eine klingende Claviersaite, wenn sie den Dämpfer berührt, schwingt noch immer fort, aber ohne Klang; hält man einen Schlüssel daran, an den sie beym Schwingen stößt, so fängt der Klang von neuem an. Aber alle diese Phänomene beweisen de la Hire's Satz nicht. Die richtige Erklärung ist folgende. Die Schwingungen der ganzen Schenkel einer Zange, der ganzen Gabel, der gedämpften Saite u. s. w. sind zu langsam, um einen hörbaren Ton zu geben: aber das Anstoßen eines harten Körpers verändert die Stellen der Schwingungsknoten; dadurch werden die Längen der schwingenden Theile verkürzt, mithin die Schwingungen schneller, und die Klänge hörbar. Die Versuche des Herrn Chladni (Entdeckungen über die Theorie des Klanges. Leipzig, 1787. 4.) lassen keinen Zweifel über die Richtigkeit dieser Erklärung zurück, s. Klang (ingl. FunkProgr. De sono et tono. Lips. 1779. 4.).
Auch müssen alle, welche Erzitterungen der kleinsten Theile schallender Körper annehmen, bey der Theorie des Klangs und der Töne dennoch auf Schwingungen des Ganzen, oder größerer Theile, zurückgehen. Musschenbroek selbst setzt beym Uebergange zur Theorie voraus, die Schwingungen wären den Erzitterungen gleich oder proportional, und spricht von dieser Stelle an gar nicht weiter vom Zittern (Videntur proinde celeritates tremorum cum celeritatibus oscillationum utcunque convenire, vel harmonicae esse--quia autem tremores non ita observari, quam oscillationes, possunt, has loco tremorum in sequentibus considerabo. Introd. §. 2203.). Dies ist ein stillschweigendes Geständniß, daß aus den Zitterungen nichts zu erklären sey. Dennoch steht dieser Irrthum von Bebungen der kleinsten Theile beym Schalle noch immer in unsern besten physikalischen Lehrbüchern.
Wenn die Schwingungen eines elastischen Körpers, oder gewisser Theile desselben, von höchst verschiedener und mannigfaltiger Dauer und Geschwindigkeit oder überhaupt zu langsam und von geringer Anzahl sind, so heißt der daraus entspringende Schall ein dumpfer Schall, ein Geräusch, Geröse, und wenn er heftig ist und augenblicklich
ſie augenblicklich. Eine klingende Clavierſaite, wenn ſie den Daͤmpfer beruͤhrt, ſchwingt noch immer fort, aber ohne Klang; haͤlt man einen Schluͤſſel daran, an den ſie beym Schwingen ſtoͤßt, ſo faͤngt der Klang von neuem an. Aber alle dieſe Phaͤnomene beweiſen de la Hire's Satz nicht. Die richtige Erklaͤrung iſt folgende. Die Schwingungen der ganzen Schenkel einer Zange, der ganzen Gabel, der gedaͤmpften Saite u. ſ. w. ſind zu langſam, um einen hoͤrbaren Ton zu geben: aber das Anſtoßen eines harten Koͤrpers veraͤndert die Stellen der Schwingungsknoten; dadurch werden die Laͤngen der ſchwingenden Theile verkuͤrzt, mithin die Schwingungen ſchneller, und die Klaͤnge hoͤrbar. Die Verſuche des Herrn Chladni (Entdeckungen uͤber die Theorie des Klanges. Leipzig, 1787. 4.) laſſen keinen Zweifel uͤber die Richtigkeit dieſer Erklaͤrung zuruͤck, ſ. Klang (ingl. FunkProgr. De ſono et tono. Lipſ. 1779. 4.).
Auch muͤſſen alle, welche Erzitterungen der kleinſten Theile ſchallender Koͤrper annehmen, bey der Theorie des Klangs und der Toͤne dennoch auf Schwingungen des Ganzen, oder groͤßerer Theile, zuruͤckgehen. Muſſchenbroek ſelbſt ſetzt beym Uebergange zur Theorie voraus, die Schwingungen waͤren den Erzitterungen gleich oder proportional, und ſpricht von dieſer Stelle an gar nicht weiter vom Zittern (Videntur proinde celeritates tremorum cum celeritatibus oſcillationum utcunque convenire, vel harmonicae eſſe—quia autem tremores non ita obſervari, quam oſcillationes, poſſunt, has loco tremorum in ſequentibus conſiderabo. Introd. §. 2203.). Dies iſt ein ſtillſchweigendes Geſtaͤndniß, daß aus den Zitterungen nichts zu erklaͤren ſey. Dennoch ſteht dieſer Irrthum von Bebungen der kleinſten Theile beym Schalle noch immer in unſern beſten phyſikaliſchen Lehrbuͤchern.
Wenn die Schwingungen eines elaſtiſchen Koͤrpers, oder gewiſſer Theile deſſelben, von hoͤchſt verſchiedener und mannigfaltiger Dauer und Geſchwindigkeit oder uͤberhaupt zu langſam und von geringer Anzahl ſind, ſo heißt der daraus entſpringende Schall ein dumpfer Schall, ein Geraͤuſch, Geroͤſe, und wenn er heftig iſt und augenblicklich
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ſie augenblicklich. Eine klingende Clavierſaite, wenn ſie den Daͤmpfer beruͤhrt, ſchwingt noch immer fort, aber ohne Klang; haͤlt man einen Schluͤſſel daran, an den ſie beym Schwingen ſtoͤßt, ſo faͤngt der Klang von neuem an. Aber alle dieſe Phaͤnomene beweiſen de la Hire's Satz nicht. Die richtige Erklaͤrung iſt folgende. Die Schwingungen der ganzen Schenkel einer Zange, der ganzen Gabel, der gedaͤmpften Saite u. ſ. w. ſind zu langſam, um einen hoͤrbaren Ton zu geben: aber das Anſtoßen eines harten Koͤrpers veraͤndert die Stellen der Schwingungsknoten; dadurch werden die Laͤngen der ſchwingenden Theile verkuͤrzt, mithin die Schwingungen ſchneller, und die Klaͤnge hoͤrbar. Die Verſuche des Herrn Chladni (Entdeckungen uͤber die Theorie des Klanges. Leipzig, 1787. 4.) laſſen keinen Zweifel uͤber die Richtigkeit dieſer Erklaͤrung zuruͤck, ſ. Klang (ingl. Funk Progr. De ſono et tono. Lipſ. 1779. 4.).
Auch muͤſſen alle, welche Erzitterungen der kleinſten Theile ſchallender Koͤrper annehmen, bey der Theorie des Klangs und der Toͤne dennoch auf Schwingungen des Ganzen, oder groͤßerer Theile, zuruͤckgehen. Muſſchenbroek ſelbſt ſetzt beym Uebergange zur Theorie voraus, die Schwingungen waͤren den Erzitterungen gleich oder proportional, und ſpricht von dieſer Stelle an gar nicht weiter vom Zittern (Videntur proinde celeritates tremorum cum celeritatibus oſcillationum utcunque convenire, vel harmonicae eſſe—quia autem tremores non ita obſervari, quam oſcillationes, poſſunt, has loco tremorum in ſequentibus conſiderabo. Introd. §. 2203.). Dies iſt ein ſtillſchweigendes Geſtaͤndniß, daß aus den Zitterungen nichts zu erklaͤren ſey. Dennoch ſteht dieſer Irrthum von Bebungen der kleinſten Theile beym Schalle noch immer in unſern beſten phyſikaliſchen Lehrbuͤchern.
Wenn die Schwingungen eines elaſtiſchen Koͤrpers, oder gewiſſer Theile deſſelben, von hoͤchſt verſchiedener und mannigfaltiger Dauer und Geſchwindigkeit oder uͤberhaupt zu langſam und von geringer Anzahl ſind, ſo heißt der daraus entſpringende Schall ein dumpfer Schall, ein Geraͤuſch, Geroͤſe, und wenn er heftig iſt und augenblicklich
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 802. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/808>, abgerufen am 22.11.2024.
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