Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.
Die Elasticität setzt zwar allemal voraus, daß ein Körper seine Gestalt ändern lasse: es scheint also, als könnten elastische Körper nicht spröde seyn. Aber Elasticität ist doch im Grunde nichts anders, als Widerstreben gegen Aenderung der Gestalt, und so könnte wohl sehr starke Elasticität in Sprödigkeit selbst übergehen. Dies ist gar nicht unwahrscheinlich, wenn man bedenkt, daß viele elastische Körper durch Vermehrung ihrer Dichtigkeit spröde werden (z. B. gehärteter Stahl, die Glastropfen, bologneser Flaschen, mehrere Körper in der Kälte), und daß sie sich wieder elastisch zeigen, wenn man durch Anlassen, Ausglühen, Temperiren im Kühlofen rc. ihre Spannung vermindert. In manchen Körpern trennen sich viele Theile von selbst mit, wenn man nur anfängt, einige zu trennen, und diese heißen vorzugsweise spröde Körper. Eine solche Eigenschaft scheint allemal einen hohen Grad von Elasticität und einen ungleichen Zusammenhang vorauszusetzen, durch welchen die Theile schon in eine gewaltsame Spannung versetzt sind, s. Glastropfen, Bologneser Flaschen. Andere Körper, z. B. Holz, blättrige Steine u. dergl. lassen sich nur nach gewissen Richtungen leicht trennen, oder spalten. Sie bestehen aus Blättern oder Fasern, die an sich fest und elastisch sind, aber unter einander einen schwachen Zusammenhang haben, der durch ihre Elasticität überwunden werden kan. Treibt nun eine äußere Kraft die Blätter an einem Ende aus einander, und beugt dieselben,
Die Elaſticitaͤt ſetzt zwar allemal voraus, daß ein Koͤrper ſeine Geſtalt aͤndern laſſe: es ſcheint alſo, als koͤnnten elaſtiſche Koͤrper nicht ſproͤde ſeyn. Aber Elaſticitaͤt iſt doch im Grunde nichts anders, als Widerſtreben gegen Aenderung der Geſtalt, und ſo koͤnnte wohl ſehr ſtarke Elaſticitaͤt in Sproͤdigkeit ſelbſt uͤbergehen. Dies iſt gar nicht unwahrſcheinlich, wenn man bedenkt, daß viele elaſtiſche Koͤrper durch Vermehrung ihrer Dichtigkeit ſproͤde werden (z. B. gehaͤrteter Stahl, die Glastropfen, bologneſer Flaſchen, mehrere Koͤrper in der Kaͤlte), und daß ſie ſich wieder elaſtiſch zeigen, wenn man durch Anlaſſen, Ausgluͤhen, Temperiren im Kuͤhlofen rc. ihre Spannung vermindert. In manchen Koͤrpern trennen ſich viele Theile von ſelbſt mit, wenn man nur anfaͤngt, einige zu trennen, und dieſe heißen vorzugsweiſe ſproͤde Koͤrper. Eine ſolche Eigenſchaft ſcheint allemal einen hohen Grad von Elaſticitaͤt und einen ungleichen Zuſammenhang vorauszuſetzen, durch welchen die Theile ſchon in eine gewaltſame Spannung verſetzt ſind, ſ. Glastropfen, Bologneſer Flaſchen. Andere Koͤrper, z. B. Holz, blaͤttrige Steine u. dergl. laſſen ſich nur nach gewiſſen Richtungen leicht trennen, oder ſpalten. Sie beſtehen aus Blaͤttern oder Faſern, die an ſich feſt und elaſtiſch ſind, aber unter einander einen ſchwachen Zuſammenhang haben, der durch ihre Elaſticitaͤt uͤberwunden werden kan. Treibt nun eine aͤußere Kraft die Blaͤtter an einem Ende aus einander, und beugt dieſelben, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0188" xml:id="P.4.178" n="178"/><lb/> Gewalt nicht anders, als mit gaͤnzlicher Trennung ihres Zuſammenhangs aͤndern kan. Ein ſolcher Koͤrper dehnt oder ſtreckt ſich nicht unter dem Hammer; er zerbricht vielmehr unter demſelben. Sproͤde Koͤrper heißen daher auch <hi rendition="#b">zerbrechlich,</hi> und wenn ſie ſich durch geringe Kraft in ſehr kleine Theile zertrennen laſſen, <hi rendition="#b">zerreiblich</hi> (<hi rendition="#aq">friabilia</hi>). Dem Sproͤden iſt das <hi rendition="#b">Dehnbare,</hi> Streckbare, Geſchmeidige, Biegſame entgegengeſetzt, <hi rendition="#b">ſ. Dehnbarkeit Biegſamkeit.</hi> Beyſpiele ſproͤder Koͤrper ſind Glas, Porcellan, gehaͤrteter Stahl rc.</p> <p>Die Elaſticitaͤt ſetzt zwar allemal voraus, daß ein Koͤrper ſeine Geſtalt aͤndern laſſe: es ſcheint alſo, als koͤnnten elaſtiſche Koͤrper nicht ſproͤde ſeyn. Aber Elaſticitaͤt iſt doch im Grunde nichts anders, als Widerſtreben gegen Aenderung der Geſtalt, und ſo koͤnnte wohl ſehr ſtarke Elaſticitaͤt in Sproͤdigkeit ſelbſt uͤbergehen. Dies iſt gar nicht unwahrſcheinlich, wenn man bedenkt, daß viele elaſtiſche Koͤrper durch Vermehrung ihrer Dichtigkeit ſproͤde werden (z. B. gehaͤrteter Stahl, die Glastropfen, bologneſer Flaſchen, mehrere Koͤrper in der Kaͤlte), und daß ſie ſich wieder elaſtiſch zeigen, wenn man durch Anlaſſen, Ausgluͤhen, Temperiren im Kuͤhlofen rc. ihre Spannung vermindert.</p> <p>In manchen Koͤrpern trennen ſich viele Theile von ſelbſt mit, wenn man nur anfaͤngt, einige zu trennen, und dieſe heißen vorzugsweiſe <hi rendition="#b">ſproͤde Koͤrper.</hi> Eine ſolche Eigenſchaft ſcheint allemal einen hohen Grad von Elaſticitaͤt und einen ungleichen Zuſammenhang vorauszuſetzen, durch welchen die Theile ſchon in eine gewaltſame Spannung verſetzt ſind, <hi rendition="#b">ſ. Glastropfen, Bologneſer Flaſchen.</hi></p> <p>Andere Koͤrper, z. B. Holz, blaͤttrige Steine u. dergl. laſſen ſich nur nach gewiſſen Richtungen leicht trennen, oder <hi rendition="#b">ſpalten.</hi> Sie beſtehen aus Blaͤttern oder Faſern, die an ſich feſt und elaſtiſch ſind, aber unter einander einen ſchwachen Zuſammenhang haben, der durch ihre Elaſticitaͤt uͤberwunden werden kan. Treibt nun eine aͤußere Kraft die Blaͤtter an einem Ende aus einander, und beugt dieſelben,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [178/0188]
Gewalt nicht anders, als mit gaͤnzlicher Trennung ihres Zuſammenhangs aͤndern kan. Ein ſolcher Koͤrper dehnt oder ſtreckt ſich nicht unter dem Hammer; er zerbricht vielmehr unter demſelben. Sproͤde Koͤrper heißen daher auch zerbrechlich, und wenn ſie ſich durch geringe Kraft in ſehr kleine Theile zertrennen laſſen, zerreiblich (friabilia). Dem Sproͤden iſt das Dehnbare, Streckbare, Geſchmeidige, Biegſame entgegengeſetzt, ſ. Dehnbarkeit Biegſamkeit. Beyſpiele ſproͤder Koͤrper ſind Glas, Porcellan, gehaͤrteter Stahl rc.
Die Elaſticitaͤt ſetzt zwar allemal voraus, daß ein Koͤrper ſeine Geſtalt aͤndern laſſe: es ſcheint alſo, als koͤnnten elaſtiſche Koͤrper nicht ſproͤde ſeyn. Aber Elaſticitaͤt iſt doch im Grunde nichts anders, als Widerſtreben gegen Aenderung der Geſtalt, und ſo koͤnnte wohl ſehr ſtarke Elaſticitaͤt in Sproͤdigkeit ſelbſt uͤbergehen. Dies iſt gar nicht unwahrſcheinlich, wenn man bedenkt, daß viele elaſtiſche Koͤrper durch Vermehrung ihrer Dichtigkeit ſproͤde werden (z. B. gehaͤrteter Stahl, die Glastropfen, bologneſer Flaſchen, mehrere Koͤrper in der Kaͤlte), und daß ſie ſich wieder elaſtiſch zeigen, wenn man durch Anlaſſen, Ausgluͤhen, Temperiren im Kuͤhlofen rc. ihre Spannung vermindert.
In manchen Koͤrpern trennen ſich viele Theile von ſelbſt mit, wenn man nur anfaͤngt, einige zu trennen, und dieſe heißen vorzugsweiſe ſproͤde Koͤrper. Eine ſolche Eigenſchaft ſcheint allemal einen hohen Grad von Elaſticitaͤt und einen ungleichen Zuſammenhang vorauszuſetzen, durch welchen die Theile ſchon in eine gewaltſame Spannung verſetzt ſind, ſ. Glastropfen, Bologneſer Flaſchen.
Andere Koͤrper, z. B. Holz, blaͤttrige Steine u. dergl. laſſen ſich nur nach gewiſſen Richtungen leicht trennen, oder ſpalten. Sie beſtehen aus Blaͤttern oder Faſern, die an ſich feſt und elaſtiſch ſind, aber unter einander einen ſchwachen Zuſammenhang haben, der durch ihre Elaſticitaͤt uͤberwunden werden kan. Treibt nun eine aͤußere Kraft die Blaͤtter an einem Ende aus einander, und beugt dieſelben,
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