Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.
Bey den jetzt gebräuchlichen Thermometern ist der obere feste Punkt die Wärme des siedenden Wassers. Der Punkt, bis an welchen die flüßige Materie im Thermometer bey dleser Wärme reicht, heißt sein Siedpunkt (punctum aquae ebullientis, terme de l'eau bouillante). Es kommen aber hiebey Umstände vor, welche diese Wärme, die man in allen Fällen für gleich groß annimmt, sehr verändern können. Regen- Fluß- und Quellwasser nehmen nach de Lüc gleiche Siedhitze an; gesättigtes Salzwasser aber auf 7 reaum. Grad mehr. Man nimmt daher am sichersten Regenwasser. Die äußere Wärme oder Kälte der Luft thut wenig zur Sache, weil das Feuer beym Kochen die umgebende Luft ziemlich gleichförmig erwärmt. Mehr Einsluß hat die Gestalt der Gefäße, und die Beschaffenheit ihres Deckels. Bey allzugeringer Wassermenge, wobey das Wasser nach und nach verdünstet, nimmt auch die Hitze etwas ab. Ueberdies ist es nicht genug, die Kugel allein in das siedende Wasser zu bringen; sondern es muß auch die Röhre so weit, als die flüßige Materie in ihr steigt, der Hitze desselben ausgesetzt, und darinn erhalten werden. Ferner hat Herr de Lüc gefunden, daß bisweilen, besonders wenn das Wasser noch nicht völlig kocht, die Hitze aus dem Boden fast um 1 Grad größer ist, als im obern Theile des Gefäßes. Weil das Wasser selbst während des Kochens noch heißer wird, so muß man es auf das stärkste kochen lassen. Endlich hat auch der Druck des Luftkreises etnen vorzüglich starken Einfluß auf die Größe der Siedhitze, s. Sieden; daher es nöthig ist, den Siedpunkt aller Thermometer entweder bey einerley Barometerhöhe zu suchen, oder wenigstens durch eine Berichtigung auf eine gewisse immer gleiche Barometerhöhe zu reduciren. Diese Umstände machen, daß man sich auf die Uebereinstimmung der an den gewöhnlichen Thermometern bemerkten Siedpunkte selten oder gar nicht verlassen kan. Wenn vollends die Materie solcher Werkzeuge unfähig ist,
Bey den jetzt gebraͤuchlichen Thermometern iſt der obere feſte Punkt die Waͤrme des ſiedenden Waſſers. Der Punkt, bis an welchen die fluͤßige Materie im Thermometer bey dleſer Waͤrme reicht, heißt ſein Siedpunkt (punctum aquae ebullientis, terme de l'eau bouillante). Es kommen aber hiebey Umſtaͤnde vor, welche dieſe Waͤrme, die man in allen Faͤllen fuͤr gleich groß annimmt, ſehr veraͤndern koͤnnen. Regen- Fluß- und Quellwaſſer nehmen nach de Luͤc gleiche Siedhitze an; geſaͤttigtes Salzwaſſer aber auf 7 reaum. Grad mehr. Man nimmt daher am ſicherſten Regenwaſſer. Die aͤußere Waͤrme oder Kaͤlte der Luft thut wenig zur Sache, weil das Feuer beym Kochen die umgebende Luft ziemlich gleichfoͤrmig erwaͤrmt. Mehr Einſluß hat die Geſtalt der Gefaͤße, und die Beſchaffenheit ihres Deckels. Bey allzugeringer Waſſermenge, wobey das Waſſer nach und nach verduͤnſtet, nimmt auch die Hitze etwas ab. Ueberdies iſt es nicht genug, die Kugel allein in das ſiedende Waſſer zu bringen; ſondern es muß auch die Roͤhre ſo weit, als die fluͤßige Materie in ihr ſteigt, der Hitze deſſelben ausgeſetzt, und darinn erhalten werden. Ferner hat Herr de Luͤc gefunden, daß bisweilen, beſonders wenn das Waſſer noch nicht voͤllig kocht, die Hitze auſ dem Boden faſt um 1 Grad groͤßer iſt, als im obern Theile des Gefaͤßes. Weil das Waſſer ſelbſt waͤhrend des Kochens noch heißer wird, ſo muß man es auf das ſtaͤrkſte kochen laſſen. Endlich hat auch der Druck des Luftkreiſes etnen vorzuͤglich ſtarken Einfluß auf die Groͤße der Siedhitze, ſ. Sieden; daher es noͤthig iſt, den Siedpunkt aller Thermometer entweder bey einerley Barometerhoͤhe zu ſuchen, oder wenigſtens durch eine Berichtigung auf eine gewiſſe immer gleiche Barometerhoͤhe zu reduciren. Dieſe Umſtaͤnde machen, daß man ſich auf die Uebereinſtimmung der an den gewoͤhnlichen Thermometern bemerkten Siedpunkte ſelten oder gar nicht verlaſſen kan. Wenn vollends die Materie ſolcher Werkzeuge unfaͤhig iſt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p> <pb facs="#f0346" xml:id="P.4.336" n="336"/><lb/> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Beſtimmung der feſten Punkte.</hi> </hi> </p> <p>Bey den jetzt gebraͤuchlichen Thermometern iſt der <hi rendition="#b">obere feſte Punkt</hi> die <hi rendition="#b">Waͤrme des ſiedenden Waſſers.</hi> Der Punkt, bis an welchen die fluͤßige Materie im Thermometer bey dleſer Waͤrme reicht, heißt ſein <hi rendition="#b">Siedpunkt</hi> (<hi rendition="#aq">punctum aquae ebullientis, <hi rendition="#i">terme de l'eau bouillante</hi></hi>). Es kommen aber hiebey Umſtaͤnde vor, welche dieſe Waͤrme, die man in allen Faͤllen fuͤr gleich groß annimmt, ſehr veraͤndern koͤnnen.</p> <p>Regen- Fluß- und Quellwaſſer nehmen nach <hi rendition="#b">de Luͤc</hi> gleiche Siedhitze an; geſaͤttigtes Salzwaſſer aber auf 7 reaum. Grad mehr. Man nimmt daher am ſicherſten Regenwaſſer. Die aͤußere Waͤrme oder Kaͤlte der Luft thut wenig zur Sache, weil das Feuer beym Kochen die umgebende Luft ziemlich gleichfoͤrmig erwaͤrmt. Mehr Einſluß hat die Geſtalt der Gefaͤße, und die Beſchaffenheit ihres Deckels. Bey allzugeringer Waſſermenge, wobey das Waſſer nach und nach verduͤnſtet, nimmt auch die Hitze etwas ab. Ueberdies iſt es nicht genug, die Kugel allein in das ſiedende Waſſer zu bringen; ſondern es muß auch die Roͤhre ſo weit, als die fluͤßige Materie in ihr ſteigt, der Hitze deſſelben ausgeſetzt, und darinn erhalten werden. Ferner hat Herr <hi rendition="#b">de Luͤc</hi> gefunden, daß bisweilen, beſonders wenn das Waſſer noch nicht voͤllig kocht, die Hitze auſ dem Boden faſt um 1 Grad groͤßer iſt, als im obern Theile des Gefaͤßes. Weil das Waſſer ſelbſt waͤhrend des Kochens noch heißer wird, ſo muß man es <hi rendition="#b">auf das ſtaͤrkſte</hi> kochen laſſen. Endlich hat auch der <hi rendition="#b">Druck des Luftkreiſes</hi> etnen vorzuͤglich ſtarken Einfluß auf die Groͤße der Siedhitze, <hi rendition="#b">ſ. Sieden;</hi> daher es noͤthig iſt, den Siedpunkt aller Thermometer entweder bey einerley Barometerhoͤhe zu ſuchen, oder wenigſtens durch eine Berichtigung auf eine gewiſſe immer gleiche Barometerhoͤhe zu reduciren.</p> <p>Dieſe Umſtaͤnde machen, daß man ſich auf die Uebereinſtimmung der an den gewoͤhnlichen Thermometern bemerkten Siedpunkte ſelten oder gar nicht verlaſſen kan. Wenn vollends die Materie ſolcher Werkzeuge unfaͤhig iſt,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [336/0346]
Beſtimmung der feſten Punkte.
Bey den jetzt gebraͤuchlichen Thermometern iſt der obere feſte Punkt die Waͤrme des ſiedenden Waſſers. Der Punkt, bis an welchen die fluͤßige Materie im Thermometer bey dleſer Waͤrme reicht, heißt ſein Siedpunkt (punctum aquae ebullientis, terme de l'eau bouillante). Es kommen aber hiebey Umſtaͤnde vor, welche dieſe Waͤrme, die man in allen Faͤllen fuͤr gleich groß annimmt, ſehr veraͤndern koͤnnen.
Regen- Fluß- und Quellwaſſer nehmen nach de Luͤc gleiche Siedhitze an; geſaͤttigtes Salzwaſſer aber auf 7 reaum. Grad mehr. Man nimmt daher am ſicherſten Regenwaſſer. Die aͤußere Waͤrme oder Kaͤlte der Luft thut wenig zur Sache, weil das Feuer beym Kochen die umgebende Luft ziemlich gleichfoͤrmig erwaͤrmt. Mehr Einſluß hat die Geſtalt der Gefaͤße, und die Beſchaffenheit ihres Deckels. Bey allzugeringer Waſſermenge, wobey das Waſſer nach und nach verduͤnſtet, nimmt auch die Hitze etwas ab. Ueberdies iſt es nicht genug, die Kugel allein in das ſiedende Waſſer zu bringen; ſondern es muß auch die Roͤhre ſo weit, als die fluͤßige Materie in ihr ſteigt, der Hitze deſſelben ausgeſetzt, und darinn erhalten werden. Ferner hat Herr de Luͤc gefunden, daß bisweilen, beſonders wenn das Waſſer noch nicht voͤllig kocht, die Hitze auſ dem Boden faſt um 1 Grad groͤßer iſt, als im obern Theile des Gefaͤßes. Weil das Waſſer ſelbſt waͤhrend des Kochens noch heißer wird, ſo muß man es auf das ſtaͤrkſte kochen laſſen. Endlich hat auch der Druck des Luftkreiſes etnen vorzuͤglich ſtarken Einfluß auf die Groͤße der Siedhitze, ſ. Sieden; daher es noͤthig iſt, den Siedpunkt aller Thermometer entweder bey einerley Barometerhoͤhe zu ſuchen, oder wenigſtens durch eine Berichtigung auf eine gewiſſe immer gleiche Barometerhoͤhe zu reduciren.
Dieſe Umſtaͤnde machen, daß man ſich auf die Uebereinſtimmung der an den gewoͤhnlichen Thermometern bemerkten Siedpunkte ſelten oder gar nicht verlaſſen kan. Wenn vollends die Materie ſolcher Werkzeuge unfaͤhig iſt,
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