Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.
Dieses Stralen der Wärme scheint überall statt zu haben, wo freyer Wärmestof in überflüßiger Menge vorhanden ist, und von dem erhitzten Körper und dem umgebenden Mittel nicht völlig aufgenommen werden kan. Vielleicht ist das, was man im kochenden Wasser wie Fäden aufsteigen sieht, und sonst für Feuer hielt (s. Sieden), nichts anders, als eine von dieser stralenden Hitze verursachte Bewegung. Scheele glaubte, diese Hitze bestehe aus Feuerluft und Phlogiston, und verwandle sich durch Verbindung mit mehrerm Phlogiston in Licht. In Herrn de Lüc System, s. Feuer (Th. II. S. 225.), wo das Licht für das Vehikel (fluide deferent) des Feuers angenommen wird, führt dasselbe die Substanz des Feuers nach seinen Gesetzen, also in geraden und unter gleichen Winkeln reflectirten Stralen, mit sich fort; wenn aber beyde einen durchsichtigen Körper antreffen, so geht das Licht hindurch, das Feuer hingegen bleibt entweder an der Fläche des Körpers, oder es wird mit einem Theile des Lichts reflectirt. Nach Elliots Meinung, die auch Baader annimmt, geht die Wärme durch den Zustand der stralenden Hitze in Licht über, so wie sich Licht, wenn es von den Körpern angenommen und aufgelöset wird, wieder in Wärmestof verwandelt. Aber wir sind mit dem wahren Verhältnisse zwischen Licht und Wärme noch viel zu unbekannt, als daß wir Fragen dieser Art entscheiden könnten. Pictet sagt sehr gut, wo die (freye) Wärme nur Poren antreffe, sey sie stralend, wo sie Materie finde, mitgetheilt oder fortgepflanzt (propagee). Uebrigens fand er die stralende Hitze so schnell, daß ihm ihre Fortpflanzung bis auf 69 Fuß weit nur augenblicklich (instantanee) dünkte. Sonderbar kam es ihm vor, daß seine Spiegel auch die Kälte reflectirten, die er im Brennpunkte durch Eis und Scheidewasser hervorbrachte. Das ist aber, (wie er nach einigem Ueberdenken bald fand) nicht etwa eine eigne stralende Kälte, sondern die Wärme des Thermometers,
Dieſes Stralen der Waͤrme ſcheint uͤberall ſtatt zu haben, wo freyer Waͤrmeſtof in uͤberfluͤßiger Menge vorhanden iſt, und von dem erhitzten Koͤrper und dem umgebenden Mittel nicht voͤllig aufgenommen werden kan. Vielleicht iſt das, was man im kochenden Waſſer wie Faͤden aufſteigen ſieht, und ſonſt fuͤr Feuer hielt (ſ. Sieden), nichts anders, als eine von dieſer ſtralenden Hitze verurſachte Bewegung. Scheele glaubte, dieſe Hitze beſtehe aus Feuerluft und Phlogiſton, und verwandle ſich durch Verbindung mit mehrerm Phlogiſton in Licht. In Herrn de Luͤc Syſtem, ſ. Feuer (Th. II. S. 225.), wo das Licht fuͤr das Vehikel (fluide deferent) des Feuers angenommen wird, fuͤhrt daſſelbe die Subſtanz des Feuers nach ſeinen Geſetzen, alſo in geraden und unter gleichen Winkeln reflectirten Stralen, mit ſich fort; wenn aber beyde einen durchſichtigen Koͤrper antreffen, ſo geht das Licht hindurch, das Feuer hingegen bleibt entweder an der Flaͤche des Koͤrpers, oder es wird mit einem Theile des Lichts reflectirt. Nach Elliots Meinung, die auch Baader annimmt, geht die Waͤrme durch den Zuſtand der ſtralenden Hitze in Licht uͤber, ſo wie ſich Licht, wenn es von den Koͤrpern angenommen und aufgeloͤſet wird, wieder in Waͤrmeſtof verwandelt. Aber wir ſind mit dem wahren Verhaͤltniſſe zwiſchen Licht und Waͤrme noch viel zu unbekannt, als daß wir Fragen dieſer Art entſcheiden koͤnnten. Pictet ſagt ſehr gut, wo die (freye) Waͤrme nur Poren antreffe, ſey ſie ſtralend, wo ſie Materie finde, mitgetheilt oder fortgepflanzt (propagée). Uebrigens fand er die ſtralende Hitze ſo ſchnell, daß ihm ihre Fortpflanzung bis auf 69 Fuß weit nur augenblicklich (inſtantanée) duͤnkte. Sonderbar kam es ihm vor, daß ſeine Spiegel auch die Kaͤlte reflectirten, die er im Brennpunkte durch Eis und Scheidewaſſer hervorbrachte. Das iſt aber, (wie er nach einigem Ueberdenken bald fand) nicht etwa eine eigne ſtralende Kaͤlte, ſondern die Waͤrme des Thermometers, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0564" xml:id="P.4.554" n="554"/><lb/> richtig von der Mittheilung, gab ihr den Namen der <hi rendition="#b">Umherſtralung</hi> (<hi rendition="#aq">Radiatio</hi>), und nannte die ſo bewegte Waͤrme <hi rendition="#b">ſtralende Hitze</hi> (<hi rendition="#aq">calor radians, <hi rendition="#i">chaleur radiante</hi></hi>).</p> <p>Dieſes Stralen der Waͤrme ſcheint uͤberall ſtatt zu haben, wo freyer Waͤrmeſtof in uͤberfluͤßiger Menge vorhanden iſt, und von dem erhitzten Koͤrper und dem umgebenden Mittel nicht voͤllig aufgenommen werden kan. Vielleicht iſt das, was man im kochenden Waſſer wie Faͤden aufſteigen ſieht, und ſonſt fuͤr Feuer hielt (<hi rendition="#b">ſ. Sieden</hi>), nichts anders, als eine von dieſer ſtralenden Hitze verurſachte Bewegung. <hi rendition="#b">Scheele</hi> glaubte, dieſe Hitze beſtehe aus Feuerluft und Phlogiſton, und verwandle ſich durch Verbindung mit mehrerm Phlogiſton in Licht. In Herrn <hi rendition="#b">de Luͤc</hi> Syſtem, <hi rendition="#b">ſ. Feuer</hi> (Th. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 225.), wo das Licht fuͤr das Vehikel (<hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">fluide deferent</hi></hi>) des Feuers angenommen wird, fuͤhrt daſſelbe die Subſtanz des Feuers nach ſeinen Geſetzen, alſo in geraden und unter gleichen Winkeln reflectirten Stralen, mit ſich fort; wenn aber beyde einen durchſichtigen Koͤrper antreffen, ſo geht das Licht hindurch, das Feuer hingegen bleibt entweder an der Flaͤche des Koͤrpers, oder es wird mit einem Theile des Lichts reflectirt. Nach <hi rendition="#b">Elliots</hi> Meinung, die auch <hi rendition="#b">Baader</hi> annimmt, geht die Waͤrme durch den Zuſtand der ſtralenden Hitze in Licht uͤber, ſo wie ſich Licht, wenn es von den Koͤrpern angenommen und aufgeloͤſet wird, wieder in Waͤrmeſtof verwandelt. Aber wir ſind mit dem wahren Verhaͤltniſſe zwiſchen Licht und Waͤrme noch viel zu unbekannt, als daß wir Fragen dieſer Art entſcheiden koͤnnten.</p> <p><hi rendition="#b">Pictet</hi> ſagt ſehr gut, wo die (freye) Waͤrme nur Poren antreffe, ſey ſie <hi rendition="#b">ſtralend,</hi> wo ſie Materie finde, <hi rendition="#b">mitgetheilt</hi> oder fortgepflanzt (<hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">propagée</hi></hi>). Uebrigens fand er die ſtralende Hitze ſo ſchnell, daß ihm ihre Fortpflanzung bis auf 69 Fuß weit nur augenblicklich (<hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">inſtantanée</hi></hi>) duͤnkte. Sonderbar kam es ihm vor, daß ſeine Spiegel auch die <hi rendition="#b">Kaͤlte</hi> reflectirten, die er im Brennpunkte durch Eis und Scheidewaſſer hervorbrachte. Das iſt aber, (wie er nach einigem Ueberdenken bald fand) nicht etwa eine eigne ſtralende Kaͤlte, ſondern die Waͤrme des Thermometers,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [554/0564]
richtig von der Mittheilung, gab ihr den Namen der Umherſtralung (Radiatio), und nannte die ſo bewegte Waͤrme ſtralende Hitze (calor radians, chaleur radiante).
Dieſes Stralen der Waͤrme ſcheint uͤberall ſtatt zu haben, wo freyer Waͤrmeſtof in uͤberfluͤßiger Menge vorhanden iſt, und von dem erhitzten Koͤrper und dem umgebenden Mittel nicht voͤllig aufgenommen werden kan. Vielleicht iſt das, was man im kochenden Waſſer wie Faͤden aufſteigen ſieht, und ſonſt fuͤr Feuer hielt (ſ. Sieden), nichts anders, als eine von dieſer ſtralenden Hitze verurſachte Bewegung. Scheele glaubte, dieſe Hitze beſtehe aus Feuerluft und Phlogiſton, und verwandle ſich durch Verbindung mit mehrerm Phlogiſton in Licht. In Herrn de Luͤc Syſtem, ſ. Feuer (Th. II. S. 225.), wo das Licht fuͤr das Vehikel (fluide deferent) des Feuers angenommen wird, fuͤhrt daſſelbe die Subſtanz des Feuers nach ſeinen Geſetzen, alſo in geraden und unter gleichen Winkeln reflectirten Stralen, mit ſich fort; wenn aber beyde einen durchſichtigen Koͤrper antreffen, ſo geht das Licht hindurch, das Feuer hingegen bleibt entweder an der Flaͤche des Koͤrpers, oder es wird mit einem Theile des Lichts reflectirt. Nach Elliots Meinung, die auch Baader annimmt, geht die Waͤrme durch den Zuſtand der ſtralenden Hitze in Licht uͤber, ſo wie ſich Licht, wenn es von den Koͤrpern angenommen und aufgeloͤſet wird, wieder in Waͤrmeſtof verwandelt. Aber wir ſind mit dem wahren Verhaͤltniſſe zwiſchen Licht und Waͤrme noch viel zu unbekannt, als daß wir Fragen dieſer Art entſcheiden koͤnnten.
Pictet ſagt ſehr gut, wo die (freye) Waͤrme nur Poren antreffe, ſey ſie ſtralend, wo ſie Materie finde, mitgetheilt oder fortgepflanzt (propagée). Uebrigens fand er die ſtralende Hitze ſo ſchnell, daß ihm ihre Fortpflanzung bis auf 69 Fuß weit nur augenblicklich (inſtantanée) duͤnkte. Sonderbar kam es ihm vor, daß ſeine Spiegel auch die Kaͤlte reflectirten, die er im Brennpunkte durch Eis und Scheidewaſſer hervorbrachte. Das iſt aber, (wie er nach einigem Ueberdenken bald fand) nicht etwa eine eigne ſtralende Kaͤlte, ſondern die Waͤrme des Thermometers,
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