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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

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wird, daß der Wasserdampf aus reiner und brennbarer Luft bestehe, und daß man die beym Verbrennen entstehende Hitze zum Maaße der comparativen Wärme brauchen könne, welches alles noch wichtigen Zweifeln unterworfen ist. Ueberdies ist es nicht entschieden, ob die beym Ausathmen erscheinende fixe Luft durch ihre Verbindung mit Phlogiston aus der reinen Luft entstehe, oder ob sie ein Educt aus dem thierischen Körper und seinen Theilen sey. Mithin beruhen alle diese Hauptsätze des Systems auf sehr unstchern Gründen.

Den Einwurf, daß die geglaubte Menge absoluter Wärme in der reinen Luft sehr zusammenschwinde, wenn man sie mit der comparativen Wärme des Wassers, nicht bey gleichen Gewichten, sondern unter gleichen Räumen, vergleiche, würde ich doch gegen Crawford nicht brauchen. Es ist wahr, daß sie dann gegen das Wasser von 4 3/4 bis auf (1/168) herabsinkt; aber die Wärmen der fixen Luft und des Dampfs sinken alsdann fast in eben dem Verhältnisse herab, und stehen gegen die Wärme der reinen Luft wenig anders, als vorher bey gleichen Massen.

Dagegen ist der allgemeine Satz, daß jede Verbindung mit Phlogiston die Capacität oder Menge der absoluten Wärme vermindere, keinesweges erwiesen, und selbst nach Crawfords Versuchen beträchtlichen Ausnahmen unterworfen, s. Wärme, specifische. Auch müßten nach diesem Satze die Theile des Körpers, welche ihr Phlogiston an das Blut abgeben, dadurch eine größere Capacität erlangen, und die Wärme, welche das Blut fahren läßt, so verschlucken, daß keine fühlbare Wärme mehr übrig bliebe. Nimmt man endlich mit Herrn Gren an, daß beym Ausathmen die fixe Luft und der Wasserdampf aus dem Körper kommen, und die Luft- und Dampfform erst durch die Operation des Athmens erhalten, so wird eine sehr große Menge freyer Wärme bey Hervorbringung dieser Formen verlohren gehen, welches die Entstehung und Unterhaltung der fühlbaren Wärme durchs Athmen eher unwahrscheinlich macht.

Herr Gren (Journal der Physik 1790. 2tes Heft, S. 196.) zieht daher noch immer die Behauptung vor, daß die


wird, daß der Waſſerdampf aus reiner und brennbarer Luft beſtehe, und daß man die beym Verbrennen entſtehende Hitze zum Maaße der comparativen Waͤrme brauchen koͤnne, welches alles noch wichtigen Zweifeln unterworfen iſt. Ueberdies iſt es nicht entſchieden, ob die beym Ausathmen erſcheinende fixe Luft durch ihre Verbindung mit Phlogiſton aus der reinen Luft entſtehe, oder ob ſie ein Educt aus dem thieriſchen Koͤrper und ſeinen Theilen ſey. Mithin beruhen alle dieſe Hauptſaͤtze des Syſtems auf ſehr unſtchern Gruͤnden.

Den Einwurf, daß die geglaubte Menge abſoluter Waͤrme in der reinen Luft ſehr zuſammenſchwinde, wenn man ſie mit der comparativen Waͤrme des Waſſers, nicht bey gleichen Gewichten, ſondern unter gleichen Raͤumen, vergleiche, wuͤrde ich doch gegen Crawford nicht brauchen. Es iſt wahr, daß ſie dann gegen das Waſſer von 4 3/4 bis auf (1/168) herabſinkt; aber die Waͤrmen der fixen Luft und des Dampfs ſinken alsdann faſt in eben dem Verhaͤltniſſe herab, und ſtehen gegen die Waͤrme der reinen Luft wenig anders, als vorher bey gleichen Maſſen.

Dagegen iſt der allgemeine Satz, daß jede Verbindung mit Phlogiſton die Capacitaͤt oder Menge der abſoluten Waͤrme vermindere, keinesweges erwieſen, und ſelbſt nach Crawfords Verſuchen betraͤchtlichen Ausnahmen unterworfen, ſ. Waͤrme, ſpecifiſche. Auch muͤßten nach dieſem Satze die Theile des Koͤrpers, welche ihr Phlogiſton an das Blut abgeben, dadurch eine groͤßere Capacitaͤt erlangen, und die Waͤrme, welche das Blut fahren laͤßt, ſo verſchlucken, daß keine fuͤhlbare Waͤrme mehr uͤbrig bliebe. Nimmt man endlich mit Herrn Gren an, daß beym Ausathmen die fixe Luft und der Waſſerdampf aus dem Koͤrper kommen, und die Luft- und Dampfform erſt durch die Operation des Athmens erhalten, ſo wird eine ſehr große Menge freyer Waͤrme bey Hervorbringung dieſer Formen verlohren gehen, welches die Entſtehung und Unterhaltung der fuͤhlbaren Waͤrme durchs Athmen eher unwahrſcheinlich macht.

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[595/0605] wird, daß der Waſſerdampf aus reiner und brennbarer Luft beſtehe, und daß man die beym Verbrennen entſtehende Hitze zum Maaße der comparativen Waͤrme brauchen koͤnne, welches alles noch wichtigen Zweifeln unterworfen iſt. Ueberdies iſt es nicht entſchieden, ob die beym Ausathmen erſcheinende fixe Luft durch ihre Verbindung mit Phlogiſton aus der reinen Luft entſtehe, oder ob ſie ein Educt aus dem thieriſchen Koͤrper und ſeinen Theilen ſey. Mithin beruhen alle dieſe Hauptſaͤtze des Syſtems auf ſehr unſtchern Gruͤnden. Den Einwurf, daß die geglaubte Menge abſoluter Waͤrme in der reinen Luft ſehr zuſammenſchwinde, wenn man ſie mit der comparativen Waͤrme des Waſſers, nicht bey gleichen Gewichten, ſondern unter gleichen Raͤumen, vergleiche, wuͤrde ich doch gegen Crawford nicht brauchen. Es iſt wahr, daß ſie dann gegen das Waſſer von 4 3/4 bis auf (1/168) herabſinkt; aber die Waͤrmen der fixen Luft und des Dampfs ſinken alsdann faſt in eben dem Verhaͤltniſſe herab, und ſtehen gegen die Waͤrme der reinen Luft wenig anders, als vorher bey gleichen Maſſen. Dagegen iſt der allgemeine Satz, daß jede Verbindung mit Phlogiſton die Capacitaͤt oder Menge der abſoluten Waͤrme vermindere, keinesweges erwieſen, und ſelbſt nach Crawfords Verſuchen betraͤchtlichen Ausnahmen unterworfen, ſ. Waͤrme, ſpecifiſche. Auch muͤßten nach dieſem Satze die Theile des Koͤrpers, welche ihr Phlogiſton an das Blut abgeben, dadurch eine groͤßere Capacitaͤt erlangen, und die Waͤrme, welche das Blut fahren laͤßt, ſo verſchlucken, daß keine fuͤhlbare Waͤrme mehr uͤbrig bliebe. Nimmt man endlich mit Herrn Gren an, daß beym Ausathmen die fixe Luft und der Waſſerdampf aus dem Koͤrper kommen, und die Luft- und Dampfform erſt durch die Operation des Athmens erhalten, ſo wird eine ſehr große Menge freyer Waͤrme bey Hervorbringung dieſer Formen verlohren gehen, welches die Entſtehung und Unterhaltung der fuͤhlbaren Waͤrme durchs Athmen eher unwahrſcheinlich macht. Herr Gren (Journal der Phyſik 1790. 2tes Heft, S. 196.) zieht daher noch immer die Behauptung vor, daß die

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 595. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/605>, abgerufen am 28.07.2024.