Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Da sich beyde Pole dem Durchmesser nach entgegenstehen, so fällt jedem Orte der Erde nur einer derselben über den Horizont. Nur in der geraden Sphäre, oder unter dem Aequator der Erde, scheinen beyde Pole im Horizonte selbst zu liegen, s. Sphäre. Der in unsern Ländern sichtbare P heißt der Nordpol, auch der mitternächtliche oder von dem ihm nahen Sternbilde des Bäres ([fremdsprachliches Material]) der arktische Pol (Polus septemtrionalis, borealis, arcticus, Pole septentrional, boreal); der entgegengesetzte S der Südpol, der mittägliche, antarktische Pol (Polus meridionalis, australis, antarcticus, Pole meridional, austral). Die Römer übersetzen das griechische [fremdsprachliches Material] durch Vertex (Cic. de Nat. Deor II. 41.); so sagt Virgil (Georg. II. 242.)

Hic vertex nobis semper sublimis, at illum

Sub pedibus Styx atra videt, manesque profundi.

Oft setzen auch die Dichter Axis für den Nordpol, wie axis inocciduus beym Lucan (Pharsal. I. 175.).

Die Stelle des Nordpols am Himmel ohngefähr zu finden, dient der Polarstern. Hat man diesen nach der im Artikel Polarstern gegebenen Anleitung aufgesucht, so hat man die Stelle des Nordpols anjetzt fast zwey Grad weit von demselben, in gerader Linie nach dem dritten Sterne s im Schwanze des großen Bären oder nach dem Innersten der Deichsel des Himmelswagens zu. Um sie genauer zu finden, müßte man Mittagslinie und Polhöhe suchen, und die Axe eines Fernrohrs dem gemäß richten.

Größte Kreise durch die Weltpole geführt, stehen auf dem Aequator senkrecht, und heissen Abweichungskreise, weil auf ihnen die Abweichung der Gestirne gemessen wird, Stundenkreise, wenn sie in der unbeweglichen Himmelsfläche betrachtet werden. Zu jenen gehören die Koluren, zu diesen der Mittagskreis, der sechste Stundenkreis, welcher durch den Morgen- und Abendpunkt geht, u. s. w.

Die Stellen der Weltpole werden durch die Lage der Erdaxe bestimmt, von der die Weltaxe eine Verlängerung ist. Nun verändert sich die Lage der Erdaxe gegen die Fixsterne


Da ſich beyde Pole dem Durchmeſſer nach entgegenſtehen, ſo faͤllt jedem Orte der Erde nur einer derſelben uͤber den Horizont. Nur in der geraden Sphaͤre, oder unter dem Aequator der Erde, ſcheinen beyde Pole im Horizonte ſelbſt zu liegen, ſ. Sphaͤre. Der in unſern Laͤndern ſichtbare P heißt der Nordpol, auch der mitternaͤchtliche oder von dem ihm nahen Sternbilde des Baͤres ([fremdsprachliches Material]) der arktiſche Pol (Polus ſeptemtrionalis, borealis, arcticus, Pole ſeptentrional, boréal); der entgegengeſetzte S der Suͤdpol, der mittaͤgliche, antarktiſche Pol (Polus meridionalis, auſtralis, antarcticus, Pole méridional, auſtral). Die Roͤmer uͤberſetzen das griechiſche [fremdsprachliches Material] durch Vertex (Cic. de Nat. Deor II. 41.); ſo ſagt Virgil (Georg. II. 242.)

Hic vertex nobis ſemper ſublimis, at illum

Sub pedibus Styx atra videt, manesque profundi.

Oft ſetzen auch die Dichter Axis fuͤr den Nordpol, wie axis inocciduus beym Lucan (Pharſal. I. 175.).

Die Stelle des Nordpols am Himmel ohngefaͤhr zu finden, dient der Polarſtern. Hat man dieſen nach der im Artikel Polarſtern gegebenen Anleitung aufgeſucht, ſo hat man die Stelle des Nordpols anjetzt faſt zwey Grad weit von demſelben, in gerader Linie nach dem dritten Sterne s im Schwanze des großen Baͤren oder nach dem Innerſten der Deichſel des Himmelswagens zu. Um ſie genauer zu finden, muͤßte man Mittagslinie und Polhoͤhe ſuchen, und die Axe eines Fernrohrs dem gemaͤß richten.

Groͤßte Kreiſe durch die Weltpole gefuͤhrt, ſtehen auf dem Aequator ſenkrecht, und heiſſen Abweichungskreiſe, weil auf ihnen die Abweichung der Geſtirne gemeſſen wird, Stundenkreiſe, wenn ſie in der unbeweglichen Himmelsflaͤche betrachtet werden. Zu jenen gehoͤren die Koluren, zu dieſen der Mittagskreis, der ſechſte Stundenkreis, welcher durch den Morgen- und Abendpunkt geht, u. ſ. w.

Die Stellen der Weltpole werden durch die Lage der Erdaxe beſtimmt, von der die Weltaxe eine Verlaͤngerung iſt. Nun veraͤndert ſich die Lage der Erdaxe gegen die Fixſterne

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p>
              <pb facs="#f0711" xml:id="P.4.701" n="701"/><lb/>
            </p>
            <p>Da &#x017F;ich beyde Pole dem Durchme&#x017F;&#x017F;er nach entgegen&#x017F;tehen, &#x017F;o fa&#x0364;llt jedem Orte der Erde nur einer der&#x017F;elben u&#x0364;ber den Horizont. Nur in der geraden Spha&#x0364;re, oder unter dem Aequator der Erde, &#x017F;cheinen beyde Pole im Horizonte &#x017F;elb&#x017F;t zu liegen, <hi rendition="#b">&#x017F;. Spha&#x0364;re.</hi> Der in un&#x017F;ern La&#x0364;ndern &#x017F;ichtbare <hi rendition="#aq">P</hi> heißt der <hi rendition="#b">Nordpol,</hi> auch der <hi rendition="#b">mitterna&#x0364;chtliche</hi> oder von dem ihm nahen Sternbilde des Ba&#x0364;res (<foreign xml:lang="grc"><gap reason="fm"/><note type="editorial">a)/rk&lt;*&gt;os</note></foreign>) der <hi rendition="#b">arkti&#x017F;che Pol</hi> (<hi rendition="#aq">Polus &#x017F;eptemtrionalis, borealis, arcticus, <hi rendition="#i">Pole &#x017F;eptentrional, boréal</hi></hi>); der entgegenge&#x017F;etzte <hi rendition="#aq">S</hi> der <hi rendition="#b">Su&#x0364;dpol,</hi> der <hi rendition="#b">mitta&#x0364;gliche, antarkti&#x017F;che Pol</hi> (<hi rendition="#aq">Polus meridionalis, au&#x017F;tralis, antarcticus, <hi rendition="#i">Pole méridional,  au&#x017F;tral</hi></hi>). Die Ro&#x0364;mer u&#x0364;ber&#x017F;etzen das griechi&#x017F;che <foreign xml:lang="grc"><gap reason="fm"/><note type="editorial">po/los</note></foreign> durch <hi rendition="#aq">Vertex (Cic. de Nat. Deor II. 41.);</hi> &#x017F;o &#x017F;agt <hi rendition="#b">Virgil</hi> (<hi rendition="#aq">Georg. II. 242.</hi>)</p>
            <p> <hi rendition="#aq">Hic <hi rendition="#i">vertex</hi> nobis &#x017F;emper &#x017F;ublimis, at illum</hi> </p>
            <p> <hi rendition="#aq">Sub pedibus Styx atra videt, manesque profundi.</hi> </p>
            <p>Oft &#x017F;etzen auch die Dichter <hi rendition="#aq">Axis</hi> fu&#x0364;r den Nordpol, wie <hi rendition="#aq">axis inocciduus</hi> beym <hi rendition="#b">Lucan</hi> (<hi rendition="#aq">Phar&#x017F;al. I. 175.</hi>).</p>
            <p>Die Stelle des Nordpols am Himmel ohngefa&#x0364;hr zu finden, dient der Polar&#x017F;tern. Hat man die&#x017F;en nach der im Artikel <hi rendition="#b">Polar&#x017F;tern</hi> gegebenen Anleitung aufge&#x017F;ucht, &#x017F;o hat man die Stelle des Nordpols anjetzt fa&#x017F;t zwey Grad weit von dem&#x017F;elben, in gerader Linie nach dem dritten Sterne s im Schwanze des großen Ba&#x0364;ren oder nach dem Inner&#x017F;ten der Deich&#x017F;el des Himmelswagens zu. Um &#x017F;ie genauer zu finden, mu&#x0364;ßte man Mittagslinie und Polho&#x0364;he &#x017F;uchen, und die Axe eines Fernrohrs dem gema&#x0364;ß richten.</p>
            <p>Gro&#x0364;ßte Krei&#x017F;e durch die Weltpole gefu&#x0364;hrt, &#x017F;tehen auf dem Aequator &#x017F;enkrecht, und hei&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#b">Abweichungskrei&#x017F;e,</hi> weil auf ihnen die Abweichung der Ge&#x017F;tirne geme&#x017F;&#x017F;en wird, <hi rendition="#b">Stundenkrei&#x017F;e,</hi> wenn &#x017F;ie in der unbeweglichen Himmelsfla&#x0364;che betrachtet werden. Zu jenen geho&#x0364;ren die <hi rendition="#b">Koluren,</hi> zu die&#x017F;en der <hi rendition="#b">Mittagskreis,</hi> der &#x017F;ech&#x017F;te Stundenkreis, welcher durch den Morgen- und Abendpunkt geht, u. &#x017F;. w.</p>
            <p>Die Stellen der Weltpole werden durch die Lage der Erdaxe be&#x017F;timmt, von der die Weltaxe eine Verla&#x0364;ngerung i&#x017F;t. Nun vera&#x0364;ndert &#x017F;ich die Lage der Erdaxe gegen die Fix&#x017F;terne<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[701/0711] Da ſich beyde Pole dem Durchmeſſer nach entgegenſtehen, ſo faͤllt jedem Orte der Erde nur einer derſelben uͤber den Horizont. Nur in der geraden Sphaͤre, oder unter dem Aequator der Erde, ſcheinen beyde Pole im Horizonte ſelbſt zu liegen, ſ. Sphaͤre. Der in unſern Laͤndern ſichtbare P heißt der Nordpol, auch der mitternaͤchtliche oder von dem ihm nahen Sternbilde des Baͤres (_ ) der arktiſche Pol (Polus ſeptemtrionalis, borealis, arcticus, Pole ſeptentrional, boréal); der entgegengeſetzte S der Suͤdpol, der mittaͤgliche, antarktiſche Pol (Polus meridionalis, auſtralis, antarcticus, Pole méridional, auſtral). Die Roͤmer uͤberſetzen das griechiſche _ durch Vertex (Cic. de Nat. Deor II. 41.); ſo ſagt Virgil (Georg. II. 242.) Hic vertex nobis ſemper ſublimis, at illum Sub pedibus Styx atra videt, manesque profundi. Oft ſetzen auch die Dichter Axis fuͤr den Nordpol, wie axis inocciduus beym Lucan (Pharſal. I. 175.). Die Stelle des Nordpols am Himmel ohngefaͤhr zu finden, dient der Polarſtern. Hat man dieſen nach der im Artikel Polarſtern gegebenen Anleitung aufgeſucht, ſo hat man die Stelle des Nordpols anjetzt faſt zwey Grad weit von demſelben, in gerader Linie nach dem dritten Sterne s im Schwanze des großen Baͤren oder nach dem Innerſten der Deichſel des Himmelswagens zu. Um ſie genauer zu finden, muͤßte man Mittagslinie und Polhoͤhe ſuchen, und die Axe eines Fernrohrs dem gemaͤß richten. Groͤßte Kreiſe durch die Weltpole gefuͤhrt, ſtehen auf dem Aequator ſenkrecht, und heiſſen Abweichungskreiſe, weil auf ihnen die Abweichung der Geſtirne gemeſſen wird, Stundenkreiſe, wenn ſie in der unbeweglichen Himmelsflaͤche betrachtet werden. Zu jenen gehoͤren die Koluren, zu dieſen der Mittagskreis, der ſechſte Stundenkreis, welcher durch den Morgen- und Abendpunkt geht, u. ſ. w. Die Stellen der Weltpole werden durch die Lage der Erdaxe beſtimmt, von der die Weltaxe eine Verlaͤngerung iſt. Nun veraͤndert ſich die Lage der Erdaxe gegen die Fixſterne

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/711
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 701. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/711>, abgerufen am 22.11.2024.