Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite


Theorie wichtige Zweifel erhoben, und seine Angaben großer Unrichtigkeiten beschuldiget, z. B. er gebe die Abweichung zu Dublin 19° W. an; sie sey aber im May 1791 27° 23' gewesen.

Ueber die tägliche Variation der Magnetnadel hat Cassini von 1783 bis 1789 genauere Beobachtungen, als alle seine Vorgänger, angestellt, und daraus Resultate hergeleitet, welche von dem Gange der Boussole überhaupt ganz veränderte Begriffe geben. Ich kan hier nur das Hauptsächlichste davon mittheilen (De la declinaison et des variations de l'aiguille aimantee par Mr. Cassini. Paris, 1791. 4.)

Vom Mittag bis Nachmittags um 3 Uhr steht die Nadel gewöhnlich still; sie geht aber hernach bis Abends um 8 Uhr etwas näher gegen den Mitternachtspunkt, und bleibt so die ganze Nacht hindurch bis gegen 8 Uhr Morgens stehen. Um diese Zeit kehrt sie wieder zurück, und entfernt sich bis gegen Mittag vom Mitternachtspunkte beynahe um eben so viel, als sie sich Tags zuvor demselben genähert hatte. Diese oscillatorische Bewegung dauert Tag für Tag ununterbrochen fort.

Hätte nun die Magnetnadel keine Bewegung weiter, als diese Oscillation, so würden ihre Richtungen an den Grenzen derselben, oder ihre größte und kleinste westliche Abweichung fast immer dieselbigen seyn. Da aber die Nadel seit einem Jahrhunderte eine beständige gegen Westen fortschreitende Bewegung hat, so muß die tägliche Richtung in den beyden äußersten Grenzen sich allmählich von den Punkten, wo sie vorher stand, entfernen, und weiter gegen Westen rücken. Dieses geschiehet nun auch wirklich, aber wiederum auf eine sehr ungleichförmige Art.

Der größte Unterschied zwischen der östlichsten und westlichsten Richtung der Nadel ist sehr ungleich. In dem Zwischenraume einer Woche ist er fast immer unter 3 Minuten, und steigt selten bis 5 Minuten. In einem Monate wechselt er von 4 bis 8 Minuten, und scheint im May, Iunius, Iulius und August am größten zu seyn. In einem Jahre ist er von 17 bis 23 Minuten veränderlich. Um die fortschreitende Bewegung der Nadel gegen Westen von Jahr zu


Theorie wichtige Zweifel erhoben, und ſeine Angaben großer Unrichtigkeiten beſchuldiget, z. B. er gebe die Abweichung zu Dublin 19° W. an; ſie ſey aber im May 1791 27° 23′ geweſen.

Ueber die taͤgliche Variation der Magnetnadel hat Caſſini von 1783 bis 1789 genauere Beobachtungen, als alle ſeine Vorgaͤnger, angeſtellt, und daraus Reſultate hergeleitet, welche von dem Gange der Bouſſole uͤberhaupt ganz veraͤnderte Begriffe geben. Ich kan hier nur das Hauptſaͤchlichſte davon mittheilen (De la declinaiſon et des variations de l'aiguille aimantée par Mr. Caſſini. Paris, 1791. 4.)

Vom Mittag bis Nachmittags um 3 Uhr ſteht die Nadel gewoͤhnlich ſtill; ſie geht aber hernach bis Abends um 8 Uhr etwas naͤher gegen den Mitternachtspunkt, und bleibt ſo die ganze Nacht hindurch bis gegen 8 Uhr Morgens ſtehen. Um dieſe Zeit kehrt ſie wieder zuruͤck, und entfernt ſich bis gegen Mittag vom Mitternachtspunkte beynahe um eben ſo viel, als ſie ſich Tags zuvor demſelben genaͤhert hatte. Dieſe oſcillatoriſche Bewegung dauert Tag fuͤr Tag ununterbrochen fort.

Haͤtte nun die Magnetnadel keine Bewegung weiter, als dieſe Oſcillation, ſo wuͤrden ihre Richtungen an den Grenzen derſelben, oder ihre groͤßte und kleinſte weſtliche Abweichung faſt immer dieſelbigen ſeyn. Da aber die Nadel ſeit einem Jahrhunderte eine beſtaͤndige gegen Weſten fortſchreitende Bewegung hat, ſo muß die taͤgliche Richtung in den beyden aͤußerſten Grenzen ſich allmaͤhlich von den Punkten, wo ſie vorher ſtand, entfernen, und weiter gegen Weſten ruͤcken. Dieſes geſchiehet nun auch wirklich, aber wiederum auf eine ſehr ungleichfoͤrmige Art.

Der groͤßte Unterſchied zwiſchen der oͤſtlichſten und weſtlichſten Richtung der Nadel iſt ſehr ungleich. In dem Zwiſchenraume einer Woche iſt er faſt immer unter 3 Minuten, und ſteigt ſelten bis 5 Minuten. In einem Monate wechſelt er von 4 bis 8 Minuten, und ſcheint im May, Iunius, Iulius und Auguſt am groͤßten zu ſeyn. In einem Jahre iſt er von 17 bis 23 Minuten veraͤnderlich. Um die fortſchreitende Bewegung der Nadel gegen Weſten von Jahr zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="2">
              <p><pb facs="#f0018" xml:id="P.5.6" n="6"/><lb/>
Theorie wichtige Zweifel erhoben, und &#x017F;eine Angaben großer Unrichtigkeiten be&#x017F;chuldiget, z. B. er gebe die Abweichung zu Dublin 19° <hi rendition="#aq">W.</hi> an; &#x017F;ie &#x017F;ey aber im May 1791 27° 23&#x2032; gewe&#x017F;en.</p>
              <p>Ueber die <hi rendition="#b">ta&#x0364;gliche Variation</hi> der Magnetnadel hat <hi rendition="#b">Ca&#x017F;&#x017F;ini</hi> von 1783 bis 1789 genauere Beobachtungen, als alle &#x017F;eine Vorga&#x0364;nger, ange&#x017F;tellt, und daraus Re&#x017F;ultate hergeleitet, welche von dem Gange der Bou&#x017F;&#x017F;ole u&#x0364;berhaupt ganz vera&#x0364;nderte Begriffe geben. Ich kan hier nur das Haupt&#x017F;a&#x0364;chlich&#x017F;te davon mittheilen <hi rendition="#aq">(De la declinai&#x017F;on et des variations de l'aiguille aimantée par Mr. <hi rendition="#i">Ca&#x017F;&#x017F;ini.</hi> Paris, 1791. 4.)</hi></p>
              <p>Vom Mittag bis Nachmittags um 3 Uhr &#x017F;teht die Nadel gewo&#x0364;hnlich &#x017F;till; &#x017F;ie geht aber hernach bis Abends um 8 Uhr etwas na&#x0364;her gegen den Mitternachtspunkt, und bleibt &#x017F;o die ganze Nacht hindurch bis gegen 8 Uhr Morgens &#x017F;tehen. Um die&#x017F;e Zeit kehrt &#x017F;ie wieder zuru&#x0364;ck, und entfernt &#x017F;ich bis gegen Mittag vom Mitternachtspunkte beynahe um eben &#x017F;o viel, als &#x017F;ie &#x017F;ich Tags zuvor dem&#x017F;elben gena&#x0364;hert hatte. Die&#x017F;e o&#x017F;cillatori&#x017F;che Bewegung dauert Tag fu&#x0364;r Tag ununterbrochen fort.</p>
              <p>Ha&#x0364;tte nun die Magnetnadel keine Bewegung weiter, als die&#x017F;e O&#x017F;cillation, &#x017F;o wu&#x0364;rden ihre Richtungen an den Grenzen der&#x017F;elben, oder ihre gro&#x0364;ßte und klein&#x017F;te we&#x017F;tliche Abweichung fa&#x017F;t immer die&#x017F;elbigen &#x017F;eyn. Da aber die Nadel &#x017F;eit einem Jahrhunderte eine be&#x017F;ta&#x0364;ndige gegen We&#x017F;ten fort&#x017F;chreitende Bewegung hat, &#x017F;o muß die ta&#x0364;gliche Richtung in den beyden a&#x0364;ußer&#x017F;ten Grenzen &#x017F;ich allma&#x0364;hlich von den Punkten, wo &#x017F;ie vorher &#x017F;tand, entfernen, und weiter gegen We&#x017F;ten ru&#x0364;cken. Die&#x017F;es ge&#x017F;chiehet nun auch wirklich, aber wiederum auf eine &#x017F;ehr ungleichfo&#x0364;rmige Art.</p>
              <p>Der gro&#x0364;ßte Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen der o&#x0364;&#x017F;tlich&#x017F;ten und we&#x017F;tlich&#x017F;ten Richtung der Nadel i&#x017F;t &#x017F;ehr ungleich. In dem Zwi&#x017F;chenraume einer Woche i&#x017F;t er fa&#x017F;t immer unter 3 Minuten, und &#x017F;teigt &#x017F;elten bis 5 Minuten. In einem Monate wech&#x017F;elt er von 4 bis 8 Minuten, und &#x017F;cheint im May, Iunius, Iulius und Augu&#x017F;t am gro&#x0364;ßten zu &#x017F;eyn. In einem Jahre i&#x017F;t er von 17 bis 23 Minuten vera&#x0364;nderlich. Um die fort&#x017F;chreitende Bewegung der Nadel gegen We&#x017F;ten von Jahr zu<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[6/0018] Theorie wichtige Zweifel erhoben, und ſeine Angaben großer Unrichtigkeiten beſchuldiget, z. B. er gebe die Abweichung zu Dublin 19° W. an; ſie ſey aber im May 1791 27° 23′ geweſen. Ueber die taͤgliche Variation der Magnetnadel hat Caſſini von 1783 bis 1789 genauere Beobachtungen, als alle ſeine Vorgaͤnger, angeſtellt, und daraus Reſultate hergeleitet, welche von dem Gange der Bouſſole uͤberhaupt ganz veraͤnderte Begriffe geben. Ich kan hier nur das Hauptſaͤchlichſte davon mittheilen (De la declinaiſon et des variations de l'aiguille aimantée par Mr. Caſſini. Paris, 1791. 4.) Vom Mittag bis Nachmittags um 3 Uhr ſteht die Nadel gewoͤhnlich ſtill; ſie geht aber hernach bis Abends um 8 Uhr etwas naͤher gegen den Mitternachtspunkt, und bleibt ſo die ganze Nacht hindurch bis gegen 8 Uhr Morgens ſtehen. Um dieſe Zeit kehrt ſie wieder zuruͤck, und entfernt ſich bis gegen Mittag vom Mitternachtspunkte beynahe um eben ſo viel, als ſie ſich Tags zuvor demſelben genaͤhert hatte. Dieſe oſcillatoriſche Bewegung dauert Tag fuͤr Tag ununterbrochen fort. Haͤtte nun die Magnetnadel keine Bewegung weiter, als dieſe Oſcillation, ſo wuͤrden ihre Richtungen an den Grenzen derſelben, oder ihre groͤßte und kleinſte weſtliche Abweichung faſt immer dieſelbigen ſeyn. Da aber die Nadel ſeit einem Jahrhunderte eine beſtaͤndige gegen Weſten fortſchreitende Bewegung hat, ſo muß die taͤgliche Richtung in den beyden aͤußerſten Grenzen ſich allmaͤhlich von den Punkten, wo ſie vorher ſtand, entfernen, und weiter gegen Weſten ruͤcken. Dieſes geſchiehet nun auch wirklich, aber wiederum auf eine ſehr ungleichfoͤrmige Art. Der groͤßte Unterſchied zwiſchen der oͤſtlichſten und weſtlichſten Richtung der Nadel iſt ſehr ungleich. In dem Zwiſchenraume einer Woche iſt er faſt immer unter 3 Minuten, und ſteigt ſelten bis 5 Minuten. In einem Monate wechſelt er von 4 bis 8 Minuten, und ſcheint im May, Iunius, Iulius und Auguſt am groͤßten zu ſeyn. In einem Jahre iſt er von 17 bis 23 Minuten veraͤnderlich. Um die fortſchreitende Bewegung der Nadel gegen Weſten von Jahr zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/18
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/18>, abgerufen am 03.12.2024.