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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

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werden; wiewohl man sich oft verstattet, es schlechthin Dampf oder Dunst zu nennen, welches auch, wo es kein Mißverständniß veranlasset, der Kürze halber wohl zugelassen werden kan, da doch keine andern Dämpfe in der Natur so häufig, als die Wasserdämpfe, vorkommen. Die Antiphlogistiker gehen von diesem Sprachgebrauch ab, weil sie die Gasarten für nichts weiter, als gehobne Dämpfe erklären (s. den Zusatz des Art. Ausdünstung, oben S. 96.), und daher den Wasserdampf mit dem Namen Wassergas (Gas aqueux) belegen.

Auch Herr de Luc, der Urheber eines eignen Systems, in welchem der Unterschied zwischen Dämpfen und Luftarten durch andere Kennzeichen bestimmt wird, hat dem gemäß dem Worte Vapeur eine andere etwas ansgebreitete Bedeutung gegeben, nach welcher auch Feuer und elektrisches Fluidum unter die Classe der Dämpfe gehören, weil sie sich von den luftförmigen Stoffen durch eben die Kennzeichen, wie die gewöhnlich sogenannten Dämpfe, unterscheiden.

Hr. de Luc hat freylich für diese Abänderung des Sprachgebrauchs wichtige Gründe. So lange man nur solche elastische Flüßigkeiten betrachtet, die sich in Gefäße einschließen lassen, wie die Wasserdünste und Luftarten sind; so lange braucht man auch, um Dampfform von Luftform zu unterscheiden, weiter kein Kennzeichen, als die Verdichtung durch die Kälte (condensation by the cold) Denn gerade die elastischen Fluida, die wir in unsere Gefäße einzuschließen vermögen, sind alle im Wärmestoff aufgelöset, und haben ihre elastische Form durch Wärmestoff. Wenn man sie nun der Kälte aussetzt, und ihnen dadurch der Wärmestoff vermöge seines Bestrebens nach Gleichgewicht in der Maaße entzogen wird, daß sich ihre Basis daraus niederschlägt, und die elastische Form verliert, so ist das ein Zeichen einer schwächern Verbindung der Basis mit ihrem Auflösungsmittel. Kan aber diese Verbindung nicht durch bloße Berührung kalter Körper aufgehoben werden, so ist die Permanenz der elastischen Form ein Zeichen einer stärkern innigern Verbindung mit dem Wärmestoff, die nicht blos durch dessen Streben nach Gleichgewicht, oder durch mechanische


werden; wiewohl man ſich oft verſtattet, es ſchlechthin Dampf oder Dunſt zu nennen, welches auch, wo es kein Mißverſtaͤndniß veranlaſſet, der Kuͤrze halber wohl zugelaſſen werden kan, da doch keine andern Daͤmpfe in der Natur ſo haͤufig, als die Waſſerdaͤmpfe, vorkommen. Die Antiphlogiſtiker gehen von dieſem Sprachgebrauch ab, weil ſie die Gasarten fuͤr nichts weiter, als gehobne Daͤmpfe erklaͤren (ſ. den Zuſatz des Art. Ausduͤnſtung, oben S. 96.), und daher den Waſſerdampf mit dem Namen Waſſergas (Gas aqueux) belegen.

Auch Herr de Luc, der Urheber eines eignen Syſtems, in welchem der Unterſchied zwiſchen Daͤmpfen und Luftarten durch andere Kennzeichen beſtimmt wird, hat dem gemaͤß dem Worte Vapeur eine andere etwas ansgebreitete Bedeutung gegeben, nach welcher auch Feuer und elektriſches Fluidum unter die Claſſe der Daͤmpfe gehoͤren, weil ſie ſich von den luftfoͤrmigen Stoffen durch eben die Kennzeichen, wie die gewoͤhnlich ſogenannten Daͤmpfe, unterſcheiden.

Hr. de Luc hat freylich fuͤr dieſe Abaͤnderung des Sprachgebrauchs wichtige Gruͤnde. So lange man nur ſolche elaſtiſche Fluͤßigkeiten betrachtet, die ſich in Gefaͤße einſchließen laſſen, wie die Waſſerduͤnſte und Luftarten ſind; ſo lange braucht man auch, um Dampfform von Luftform zu unterſcheiden, weiter kein Kennzeichen, als die Verdichtung durch die Kaͤlte (condenſation by the cold) Denn gerade die elaſtiſchen Fluida, die wir in unſere Gefaͤße einzuſchließen vermoͤgen, ſind alle im Waͤrmeſtoff aufgeloͤſet, und haben ihre elaſtiſche Form durch Waͤrmeſtoff. Wenn man ſie nun der Kaͤlte ausſetzt, und ihnen dadurch der Waͤrmeſtoff vermoͤge ſeines Beſtrebens nach Gleichgewicht in der Maaße entzogen wird, daß ſich ihre Baſis daraus niederſchlaͤgt, und die elaſtiſche Form verliert, ſo iſt das ein Zeichen einer ſchwaͤchern Verbindung der Baſis mit ihrem Aufloͤſungsmittel. Kan aber dieſe Verbindung nicht durch bloße Beruͤhrung kalter Koͤrper aufgehoben werden, ſo iſt die Permanenz der elaſtiſchen Form ein Zeichen einer ſtaͤrkern innigern Verbindung mit dem Waͤrmeſtoff, die nicht blos durch deſſen Streben nach Gleichgewicht, oder durch mechaniſche

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[204/0216] werden; wiewohl man ſich oft verſtattet, es ſchlechthin Dampf oder Dunſt zu nennen, welches auch, wo es kein Mißverſtaͤndniß veranlaſſet, der Kuͤrze halber wohl zugelaſſen werden kan, da doch keine andern Daͤmpfe in der Natur ſo haͤufig, als die Waſſerdaͤmpfe, vorkommen. Die Antiphlogiſtiker gehen von dieſem Sprachgebrauch ab, weil ſie die Gasarten fuͤr nichts weiter, als gehobne Daͤmpfe erklaͤren (ſ. den Zuſatz des Art. Ausduͤnſtung, oben S. 96.), und daher den Waſſerdampf mit dem Namen Waſſergas (Gas aqueux) belegen. Auch Herr de Luc, der Urheber eines eignen Syſtems, in welchem der Unterſchied zwiſchen Daͤmpfen und Luftarten durch andere Kennzeichen beſtimmt wird, hat dem gemaͤß dem Worte Vapeur eine andere etwas ansgebreitete Bedeutung gegeben, nach welcher auch Feuer und elektriſches Fluidum unter die Claſſe der Daͤmpfe gehoͤren, weil ſie ſich von den luftfoͤrmigen Stoffen durch eben die Kennzeichen, wie die gewoͤhnlich ſogenannten Daͤmpfe, unterſcheiden. Hr. de Luc hat freylich fuͤr dieſe Abaͤnderung des Sprachgebrauchs wichtige Gruͤnde. So lange man nur ſolche elaſtiſche Fluͤßigkeiten betrachtet, die ſich in Gefaͤße einſchließen laſſen, wie die Waſſerduͤnſte und Luftarten ſind; ſo lange braucht man auch, um Dampfform von Luftform zu unterſcheiden, weiter kein Kennzeichen, als die Verdichtung durch die Kaͤlte (condenſation by the cold) Denn gerade die elaſtiſchen Fluida, die wir in unſere Gefaͤße einzuſchließen vermoͤgen, ſind alle im Waͤrmeſtoff aufgeloͤſet, und haben ihre elaſtiſche Form durch Waͤrmeſtoff. Wenn man ſie nun der Kaͤlte ausſetzt, und ihnen dadurch der Waͤrmeſtoff vermoͤge ſeines Beſtrebens nach Gleichgewicht in der Maaße entzogen wird, daß ſich ihre Baſis daraus niederſchlaͤgt, und die elaſtiſche Form verliert, ſo iſt das ein Zeichen einer ſchwaͤchern Verbindung der Baſis mit ihrem Aufloͤſungsmittel. Kan aber dieſe Verbindung nicht durch bloße Beruͤhrung kalter Koͤrper aufgehoben werden, ſo iſt die Permanenz der elaſtiſchen Form ein Zeichen einer ſtaͤrkern innigern Verbindung mit dem Waͤrmeſtoff, die nicht blos durch deſſen Streben nach Gleichgewicht, oder durch mechaniſche

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/216>, abgerufen am 21.11.2024.