Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.
Die Erregung der Elektricität durch Reiben wird folgendermaaßen erklärt. Gepaarter elektrischer Stoff ist allenthalben verbreitet; dergleichen befindet sich auch zwischen dem Reibkissen und dem Glascylinder der Elektristrmaschine. Bey der Reibung werden seine Theile mechanisch getrennt; wegen seiner stärkern Verwandtschaft hängt sich der männliche ans Glas, der weibliche bleibt im Kissen zurück. Befindet sich nun ein Sammler mit Spitzen und ein isolirter Leiter in der Nähe, so zieht sich der am Glase hängende männliche Stoff da hinein, und häuft sich im Leiter an. Ein gleiches geschieht mit dem weiblichen, wenn Sammler und Leiter mit dem Reibkissen verbunden werden. Ist die Maschine isolirt, so kann nichts weiter, als der in ihr selbst befindliche gepaarte Stoff, zersetzt, folglich die Anhäufung im Leiter nicht stark werden: wird hingegen noch eine Zuleitungskette von den benachbarten Körpern an das Kissen gehängt, so wird dadurch mehr männlicher Stoff, als in der Maschine allein war, aus diesen Körpern herbeygeführt, und dagegen der weibliche zum Theil mit in diese Körper geleitet, daher auf diese Art die positive Elektricität im Leiter weit stärker wird. Das Elektrisiren durch Vertheilung wird von der abgesonderten entgegengesetzten elektrischen Materie hergeleitet, welche sich wieder mit der Materie im elektrisirten Körper paaren will, und sich dazu des andern jenem nahe gebrachten Körpers, als eines Vehikels, bedienet. (Es erfolgt aber doch auch Vertheilung, wenn der nahe gebrachte Körper isolirt ist, und also von jener abgesonderten Materie nichts in ihn hat gelangen können.) Doch, sagt Hr. V., lasse sich auch der Fall denken, daß bey einem vollkommen isolirten Körper von der ihm eignen gepaarten elektrischen Materie, z. B. der weibliche Theil nach dem in einem elektrisirten Körper angehäuften männlichen Stoffe strebe, sich deshalb
Die Erregung der Elektricitaͤt durch Reiben wird folgendermaaßen erklaͤrt. Gepaarter elektriſcher Stoff iſt allenthalben verbreitet; dergleichen befindet ſich auch zwiſchen dem Reibkiſſen und dem Glascylinder der Elektriſtrmaſchine. Bey der Reibung werden ſeine Theile mechaniſch getrennt; wegen ſeiner ſtaͤrkern Verwandtſchaft haͤngt ſich der maͤnnliche ans Glas, der weibliche bleibt im Kiſſen zuruͤck. Befindet ſich nun ein Sammler mit Spitzen und ein iſolirter Leiter in der Naͤhe, ſo zieht ſich der am Glaſe haͤngende maͤnnliche Stoff da hinein, und haͤuft ſich im Leiter an. Ein gleiches geſchieht mit dem weiblichen, wenn Sammler und Leiter mit dem Reibkiſſen verbunden werden. Iſt die Maſchine iſolirt, ſo kann nichts weiter, als der in ihr ſelbſt befindliche gepaarte Stoff, zerſetzt, folglich die Anhaͤufung im Leiter nicht ſtark werden: wird hingegen noch eine Zuleitungskette von den benachbarten Koͤrpern an das Kiſſen gehaͤngt, ſo wird dadurch mehr maͤnnlicher Stoff, als in der Maſchine allein war, aus dieſen Koͤrpern herbeygefuͤhrt, und dagegen der weibliche zum Theil mit in dieſe Koͤrper geleitet, daher auf dieſe Art die poſitive Elektricitaͤt im Leiter weit ſtaͤrker wird. Das Elektriſiren durch Vertheilung wird von der abgeſonderten entgegengeſetzten elektriſchen Materie hergeleitet, welche ſich wieder mit der Materie im elektriſirten Koͤrper paaren will, und ſich dazu des andern jenem nahe gebrachten Koͤrpers, als eines Vehikels, bedienet. (Es erfolgt aber doch auch Vertheilung, wenn der nahe gebrachte Koͤrper iſolirt iſt, und alſo von jener abgeſonderten Materie nichts in ihn hat gelangen koͤnnen.) Doch, ſagt Hr. V., laſſe ſich auch der Fall denken, daß bey einem vollkommen iſolirten Koͤrper von der ihm eignen gepaarten elektriſchen Materie, z. B. der weibliche Theil nach dem in einem elektriſirten Koͤrper angehaͤuften maͤnnlichen Stoffe ſtrebe, ſich deshalb <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0271" xml:id="P.5.259" n="259"/><lb/> Spinnweben, oder durch ein ausſtroͤmendes Licht im Dunkeln, zu erkennen giebt. Noch unmerklicher geſchieht die Paarung, wenn die Anhaͤufungen durch eine vollkommene Kette von Leitern verbunden ſind, dergleichen man <hi rendition="#b">Ableitungen</hi> zu nennen pflegt.</p> <p>Die <hi rendition="#b">Erregung</hi> der Elektricitaͤt durch Reiben wird folgendermaaßen erklaͤrt. Gepaarter elektriſcher Stoff iſt allenthalben verbreitet; dergleichen befindet ſich auch zwiſchen dem Reibkiſſen und dem Glascylinder der Elektriſtrmaſchine. Bey der Reibung werden ſeine Theile mechaniſch getrennt; wegen ſeiner ſtaͤrkern Verwandtſchaft haͤngt ſich der maͤnnliche ans Glas, der weibliche bleibt im Kiſſen zuruͤck. Befindet ſich nun ein Sammler mit Spitzen und ein iſolirter Leiter in der Naͤhe, ſo zieht ſich der am Glaſe haͤngende maͤnnliche Stoff da hinein, und haͤuft ſich im Leiter an. Ein gleiches geſchieht mit dem weiblichen, wenn Sammler und Leiter mit dem Reibkiſſen verbunden werden. Iſt die Maſchine iſolirt, ſo kann nichts weiter, als der in ihr ſelbſt befindliche gepaarte Stoff, zerſetzt, folglich die Anhaͤufung im Leiter nicht ſtark werden: wird hingegen noch eine Zuleitungskette von den benachbarten Koͤrpern an das Kiſſen gehaͤngt, ſo wird dadurch mehr maͤnnlicher Stoff, als in der Maſchine allein war, aus dieſen Koͤrpern herbeygefuͤhrt, und dagegen der weibliche zum Theil mit in dieſe Koͤrper geleitet, daher auf dieſe Art die poſitive Elektricitaͤt im Leiter weit ſtaͤrker wird.</p> <p>Das Elektriſiren durch <hi rendition="#b">Vertheilung</hi> wird von der abgeſonderten entgegengeſetzten elektriſchen Materie hergeleitet, welche ſich wieder mit der Materie im elektriſirten Koͤrper paaren will, und ſich dazu des andern jenem nahe gebrachten Koͤrpers, als eines Vehikels, bedienet. (Es erfolgt aber doch auch Vertheilung, wenn der nahe gebrachte Koͤrper iſolirt iſt, und alſo von jener abgeſonderten Materie nichts in ihn hat gelangen koͤnnen.) Doch, ſagt Hr. V., laſſe ſich auch der Fall denken, daß bey einem vollkommen iſolirten Koͤrper von der ihm eignen gepaarten elektriſchen Materie, z. B. der weibliche Theil nach dem in einem elektriſirten Koͤrper angehaͤuften maͤnnlichen Stoffe ſtrebe, ſich deshalb<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [259/0271]
Spinnweben, oder durch ein ausſtroͤmendes Licht im Dunkeln, zu erkennen giebt. Noch unmerklicher geſchieht die Paarung, wenn die Anhaͤufungen durch eine vollkommene Kette von Leitern verbunden ſind, dergleichen man Ableitungen zu nennen pflegt.
Die Erregung der Elektricitaͤt durch Reiben wird folgendermaaßen erklaͤrt. Gepaarter elektriſcher Stoff iſt allenthalben verbreitet; dergleichen befindet ſich auch zwiſchen dem Reibkiſſen und dem Glascylinder der Elektriſtrmaſchine. Bey der Reibung werden ſeine Theile mechaniſch getrennt; wegen ſeiner ſtaͤrkern Verwandtſchaft haͤngt ſich der maͤnnliche ans Glas, der weibliche bleibt im Kiſſen zuruͤck. Befindet ſich nun ein Sammler mit Spitzen und ein iſolirter Leiter in der Naͤhe, ſo zieht ſich der am Glaſe haͤngende maͤnnliche Stoff da hinein, und haͤuft ſich im Leiter an. Ein gleiches geſchieht mit dem weiblichen, wenn Sammler und Leiter mit dem Reibkiſſen verbunden werden. Iſt die Maſchine iſolirt, ſo kann nichts weiter, als der in ihr ſelbſt befindliche gepaarte Stoff, zerſetzt, folglich die Anhaͤufung im Leiter nicht ſtark werden: wird hingegen noch eine Zuleitungskette von den benachbarten Koͤrpern an das Kiſſen gehaͤngt, ſo wird dadurch mehr maͤnnlicher Stoff, als in der Maſchine allein war, aus dieſen Koͤrpern herbeygefuͤhrt, und dagegen der weibliche zum Theil mit in dieſe Koͤrper geleitet, daher auf dieſe Art die poſitive Elektricitaͤt im Leiter weit ſtaͤrker wird.
Das Elektriſiren durch Vertheilung wird von der abgeſonderten entgegengeſetzten elektriſchen Materie hergeleitet, welche ſich wieder mit der Materie im elektriſirten Koͤrper paaren will, und ſich dazu des andern jenem nahe gebrachten Koͤrpers, als eines Vehikels, bedienet. (Es erfolgt aber doch auch Vertheilung, wenn der nahe gebrachte Koͤrper iſolirt iſt, und alſo von jener abgeſonderten Materie nichts in ihn hat gelangen koͤnnen.) Doch, ſagt Hr. V., laſſe ſich auch der Fall denken, daß bey einem vollkommen iſolirten Koͤrper von der ihm eignen gepaarten elektriſchen Materie, z. B. der weibliche Theil nach dem in einem elektriſirten Koͤrper angehaͤuften maͤnnlichen Stoffe ſtrebe, ſich deshalb
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