Phlogiston entgegensetzen, nicht, wie dieses, blos hypothetisch angenommen, sondern wirklich in der Natur vorhanden sey. "Alle Körper," sagt Herr Girtanner, "werden durch seinen Beytritt schwerer, und alle werden "leichter, wenn man sie dieses Stoffs beraubt. Man kann "ihn messen und wiegen: und Gewicht ist allemal ein siche"rer Beweis der Gegenwart der Materie." Aber diese Behauptungen zeigen nur, wie wahr es sey, daß die Antiphlogistiker ihre Hypothesen als Facta einzukleiden pflegen. Thatsache ist nur dieses, daß ein wägbarer Grundstoff in der respirabeln Luft vorhanden ist, daß derselbe die Verbrennung befördert, und daß bey dieser einige andere Stoffe, vorzüglich Schwefel, Phosphor und Kohle, mit ihm Säuren bilden -- daß aber eben dieser Stoff sowohl die hier entstehenden, als auch alle andern, Säuren erzeuge, mithin das ausschließende Princip aller Säure sey, ist bloße Präsumtion.
Nach der Lehre dieses Systems ist der Sauerstoff in ausnehmend großer Menge in der ganzen Natur verbreitet, und macht beynahe den dritten Theil des Gewichts der ganzen Atmosphäre aus. Für sich und von andern Körpern getrennt, kan man diesen Stoff nicht darstellen; in der Atmosphäre aber ist er mit Wärmestoff zu Sauerstoffgas verbunden, und dieses mit Stickgas vermischt.
Dieses Sauerstoffgas ist eben dasjenige, was sonst den Namen der dephlogistisirten Luft, reinen Luft, Lebensluft rc. führt, und wovon in diesem Wörterbuche der Art. Gas, dephlogistisirtes handelt.
Durch Verbrennung des Phosphors im Sauerstoffgas wird letzteres zersetzt; der Sauerstoff verbindet sich mit dem Phosphor zu Phosphorsäure, der Wärmestoff wird frey, und zeigt sich durch Hitze und Licht. 100 Theile Phosphor geben 254 Theile feste Phosphorsäure, und nehmen folglich 154 Theile Sauerstoff auf. Hierdurch wird der Phosphor gesäuert, und die Ausdrücke Säuern und Verbrennen sind gleichbedeutend. Auch nimmt das Sauerstoffgas um ebensoviel am Gewichte ab, um wieviel der Phosphor während des Verbrennens daran zugenommen hat. Man sieht hieraus, daß
Phlogiſton entgegenſetzen, nicht, wie dieſes, blos hypothetiſch angenommen, ſondern wirklich in der Natur vorhanden ſey. ”Alle Koͤrper,“ ſagt Herr Girtanner, ”werden durch ſeinen Beytritt ſchwerer, und alle werden ”leichter, wenn man ſie dieſes Stoffs beraubt. Man kann ”ihn meſſen und wiegen: und Gewicht iſt allemal ein ſiche”rer Beweis der Gegenwart der Materie.“ Aber dieſe Behauptungen zeigen nur, wie wahr es ſey, daß die Antiphlogiſtiker ihre Hypotheſen als Facta einzukleiden pflegen. Thatſache iſt nur dieſes, daß ein waͤgbarer Grundſtoff in der reſpirabeln Luft vorhanden iſt, daß derſelbe die Verbrennung befoͤrdert, und daß bey dieſer einige andere Stoffe, vorzuͤglich Schwefel, Phosphor und Kohle, mit ihm Saͤuren bilden — daß aber eben dieſer Stoff ſowohl die hier entſtehenden, als auch alle andern, Saͤuren erzeuge, mithin das ausſchließende Princip aller Saͤure ſey, iſt bloße Praͤſumtion.
Nach der Lehre dieſes Syſtems iſt der Sauerſtoff in ausnehmend großer Menge in der ganzen Natur verbreitet, und macht beynahe den dritten Theil des Gewichts der ganzen Atmoſphaͤre aus. Fuͤr ſich und von andern Koͤrpern getrennt, kan man dieſen Stoff nicht darſtellen; in der Atmoſphaͤre aber iſt er mit Waͤrmeſtoff zu Sauerſtoffgas verbunden, und dieſes mit Stickgas vermiſcht.
Dieſes Sauerſtoffgas iſt eben dasjenige, was ſonſt den Namen der dephlogiſtiſirten Luft, reinen Luft, Lebensluft rc. fuͤhrt, und wovon in dieſem Woͤrterbuche der Art. Gas, dephlogiſtiſirtes handelt.
Durch Verbrennung des Phosphors im Sauerſtoffgas wird letzteres zerſetzt; der Sauerſtoff verbindet ſich mit dem Phosphor zu Phosphorſaͤure, der Waͤrmeſtoff wird frey, und zeigt ſich durch Hitze und Licht. 100 Theile Phosphor geben 254 Theile feſte Phosphorſaͤure, und nehmen folglich 154 Theile Sauerſtoff auf. Hierdurch wird der Phosphor geſaͤuert, und die Ausdruͤcke Saͤuern und Verbrennen ſind gleichbedeutend. Auch nimmt das Sauerſtoffgas um ebenſoviel am Gewichte ab, um wieviel der Phosphor waͤhrend des Verbrennens daran zugenommen hat. Man ſieht hieraus, daß
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="2"><p><pbfacs="#f0814"xml:id="P.5.802"n="802"/><lb/><hirendition="#b">Phlogiſton</hi> entgegenſetzen, nicht, wie dieſes, blos hypothetiſch angenommen, ſondern wirklich in der Natur vorhanden ſey. ”Alle Koͤrper,“ſagt Herr <hirendition="#b">Girtanner,</hi>”werden durch ſeinen Beytritt ſchwerer, und alle werden ”leichter, wenn man ſie dieſes Stoffs beraubt. Man kann ”ihn meſſen und wiegen: und Gewicht iſt allemal ein ſiche”rer Beweis der Gegenwart der Materie.“ Aber dieſe Behauptungen zeigen nur, wie wahr es ſey, daß die Antiphlogiſtiker ihre Hypotheſen als Facta einzukleiden pflegen. Thatſache iſt nur dieſes, daß ein waͤgbarer Grundſtoff in der reſpirabeln Luft vorhanden iſt, daß derſelbe die Verbrennung befoͤrdert, und daß bey dieſer einige andere Stoffe, vorzuͤglich Schwefel, Phosphor und Kohle, mit ihm Saͤuren bilden — daß aber eben dieſer Stoff ſowohl die hier entſtehenden, als auch alle andern, Saͤuren erzeuge, mithin das ausſchließende Princip aller Saͤure ſey, iſt bloße Praͤſumtion.</p><p>Nach der Lehre dieſes Syſtems iſt der Sauerſtoff in ausnehmend großer Menge in der ganzen Natur verbreitet, und macht beynahe den dritten Theil des Gewichts der ganzen Atmoſphaͤre aus. Fuͤr ſich und von andern Koͤrpern getrennt, kan man dieſen Stoff nicht darſtellen; in der Atmoſphaͤre aber iſt er mit Waͤrmeſtoff zu <hirendition="#b">Sauerſtoffgas</hi> verbunden, und dieſes mit Stickgas vermiſcht.</p><p>Dieſes Sauerſtoffgas iſt eben dasjenige, was ſonſt den Namen der <hirendition="#b">dephlogiſtiſirten Luft, reinen Luft, Lebensluft</hi> rc. fuͤhrt, und wovon in dieſem Woͤrterbuche der Art. <hirendition="#b">Gas, dephlogiſtiſirtes</hi> handelt.</p><p>Durch Verbrennung des Phosphors im Sauerſtoffgas wird letzteres zerſetzt; der Sauerſtoff verbindet ſich mit dem Phosphor zu Phosphorſaͤure, der Waͤrmeſtoff wird frey, und zeigt ſich durch Hitze und Licht. 100 Theile Phosphor geben 254 Theile feſte Phosphorſaͤure, und nehmen folglich 154 Theile Sauerſtoff auf. Hierdurch wird der Phosphor geſaͤuert, und die Ausdruͤcke Saͤuern und Verbrennen ſind gleichbedeutend. Auch nimmt das Sauerſtoffgas um ebenſoviel am Gewichte ab, um wieviel der Phosphor waͤhrend des Verbrennens daran zugenommen hat. Man ſieht hieraus, daß<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[802/0814]
Phlogiſton entgegenſetzen, nicht, wie dieſes, blos hypothetiſch angenommen, ſondern wirklich in der Natur vorhanden ſey. ”Alle Koͤrper,“ ſagt Herr Girtanner, ”werden durch ſeinen Beytritt ſchwerer, und alle werden ”leichter, wenn man ſie dieſes Stoffs beraubt. Man kann ”ihn meſſen und wiegen: und Gewicht iſt allemal ein ſiche”rer Beweis der Gegenwart der Materie.“ Aber dieſe Behauptungen zeigen nur, wie wahr es ſey, daß die Antiphlogiſtiker ihre Hypotheſen als Facta einzukleiden pflegen. Thatſache iſt nur dieſes, daß ein waͤgbarer Grundſtoff in der reſpirabeln Luft vorhanden iſt, daß derſelbe die Verbrennung befoͤrdert, und daß bey dieſer einige andere Stoffe, vorzuͤglich Schwefel, Phosphor und Kohle, mit ihm Saͤuren bilden — daß aber eben dieſer Stoff ſowohl die hier entſtehenden, als auch alle andern, Saͤuren erzeuge, mithin das ausſchließende Princip aller Saͤure ſey, iſt bloße Praͤſumtion.
Nach der Lehre dieſes Syſtems iſt der Sauerſtoff in ausnehmend großer Menge in der ganzen Natur verbreitet, und macht beynahe den dritten Theil des Gewichts der ganzen Atmoſphaͤre aus. Fuͤr ſich und von andern Koͤrpern getrennt, kan man dieſen Stoff nicht darſtellen; in der Atmoſphaͤre aber iſt er mit Waͤrmeſtoff zu Sauerſtoffgas verbunden, und dieſes mit Stickgas vermiſcht.
Dieſes Sauerſtoffgas iſt eben dasjenige, was ſonſt den Namen der dephlogiſtiſirten Luft, reinen Luft, Lebensluft rc. fuͤhrt, und wovon in dieſem Woͤrterbuche der Art. Gas, dephlogiſtiſirtes handelt.
Durch Verbrennung des Phosphors im Sauerſtoffgas wird letzteres zerſetzt; der Sauerſtoff verbindet ſich mit dem Phosphor zu Phosphorſaͤure, der Waͤrmeſtoff wird frey, und zeigt ſich durch Hitze und Licht. 100 Theile Phosphor geben 254 Theile feſte Phosphorſaͤure, und nehmen folglich 154 Theile Sauerſtoff auf. Hierdurch wird der Phosphor geſaͤuert, und die Ausdruͤcke Saͤuern und Verbrennen ſind gleichbedeutend. Auch nimmt das Sauerſtoffgas um ebenſoviel am Gewichte ab, um wieviel der Phosphor waͤhrend des Verbrennens daran zugenommen hat. Man ſieht hieraus, daß
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: keine Angabe;
Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: keine Angabe;
Kustoden: keine Angabe;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine Angabe;
rundes r (ꝛ): keine Angabe;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: aufgelöst;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: keine Angabe;
Zeichensetzung: keine Angabe;
Zeilenumbrüche markiert: nein;
Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 802. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/814>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.