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Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.

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Dritter Abschnitt.
augenblicklich nicht versammelt sind, auch ihre zeitige
Zusammenberufung unthunlich erscheint,2 so hat der
Monarch kraft einer durch die Verfassung ertheilten
Autorisation das Recht, provisorisch das Gesetz selbst,
d. h. vorläufig ohne ständische Zustimmung zu erlassen,
muss sich jedoch hierbei. auf den jene Ermächtigung
enthaltenden Artikel des Grundgesetzes ausdrücklich
berufen. Ein solches Gesetz kann alles Dasjenige zum
Inhalte haben, was überhaupt durch Gesetze bestimmt
zu werden vermag,3 nur nicht eine Abänderung der
Grundgesetze und der Verfassung, da jene Autorisation
überhaupt nicht anders als innerhalb des Rahmens und
auf dem Boden der letzteren stehend vorhanden ist.
Sobald aber die Ständeversammlung wieder zusammen-

lichen Sicherheit oder Beseitigung eines ungewöhnlichen Noth-
stands." Die Sächsische Verfassungsurkunde Art. 88. spricht von
"durch das Staatswohl dringend gebotenen Verordnungen, deren
vorübergehender Zweck durch Verzögerung vereitelt werden
würde." (Nach der Bad. Verfassungsurkunde Art. 66.) Ebenso
das Hannoverische Verfassungsgesetz vom 5. Sept. 1848 Art. 72.
Die Württembergische Verfassungsurkunde Art. 89. spricht von
der "Vorkehrung des Nöthigen zur Sicherheit des Staats in drin-
genden Fällen." Ebenso Grossherzoglich Hessische Verfassungs-
urkunde §. 73. Die contrasignirenden Minister haben sich auf
dem nächsten Landtage über die Octroyirung zu rechtfertigen
und das Vorhandensein einer legalen Veranlassung nachzuweisen.
2 Vielleicht ist die Angelegenheit viel zu unbedeutend, um
den Aufwand einer Ständeversammlung zu rechtfertigen.
3 Darin, dass die Verfassungsurkunde ausspricht, ein gewisser
Gegenstand solle durch die Gesetzgebung regulirt werden, liegt
sicherlich keine Exemtion von der Nothgesetzgebung. Denn jene
Zusicherung will nur dahin verstanden sein, dass der fragliche
Gegenstand fortan nicht bloss der Entscheidung der Verwaltungs-
behörden anheim gegeben sein, sondern durch festes Gesetz nor-
mirt werden solle. A. A. v. Rönne a. a. O. S. 172 flg.

Dritter Abschnitt.
augenblicklich nicht versammelt sind, auch ihre zeitige
Zusammenberufung unthunlich erscheint,2 so hat der
Monarch kraft einer durch die Verfassung ertheilten
Autorisation das Recht, provisorisch das Gesetz selbst,
d. h. vorläufig ohne ständische Zustimmung zu erlassen,
muss sich jedoch hierbei. auf den jene Ermächtigung
enthaltenden Artikel des Grundgesetzes ausdrücklich
berufen. Ein solches Gesetz kann alles Dasjenige zum
Inhalte haben, was überhaupt durch Gesetze bestimmt
zu werden vermag,3 nur nicht eine Abänderung der
Grundgesetze und der Verfassung, da jene Autorisation
überhaupt nicht anders als innerhalb des Rahmens und
auf dem Boden der letzteren stehend vorhanden ist.
Sobald aber die Ständeversammlung wieder zusammen-

lichen Sicherheit oder Beseitigung eines ungewöhnlichen Noth-
stands.“ Die Sächsische Verfassungsurkunde Art. 88. spricht von
„durch das Staatswohl dringend gebotenen Verordnungen, deren
vorübergehender Zweck durch Verzögerung vereitelt werden
würde.“ (Nach der Bad. Verfassungsurkunde Art. 66.) Ebenso
das Hannoverische Verfassungsgesetz vom 5. Sept. 1848 Art. 72.
Die Württembergische Verfassungsurkunde Art. 89. spricht von
der „Vorkehrung des Nöthigen zur Sicherheit des Staats in drin-
genden Fällen.“ Ebenso Grossherzoglich Hessische Verfassungs-
urkunde §. 73. Die contrasignirenden Minister haben sich auf
dem nächsten Landtage über die Octroyirung zu rechtfertigen
und das Vorhandensein einer legalen Veranlassung nachzuweisen.
2 Vielleicht ist die Angelegenheit viel zu unbedeutend, um
den Aufwand einer Ständeversammlung zu rechtfertigen.
3 Darin, dass die Verfassungsurkunde ausspricht, ein gewisser
Gegenstand solle durch die Gesetzgebung regulirt werden, liegt
sicherlich keine Exemtion von der Nothgesetzgebung. Denn jene
Zusicherung will nur dahin verstanden sein, dass der fragliche
Gegenstand fortan nicht bloss der Entscheidung der Verwaltungs-
behörden anheim gegeben sein, sondern durch festes Gesetz nor-
mirt werden solle. A. A. v. Rönne a. a. O. S. 172 flg.
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[144/0162] Dritter Abschnitt. augenblicklich nicht versammelt sind, auch ihre zeitige Zusammenberufung unthunlich erscheint, 2 so hat der Monarch kraft einer durch die Verfassung ertheilten Autorisation das Recht, provisorisch das Gesetz selbst, d. h. vorläufig ohne ständische Zustimmung zu erlassen, muss sich jedoch hierbei. auf den jene Ermächtigung enthaltenden Artikel des Grundgesetzes ausdrücklich berufen. Ein solches Gesetz kann alles Dasjenige zum Inhalte haben, was überhaupt durch Gesetze bestimmt zu werden vermag, 3 nur nicht eine Abänderung der Grundgesetze und der Verfassung, da jene Autorisation überhaupt nicht anders als innerhalb des Rahmens und auf dem Boden der letzteren stehend vorhanden ist. Sobald aber die Ständeversammlung wieder zusammen- 1 2 Vielleicht ist die Angelegenheit viel zu unbedeutend, um den Aufwand einer Ständeversammlung zu rechtfertigen. 3 Darin, dass die Verfassungsurkunde ausspricht, ein gewisser Gegenstand solle durch die Gesetzgebung regulirt werden, liegt sicherlich keine Exemtion von der Nothgesetzgebung. Denn jene Zusicherung will nur dahin verstanden sein, dass der fragliche Gegenstand fortan nicht bloss der Entscheidung der Verwaltungs- behörden anheim gegeben sein, sondern durch festes Gesetz nor- mirt werden solle. A. A. v. Rönne a. a. O. S. 172 flg. 1 lichen Sicherheit oder Beseitigung eines ungewöhnlichen Noth- stands.“ Die Sächsische Verfassungsurkunde Art. 88. spricht von „durch das Staatswohl dringend gebotenen Verordnungen, deren vorübergehender Zweck durch Verzögerung vereitelt werden würde.“ (Nach der Bad. Verfassungsurkunde Art. 66.) Ebenso das Hannoverische Verfassungsgesetz vom 5. Sept. 1848 Art. 72. Die Württembergische Verfassungsurkunde Art. 89. spricht von der „Vorkehrung des Nöthigen zur Sicherheit des Staats in drin- genden Fällen.“ Ebenso Grossherzoglich Hessische Verfassungs- urkunde §. 73. Die contrasignirenden Minister haben sich auf dem nächsten Landtage über die Octroyirung zu rechtfertigen und das Vorhandensein einer legalen Veranlassung nachzuweisen.

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Zitationshilfe: Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/162>, abgerufen am 23.11.2024.