Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868.durch strenge Ueberwachung sehr erschwert ist, nimmt die Bevölkerung wieder zu (Turner 176). Doch waren die Samoaner überhaupt weit weniger ausschweifend gewesen als die übrigen Polynesier und hatten den Werth des Menschenlebens höher geachtet. Also auch hier dieselbe Erscheinung: der erste Zusammenstoss mit den Weissen bringt durch Seuchen u. dergl. (doch fand Wilkes in Samoa keine Syphilis 2, 73, 126, 138) eine arge Erschütterung in der Wohlfahrt des Volkes, ein Zurückgehen der Kopfzahl hervor; allein sobald diese ersten Folgen überwunden sind, hebt sich die Ziffer wieder. Gerade die Samoaner sind besonders innige Christen (Turner 106-109, 166 ff.) Zu den bestbevölkerten Gegenden Polynesiens gehören die kleinen Inseln nördlich und westlich von Samoa und Tonga, die Uniongruppe, Tikopia, Rotuma u. s. w., wo die Sitten unverderbt und die Bevölkerung in bester Wohlfahrt ist. Trotz des zahlreichen Kindermords auf Tikopia ist dort die Kinderzahl in einer Familie meist drei bis acht (Gaimard bei Dumont D'Urville b, 5, 309; vergl. ders. in Zoologie 23; u. 5, 306). Nur von dem gleichfalls hierher gehörigen Sikayana wird eine Abnahme der Eingeborenen berichtet, welche durch eine sehr heftige Blatternepidemie auf 171 Seelen zusammengeschmolzen sind (Nov. 2, 438-441). Alle diese Beispiele beweisen schlagend, dass ein Hinschwinden dieser Völker aus mangelnder Lebenskraft, "weil sie von Natur dem Untergange bestimmt seien", nicht stattfindet; wo es also eintritt, kann es nur durch die besprochenen Gründe veranlasst sein. Sobald die Kultur nicht feindselig, sondern friedfertig naht und diese Völker zu sich emporzieht, statt sie zu vernichten, so ist von den Naturvölkern keins, das nicht für sie gewonnen werden könnte, ja einzelne haben sich trotz der feindseligsten Haltung der Weissen dennoch zur Kultur, wenigstens zu guten Anfängen, emporgeschwungen: eine That, deren Grösse man aus dem Vorstehenden ermessen kann und die eine so ausserordentlich gute Begabung und sichere Kraft beweist, dass sie ebenso sehr unser Staunen als unsere Bewunderung erwecken muss. Allerdings wird aus einem neuholländischen Stamm nicht sofort ein europäisch civilisirter Staat, aber es ist handgreiflich verkehrt, zu behaupten, wie noch Meinicke thut, die Neuholländer seien überhaupt der Kultur unfähig. Denn wo sich wirklich die Kultur ihrer angenommen (es ist selten genug geschehen), da haben sie sich auch als friedfertige und bildsame Menschen gezeigt. Dass sie sich und so noch manche andere Naturvölker jetzt so viel als möglich von der Kultur zurückziehen, das ist nach dem, was ihnen von ihren Trägern zugefügt ist, nur allzubegreiflich. Halten doch manche Nordindianer auch das Christenthum nur für eine neue Art, sie zu betrügen (Waitz 3, 289) "und, sagten sie, was sollen wir Christen werden, da diese ärgere Lügner, Diebe und Trinker sind, als die In- durch strenge Ueberwachung sehr erschwert ist, nimmt die Bevölkerung wieder zu (Turner 176). Doch waren die Samoaner überhaupt weit weniger ausschweifend gewesen als die übrigen Polynesier und hatten den Werth des Menschenlebens höher geachtet. Also auch hier dieselbe Erscheinung: der erste Zusammenstoss mit den Weissen bringt durch Seuchen u. dergl. (doch fand Wilkes in Samoa keine Syphilis 2, 73, 126, 138) eine arge Erschütterung in der Wohlfahrt des Volkes, ein Zurückgehen der Kopfzahl hervor; allein sobald diese ersten Folgen überwunden sind, hebt sich die Ziffer wieder. Gerade die Samoaner sind besonders innige Christen (Turner 106-109, 166 ff.) Zu den bestbevölkerten Gegenden Polynesiens gehören die kleinen Inseln nördlich und westlich von Samoa und Tonga, die Uniongruppe, Tikopia, Rotuma u. s. w., wo die Sitten unverderbt und die Bevölkerung in bester Wohlfahrt ist. Trotz des zahlreichen Kindermords auf Tikopia ist dort die Kinderzahl in einer Familie meist drei bis acht (Gaimard bei Dumont D'Urville b, 5, 309; vergl. ders. in Zoologie 23; u. 5, 306). Nur von dem gleichfalls hierher gehörigen Sikayana wird eine Abnahme der Eingeborenen berichtet, welche durch eine sehr heftige Blatternepidemie auf 171 Seelen zusammengeschmolzen sind (Nov. 2, 438-441). Alle diese Beispiele beweisen schlagend, dass ein Hinschwinden dieser Völker aus mangelnder Lebenskraft, »weil sie von Natur dem Untergange bestimmt seien«, nicht stattfindet; wo es also eintritt, kann es nur durch die besprochenen Gründe veranlasst sein. Sobald die Kultur nicht feindselig, sondern friedfertig naht und diese Völker zu sich emporzieht, statt sie zu vernichten, so ist von den Naturvölkern keins, das nicht für sie gewonnen werden könnte, ja einzelne haben sich trotz der feindseligsten Haltung der Weissen dennoch zur Kultur, wenigstens zu guten Anfängen, emporgeschwungen: eine That, deren Grösse man aus dem Vorstehenden ermessen kann und die eine so ausserordentlich gute Begabung und sichere Kraft beweist, dass sie ebenso sehr unser Staunen als unsere Bewunderung erwecken muss. Allerdings wird aus einem neuholländischen Stamm nicht sofort ein europäisch civilisirter Staat, aber es ist handgreiflich verkehrt, zu behaupten, wie noch Meinicke thut, die Neuholländer seien überhaupt der Kultur unfähig. Denn wo sich wirklich die Kultur ihrer angenommen (es ist selten genug geschehen), da haben sie sich auch als friedfertige und bildsame Menschen gezeigt. Dass sie sich und so noch manche andere Naturvölker jetzt so viel als möglich von der Kultur zurückziehen, das ist nach dem, was ihnen von ihren Trägern zugefügt ist, nur allzubegreiflich. Halten doch manche Nordindianer auch das Christenthum nur für eine neue Art, sie zu betrügen (Waitz 3, 289) »und, sagten sie, was sollen wir Christen werden, da diese ärgere Lügner, Diebe und Trinker sind, als die In- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0143"/> durch strenge Ueberwachung sehr erschwert ist, nimmt die Bevölkerung wieder zu (Turner 176). Doch waren die Samoaner überhaupt weit weniger ausschweifend gewesen als die übrigen Polynesier und hatten den Werth des Menschenlebens höher geachtet. Also auch hier dieselbe Erscheinung: der erste Zusammenstoss mit den Weissen bringt durch Seuchen u. dergl. (doch fand Wilkes in Samoa keine Syphilis 2, 73, 126, 138) eine arge Erschütterung in der Wohlfahrt des Volkes, ein Zurückgehen der Kopfzahl hervor; allein sobald diese ersten Folgen überwunden sind, hebt sich die Ziffer wieder. Gerade die Samoaner sind besonders innige Christen (Turner 106-109, 166 ff.)</p> <p>Zu den bestbevölkerten Gegenden Polynesiens gehören die kleinen Inseln nördlich und westlich von Samoa und Tonga, die Uniongruppe, Tikopia, Rotuma u. s. w., wo die Sitten unverderbt und die Bevölkerung in bester Wohlfahrt ist. Trotz des zahlreichen Kindermords auf Tikopia ist dort die Kinderzahl in einer Familie meist drei bis acht (Gaimard bei Dumont D'Urville b, 5, 309; vergl. ders. in Zoologie 23; u. 5, 306). Nur von dem gleichfalls hierher gehörigen Sikayana wird eine Abnahme der Eingeborenen berichtet, welche durch eine sehr heftige Blatternepidemie auf 171 Seelen zusammengeschmolzen sind (Nov. 2, 438-441).</p> <p>Alle diese Beispiele beweisen schlagend, dass ein Hinschwinden dieser Völker aus mangelnder Lebenskraft, »weil sie von Natur dem Untergange bestimmt seien«, nicht stattfindet; wo es also eintritt, kann es nur durch die besprochenen Gründe veranlasst sein. Sobald die Kultur nicht feindselig, sondern friedfertig naht und diese Völker zu sich emporzieht, statt sie zu vernichten, so ist von den Naturvölkern keins, das nicht für sie gewonnen werden könnte, ja einzelne haben sich trotz der feindseligsten Haltung der Weissen dennoch zur Kultur, wenigstens zu guten Anfängen, emporgeschwungen: eine That, deren Grösse man aus dem Vorstehenden ermessen kann und die eine so ausserordentlich gute Begabung und sichere Kraft beweist, dass sie ebenso sehr unser Staunen als unsere Bewunderung erwecken muss. Allerdings wird aus einem neuholländischen Stamm nicht sofort ein europäisch civilisirter Staat, aber es ist handgreiflich verkehrt, zu behaupten, wie noch Meinicke thut, die Neuholländer seien überhaupt der Kultur unfähig. Denn wo sich wirklich die Kultur ihrer angenommen (es ist selten genug geschehen), da haben sie sich auch als friedfertige und bildsame Menschen gezeigt. Dass sie sich und so noch manche andere Naturvölker jetzt so viel als möglich von der Kultur zurückziehen, das ist nach dem, was ihnen von ihren Trägern zugefügt ist, nur allzubegreiflich. Halten doch manche Nordindianer auch das Christenthum nur für eine neue Art, sie zu betrügen (Waitz 3, 289) »und, sagten sie, was sollen wir Christen werden, da diese ärgere Lügner, Diebe und Trinker sind, als die In- </p> </div> </body> </text> </TEI> [0143]
durch strenge Ueberwachung sehr erschwert ist, nimmt die Bevölkerung wieder zu (Turner 176). Doch waren die Samoaner überhaupt weit weniger ausschweifend gewesen als die übrigen Polynesier und hatten den Werth des Menschenlebens höher geachtet. Also auch hier dieselbe Erscheinung: der erste Zusammenstoss mit den Weissen bringt durch Seuchen u. dergl. (doch fand Wilkes in Samoa keine Syphilis 2, 73, 126, 138) eine arge Erschütterung in der Wohlfahrt des Volkes, ein Zurückgehen der Kopfzahl hervor; allein sobald diese ersten Folgen überwunden sind, hebt sich die Ziffer wieder. Gerade die Samoaner sind besonders innige Christen (Turner 106-109, 166 ff.)
Zu den bestbevölkerten Gegenden Polynesiens gehören die kleinen Inseln nördlich und westlich von Samoa und Tonga, die Uniongruppe, Tikopia, Rotuma u. s. w., wo die Sitten unverderbt und die Bevölkerung in bester Wohlfahrt ist. Trotz des zahlreichen Kindermords auf Tikopia ist dort die Kinderzahl in einer Familie meist drei bis acht (Gaimard bei Dumont D'Urville b, 5, 309; vergl. ders. in Zoologie 23; u. 5, 306). Nur von dem gleichfalls hierher gehörigen Sikayana wird eine Abnahme der Eingeborenen berichtet, welche durch eine sehr heftige Blatternepidemie auf 171 Seelen zusammengeschmolzen sind (Nov. 2, 438-441).
Alle diese Beispiele beweisen schlagend, dass ein Hinschwinden dieser Völker aus mangelnder Lebenskraft, »weil sie von Natur dem Untergange bestimmt seien«, nicht stattfindet; wo es also eintritt, kann es nur durch die besprochenen Gründe veranlasst sein. Sobald die Kultur nicht feindselig, sondern friedfertig naht und diese Völker zu sich emporzieht, statt sie zu vernichten, so ist von den Naturvölkern keins, das nicht für sie gewonnen werden könnte, ja einzelne haben sich trotz der feindseligsten Haltung der Weissen dennoch zur Kultur, wenigstens zu guten Anfängen, emporgeschwungen: eine That, deren Grösse man aus dem Vorstehenden ermessen kann und die eine so ausserordentlich gute Begabung und sichere Kraft beweist, dass sie ebenso sehr unser Staunen als unsere Bewunderung erwecken muss. Allerdings wird aus einem neuholländischen Stamm nicht sofort ein europäisch civilisirter Staat, aber es ist handgreiflich verkehrt, zu behaupten, wie noch Meinicke thut, die Neuholländer seien überhaupt der Kultur unfähig. Denn wo sich wirklich die Kultur ihrer angenommen (es ist selten genug geschehen), da haben sie sich auch als friedfertige und bildsame Menschen gezeigt. Dass sie sich und so noch manche andere Naturvölker jetzt so viel als möglich von der Kultur zurückziehen, das ist nach dem, was ihnen von ihren Trägern zugefügt ist, nur allzubegreiflich. Halten doch manche Nordindianer auch das Christenthum nur für eine neue Art, sie zu betrügen (Waitz 3, 289) »und, sagten sie, was sollen wir Christen werden, da diese ärgere Lügner, Diebe und Trinker sind, als die In-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML.
(2012-11-06T13:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-06T13:54:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-06T13:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |