Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868.schwächte. Diese auffallende Sitte, die genauer betrachtet gewiss mancherlei merkwürdige Resultate gäbe*), findet sich ganz übereinstimmend bei den Neuholländern, worüber man Grey 2, 225-229 vergleiche. Jede Familie, oder besser, jeder Stamm, denn die Familien sind ausgedehnt wie Stämme, hat ihr "kobong" Pflanze oder Thier, das ihr heilig ist, ihr den Namen gibt u. s. w. Wie in Amerika Leute von gleichen Totem, so durften in Neuholland Leute desselben Kobongs einander nicht heirathen. Kein Neuholländer tödtet sein Kobong, wenn er es schlafend findet, auch nie, ohne ihm vorher Gelegenheit zur Flucht zu geben; war es eine Pflanze, so durfte es der Betreffende nur zu bestimmten Jahreszeiten und unter ganz bestimmten Ceremonien einärnten und benutzen*). Hierin sehen wir eine Folge der Noth; denn ursprünglich durfte das Kobong wohl ebenso wenig gegessen werden, wie das amerikanische Totem. Dafür spricht auch die Form, in welcher sich die Sitte in Polynesien erhalten hat. Denn in Polynesien gilt es noch jetzt an verschiedenen Orten als strenges Gesetz, dass Einzelne einzelne Thiere, in welchen ihr Schutzgeist oder der Geist ihrer Ahnen verborgen ist, weder tödten noch essen dürfen. So in Mikronesien z. B. auf Ponapi (O'Connel bei Hale 84), auf Tikopia (Gaimard bei D'Urville V, 305-307), auf den Fidschiinseln (Wilkes 3, 214), wohin die Sitte entweder von *) Spuren von ihr finden sich auch in Südamerika, so bei Azara 248, der von den Mbayas erzählt, dass ihre Weiber nie Fleisch von Kühen und Affen essen; doch, da ihre Mädchen überhaupt kein Fleisch, nicht einmal grosse Fische und zur Zeit der Periode nur Gemüse und Obst geniessen, so könnte man diese Enthaltsamkeit auch einfacher erklären. Dagegen ist es gewiss eine dem nordamerikanischen Totem ursprünglich verwandte jetzt nicht mehr verstandene Sitte, wenn die Cariben z. B. nie Affen essen, dagegen die Ameisenbären als Delikatesse aufsuchen, welche wiederum die Makusis nur nothgedrungen essen würden (Schomburgk 2, 434). Thiere gelten auch in Südamerika als die Stammväter und Schutzgeister mancher Völker. Und nicht anders ist es in Afrika bei den Betschuanen, deren einzelne Stämme unveränderliche, ihre Abstammung von gewissen Thieren bezeichnende Namen besitzen. "Diese Thiere werden von den Völkern, die sich nach ihnen nennen, heilig gehalten, weder gejagt noch gegessen und man pflegt durch die Frage "was tanzt ihr" nach dem Namen desselben sich zu erkundigen." So gibts Männer des Löwen, Krokodils, Stachelschweins, Fischs, Affen, doch auch des Eisens, Waitz 1, 352. 413. Die Frage "was tanzt ihr"? ist merkwürdig. Sie erinnert an manchen Thiere darstellenden Tanz amerikanischer und australischer Völker, und es liegt nahe anzunehmen, dass die heiligen Tänze zuerst das Leben der Schutzgeister versinnbildlichten, wie die Griechen die Geschichte ihrer Götter tanzten. Später erblasste die Bedeutung solcher Tänze vielfach. *) Aehnliches findet sich auch bei indogermanischen Völkern. Heilige Thiere als Wappen und in Eigennamen waren sehr gebräuchlich, vergl. Grimm D.M. 633. Tödtete man sie auf der Jagd, oder beschnitt man einen heiligen Baum, so waren auch dabei bestimmte versöhnende und abbittende Gebetsformeln üblich, eb. 618.
schwächte. Diese auffallende Sitte, die genauer betrachtet gewiss mancherlei merkwürdige Resultate gäbe*), findet sich ganz übereinstimmend bei den Neuholländern, worüber man Grey 2, 225-229 vergleiche. Jede Familie, oder besser, jeder Stamm, denn die Familien sind ausgedehnt wie Stämme, hat ihr »kobong« Pflanze oder Thier, das ihr heilig ist, ihr den Namen gibt u. s. w. Wie in Amerika Leute von gleichen Totem, so durften in Neuholland Leute desselben Kobongs einander nicht heirathen. Kein Neuholländer tödtet sein Kobong, wenn er es schlafend findet, auch nie, ohne ihm vorher Gelegenheit zur Flucht zu geben; war es eine Pflanze, so durfte es der Betreffende nur zu bestimmten Jahreszeiten und unter ganz bestimmten Ceremonien einärnten und benutzen*). Hierin sehen wir eine Folge der Noth; denn ursprünglich durfte das Kobong wohl ebenso wenig gegessen werden, wie das amerikanische Totem. Dafür spricht auch die Form, in welcher sich die Sitte in Polynesien erhalten hat. Denn in Polynesien gilt es noch jetzt an verschiedenen Orten als strenges Gesetz, dass Einzelne einzelne Thiere, in welchen ihr Schutzgeist oder der Geist ihrer Ahnen verborgen ist, weder tödten noch essen dürfen. So in Mikronesien z. B. auf Ponapi (O'Connel bei Hale 84), auf Tikopia (Gaimard bei D'Urville V, 305-307), auf den Fidschiinseln (Wilkes 3, 214), wohin die Sitte entweder von *) Spuren von ihr finden sich auch in Südamerika, so bei Azara 248, der von den Mbayas erzählt, dass ihre Weiber nie Fleisch von Kühen und Affen essen; doch, da ihre Mädchen überhaupt kein Fleisch, nicht einmal grosse Fische und zur Zeit der Periode nur Gemüse und Obst geniessen, so könnte man diese Enthaltsamkeit auch einfacher erklären. Dagegen ist es gewiss eine dem nordamerikanischen Totem ursprünglich verwandte jetzt nicht mehr verstandene Sitte, wenn die Cariben z. B. nie Affen essen, dagegen die Ameisenbären als Delikatesse aufsuchen, welche wiederum die Makusis nur nothgedrungen essen würden (Schomburgk 2, 434). Thiere gelten auch in Südamerika als die Stammväter und Schutzgeister mancher Völker. Und nicht anders ist es in Afrika bei den Betschuanen, deren einzelne Stämme unveränderliche, ihre Abstammung von gewissen Thieren bezeichnende Namen besitzen. »Diese Thiere werden von den Völkern, die sich nach ihnen nennen, heilig gehalten, weder gejagt noch gegessen und man pflegt durch die Frage »was tanzt ihr« nach dem Namen desselben sich zu erkundigen.« So gibts Männer des Löwen, Krokodils, Stachelschweins, Fischs, Affen, doch auch des Eisens, Waitz 1, 352. 413. Die Frage »was tanzt ihr«? ist merkwürdig. Sie erinnert an manchen Thiere darstellenden Tanz amerikanischer und australischer Völker, und es liegt nahe anzunehmen, dass die heiligen Tänze zuerst das Leben der Schutzgeister versinnbildlichten, wie die Griechen die Geschichte ihrer Götter tanzten. Später erblasste die Bedeutung solcher Tänze vielfach. *) Aehnliches findet sich auch bei indogermanischen Völkern. Heilige Thiere als Wappen und in Eigennamen waren sehr gebräuchlich, vergl. Grimm D.M. 633. Tödtete man sie auf der Jagd, oder beschnitt man einen heiligen Baum, so waren auch dabei bestimmte versöhnende und abbittende Gebetsformeln üblich, eb. 618.
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schwächte. Diese auffallende Sitte, die genauer betrachtet gewiss mancherlei merkwürdige Resultate gäbe *), findet sich ganz übereinstimmend bei den Neuholländern, worüber man Grey 2, 225-229 vergleiche. Jede Familie, oder besser, jeder Stamm, denn die Familien sind ausgedehnt wie Stämme, hat ihr »kobong« Pflanze oder Thier, das ihr heilig ist, ihr den Namen gibt u. s. w. Wie in Amerika Leute von gleichen Totem, so durften in Neuholland Leute desselben Kobongs einander nicht heirathen. Kein Neuholländer tödtet sein Kobong, wenn er es schlafend findet, auch nie, ohne ihm vorher Gelegenheit zur Flucht zu geben; war es eine Pflanze, so durfte es der Betreffende nur zu bestimmten Jahreszeiten und unter ganz bestimmten Ceremonien einärnten und benutzen *). Hierin sehen wir eine Folge der Noth; denn ursprünglich durfte das Kobong wohl ebenso wenig gegessen werden, wie das amerikanische Totem. Dafür spricht auch die Form, in welcher sich die Sitte in Polynesien erhalten hat. Denn in Polynesien gilt es noch jetzt an verschiedenen Orten als strenges Gesetz, dass Einzelne einzelne Thiere, in welchen ihr Schutzgeist oder der Geist ihrer Ahnen verborgen ist, weder tödten noch essen dürfen. So in Mikronesien z. B. auf Ponapi (O'Connel bei Hale 84), auf Tikopia (Gaimard bei D'Urville V, 305-307), auf den Fidschiinseln (Wilkes 3, 214), wohin die Sitte entweder von
*) Spuren von ihr finden sich auch in Südamerika, so bei Azara 248, der von den Mbayas erzählt, dass ihre Weiber nie Fleisch von Kühen und Affen essen; doch, da ihre Mädchen überhaupt kein Fleisch, nicht einmal grosse Fische und zur Zeit der Periode nur Gemüse und Obst geniessen, so könnte man diese Enthaltsamkeit auch einfacher erklären. Dagegen ist es gewiss eine dem nordamerikanischen Totem ursprünglich verwandte jetzt nicht mehr verstandene Sitte, wenn die Cariben z. B. nie Affen essen, dagegen die Ameisenbären als Delikatesse aufsuchen, welche wiederum die Makusis nur nothgedrungen essen würden (Schomburgk 2, 434). Thiere gelten auch in Südamerika als die Stammväter und Schutzgeister mancher Völker. Und nicht anders ist es in Afrika bei den Betschuanen, deren einzelne Stämme unveränderliche, ihre Abstammung von gewissen Thieren bezeichnende Namen besitzen. »Diese Thiere werden von den Völkern, die sich nach ihnen nennen, heilig gehalten, weder gejagt noch gegessen und man pflegt durch die Frage »was tanzt ihr« nach dem Namen desselben sich zu erkundigen.« So gibts Männer des Löwen, Krokodils, Stachelschweins, Fischs, Affen, doch auch des Eisens, Waitz 1, 352. 413. Die Frage »was tanzt ihr«? ist merkwürdig. Sie erinnert an manchen Thiere darstellenden Tanz amerikanischer und australischer Völker, und es liegt nahe anzunehmen, dass die heiligen Tänze zuerst das Leben der Schutzgeister versinnbildlichten, wie die Griechen die Geschichte ihrer Götter tanzten. Später erblasste die Bedeutung solcher Tänze vielfach.
*) Aehnliches findet sich auch bei indogermanischen Völkern. Heilige Thiere als Wappen und in Eigennamen waren sehr gebräuchlich, vergl. Grimm D.M. 633. Tödtete man sie auf der Jagd, oder beschnitt man einen heiligen Baum, so waren auch dabei bestimmte versöhnende und abbittende Gebetsformeln üblich, eb. 618.
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