Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

Eigene Versuche über die Biegung der Hölzer.
an der Skale gemessen. Hiemit konnte man für den vorhabenden Zweck, bei dem es
sich nur um die Gesetze der Biegungen durch Gewichte, die noch weit
vom Bruche entfernt sind
, handelt, um so mehr zufrieden seyn, als den in meh-
reren Schriften angeführten Erfahrungen zu Folge alle gebogenen Körper nach abgenom-
mener Belastung sich beinahe wieder herstellen, wenn die aufgelegten Lasten nicht
die Hälfte des zum Bruche erforderlichen Gewichtes überschreiten.

Aus den Versuchen ersehen wir nun, dass hölzerne Stäbe, eben so wie ordi-
näres Stabeisen
nur sehr unvollkommen jenen Gesetzen folgen, welche wir bei dem
vollkommensten in Clavierdrähten und Uhrfedern enthaltenen Eisen gefunden ha-
ben. Da die zwischen den Jahresringen des Holzes befindlichen weichen oder schwam-
migen Theile keine gleiche Stärke mit den übrigen Theilen besitzen, so ist offenbar, dass
sie auch früher nachgeben oder zerreissen werden, demnach bei der Auflegung grösserer
Gewichte keine Wirkung mehr äussern, in welcher Hinsicht auch die Biegungen verhält-
nissmässig grösser seyn müssen. Auf gleiche Art mögen bei gewöhnlichen Eisen-
stäben
, wenn sie mit grössern Lasten beschwert werden, einzelne minder feste Theil-
chen früher nachgeben oder abreissen, und hiedurch den Widerstand des Eisenstabes bei
zunehmenden Belastungen verhältnissmässig verringern, wogegen nur in dem reinsten
Eisen, wie es bei Clavierdrähten und stählernen Uhrfedern der Fall war, alle Theile fort-
während unter einander eine gleiche Kraft behalten.

Dieser ungleichförmige Zustand des Holzes wurde bereits von mehreren Schriftstellern
in der Nähe des Bruches aller Hölzer beobachtet, und in dieser Hinsicht der Grundsatz an-
genommen, dass eine Regularität bei der Biegung des Holzes bis zur Hälfte oder höchstens
zu 2/3 seiner grössten Belastung statt finde. Diess zeigt auch der obige Versuch, wobei
der Bruch bei 180 Pfund erfolgte und ein unserer aufgestellten Formel entsprechendes
Gesetz bis in der Nähe von 120 Pfund statt findet.

II. Wir haben §. 261 gezeigt, dass der Divisor von p, nämlich P [Formel 1]
das grösste Gewicht bedeutet, welches der Stab tragen kann, und dass der Faktor
der ganzen Grösse nämlich E [Formel 2] diejenige Ausdehnung bedeutet, wo-
bei der Eisenstab zerreisst; wenn demnach das Holz von gleicher Beschaffenheit, wie
das reinste Eisen wäre, so dürfte der versuchte Eichenstab erst bei 340 Pfund bre-
chen und müsste zugleich eine Biegung von [Formel 3] Linien annehmen, wogegen bei
dem Versuche der Bruch schon bei 180 Pfund erfolgte und die hiebei beobachtete gröss-
te Biegung nur [Formel 4] Linien betrug. Die Ursache dieser Abweichung liegt in dem
bereits erwähnten Umstande, dass nämlich das Holz eben so wie ordinäre Eisenstäbe
aus Theilen von ungleicher Stärke besteht, wo also die schwächern Theile früher zer-
reissen und wie diess eintritt, wegen der hiemit veränderten Beschaffenheit
des Holzes
auch die oben aufgestellte Gleichung, in unserem Falle
[Formel 5] nicht mehr statt finden kann.

Eigene Versuche über die Biegung der Hölzer.
an der Skale gemessen. Hiemit konnte man für den vorhabenden Zweck, bei dem es
sich nur um die Gesetze der Biegungen durch Gewichte, die noch weit
vom Bruche entfernt sind
, handelt, um so mehr zufrieden seyn, als den in meh-
reren Schriften angeführten Erfahrungen zu Folge alle gebogenen Körper nach abgenom-
mener Belastung sich beinahe wieder herstellen, wenn die aufgelegten Lasten nicht
die Hälfte des zum Bruche erforderlichen Gewichtes überschreiten.

Aus den Versuchen ersehen wir nun, dass hölzerne Stäbe, eben so wie ordi-
näres Stabeisen
nur sehr unvollkommen jenen Gesetzen folgen, welche wir bei dem
vollkommensten in Clavierdrähten und Uhrfedern enthaltenen Eisen gefunden ha-
ben. Da die zwischen den Jahresringen des Holzes befindlichen weichen oder schwam-
migen Theile keine gleiche Stärke mit den übrigen Theilen besitzen, so ist offenbar, dass
sie auch früher nachgeben oder zerreissen werden, demnach bei der Auflegung grösserer
Gewichte keine Wirkung mehr äussern, in welcher Hinsicht auch die Biegungen verhält-
nissmässig grösser seyn müssen. Auf gleiche Art mögen bei gewöhnlichen Eisen-
stäben
, wenn sie mit grössern Lasten beschwert werden, einzelne minder feste Theil-
chen früher nachgeben oder abreissen, und hiedurch den Widerstand des Eisenstabes bei
zunehmenden Belastungen verhältnissmässig verringern, wogegen nur in dem reinsten
Eisen, wie es bei Clavierdrähten und stählernen Uhrfedern der Fall war, alle Theile fort-
während unter einander eine gleiche Kraft behalten.

Dieser ungleichförmige Zustand des Holzes wurde bereits von mehreren Schriftstellern
in der Nähe des Bruches aller Hölzer beobachtet, und in dieser Hinsicht der Grundsatz an-
genommen, dass eine Regularität bei der Biegung des Holzes bis zur Hälfte oder höchstens
zu ⅔ seiner grössten Belastung statt finde. Diess zeigt auch der obige Versuch, wobei
der Bruch bei 180 Pfund erfolgte und ein unserer aufgestellten Formel entsprechendes
Gesetz bis in der Nähe von 120 Pfund statt findet.

II. Wir haben §. 261 gezeigt, dass der Divisor von p, nämlich P [Formel 1]
das grösste Gewicht bedeutet, welches der Stab tragen kann, und dass der Faktor
der ganzen Grösse nämlich E [Formel 2] diejenige Ausdehnung bedeutet, wo-
bei der Eisenstab zerreisst; wenn demnach das Holz von gleicher Beschaffenheit, wie
das reinste Eisen wäre, so dürfte der versuchte Eichenstab erst bei 340 Pfund bre-
chen und müsste zugleich eine Biegung von [Formel 3] Linien annehmen, wogegen bei
dem Versuche der Bruch schon bei 180 Pfund erfolgte und die hiebei beobachtete gröss-
te Biegung nur [Formel 4] Linien betrug. Die Ursache dieser Abweichung liegt in dem
bereits erwähnten Umstande, dass nämlich das Holz eben so wie ordinäre Eisenstäbe
aus Theilen von ungleicher Stärke besteht, wo also die schwächern Theile früher zer-
reissen und wie diess eintritt, wegen der hiemit veränderten Beschaffenheit
des Holzes
auch die oben aufgestellte Gleichung, in unserem Falle
[Formel 5] nicht mehr statt finden kann.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0363" n="333"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">Eigene Versuche über die Biegung der Hölzer</hi>.</fw><lb/>
an der Skale gemessen. Hiemit konnte man für den vorhabenden Zweck, bei dem es<lb/>
sich nur um die <hi rendition="#g">Gesetze der Biegungen durch Gewichte, die noch weit<lb/>
vom Bruche entfernt sind</hi>, handelt, um so mehr zufrieden seyn, als den in meh-<lb/>
reren Schriften angeführten Erfahrungen zu Folge alle gebogenen Körper nach abgenom-<lb/>
mener Belastung sich beinahe wieder herstellen, wenn die aufgelegten Lasten nicht<lb/>
die Hälfte des zum Bruche erforderlichen Gewichtes überschreiten.</p><lb/>
              <p>Aus den Versuchen ersehen wir nun, <hi rendition="#g">dass hölzerne Stäbe</hi>, eben so wie <hi rendition="#g">ordi-<lb/>
näres Stabeisen</hi> nur sehr unvollkommen jenen Gesetzen folgen, welche wir bei dem<lb/><hi rendition="#g">vollkommensten</hi> in Clavierdrähten und Uhrfedern enthaltenen <hi rendition="#g">Eisen</hi> gefunden ha-<lb/>
ben. Da die zwischen den Jahresringen des Holzes befindlichen weichen oder schwam-<lb/>
migen Theile keine gleiche Stärke mit den übrigen Theilen besitzen, so ist offenbar, dass<lb/>
sie auch früher nachgeben oder zerreissen werden, demnach bei der Auflegung grösserer<lb/>
Gewichte keine Wirkung mehr äussern, in welcher Hinsicht auch die Biegungen verhält-<lb/>
nissmässig grösser seyn müssen. Auf gleiche Art mögen bei <hi rendition="#g">gewöhnlichen Eisen-<lb/>
stäben</hi>, wenn sie mit grössern Lasten beschwert werden, einzelne minder feste Theil-<lb/>
chen früher nachgeben oder abreissen, und hiedurch den Widerstand des Eisenstabes bei<lb/>
zunehmenden Belastungen verhältnissmässig verringern, wogegen nur in dem reinsten<lb/>
Eisen, wie es bei Clavierdrähten und stählernen Uhrfedern der Fall war, alle Theile fort-<lb/>
während unter einander eine gleiche Kraft behalten.</p><lb/>
              <p>Dieser ungleichförmige Zustand des Holzes wurde bereits von mehreren Schriftstellern<lb/>
in der Nähe des Bruches aller Hölzer beobachtet, und in dieser Hinsicht der Grundsatz an-<lb/>
genommen, dass eine Regularität bei der Biegung des Holzes bis zur Hälfte oder höchstens<lb/>
zu &#x2154; seiner grössten Belastung statt finde. Diess zeigt auch der obige Versuch, wobei<lb/>
der Bruch bei 180 Pfund erfolgte und ein unserer aufgestellten Formel entsprechendes<lb/>
Gesetz bis in der Nähe von 120 Pfund statt findet.</p><lb/>
              <p>II. Wir haben §. 261 gezeigt, dass der Divisor von p, nämlich P <formula/><lb/>
das <hi rendition="#g">grösste Gewicht</hi> bedeutet, welches der Stab tragen kann, und dass der Faktor<lb/>
der ganzen Grösse nämlich E <formula/> diejenige Ausdehnung bedeutet, wo-<lb/>
bei der Eisenstab zerreisst; wenn demnach das Holz von gleicher Beschaffenheit, wie<lb/>
das <hi rendition="#g">reinste Eisen</hi> wäre, so dürfte der versuchte Eichenstab erst bei 340 Pfund bre-<lb/>
chen und müsste zugleich eine Biegung von <formula/> Linien annehmen, wogegen bei<lb/>
dem Versuche der Bruch schon bei 180 Pfund erfolgte und die hiebei beobachtete gröss-<lb/>
te Biegung nur <formula/> Linien betrug. Die Ursache dieser Abweichung liegt in dem<lb/>
bereits erwähnten Umstande, dass nämlich das Holz eben so wie ordinäre Eisenstäbe<lb/>
aus Theilen von ungleicher Stärke besteht, wo also die schwächern Theile früher zer-<lb/>
reissen und wie diess eintritt, wegen der hiemit <hi rendition="#g">veränderten Beschaffenheit<lb/>
des Holzes</hi> auch die oben aufgestellte Gleichung, in unserem Falle<lb/><formula/> nicht mehr statt finden kann.</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[333/0363] Eigene Versuche über die Biegung der Hölzer. an der Skale gemessen. Hiemit konnte man für den vorhabenden Zweck, bei dem es sich nur um die Gesetze der Biegungen durch Gewichte, die noch weit vom Bruche entfernt sind, handelt, um so mehr zufrieden seyn, als den in meh- reren Schriften angeführten Erfahrungen zu Folge alle gebogenen Körper nach abgenom- mener Belastung sich beinahe wieder herstellen, wenn die aufgelegten Lasten nicht die Hälfte des zum Bruche erforderlichen Gewichtes überschreiten. Aus den Versuchen ersehen wir nun, dass hölzerne Stäbe, eben so wie ordi- näres Stabeisen nur sehr unvollkommen jenen Gesetzen folgen, welche wir bei dem vollkommensten in Clavierdrähten und Uhrfedern enthaltenen Eisen gefunden ha- ben. Da die zwischen den Jahresringen des Holzes befindlichen weichen oder schwam- migen Theile keine gleiche Stärke mit den übrigen Theilen besitzen, so ist offenbar, dass sie auch früher nachgeben oder zerreissen werden, demnach bei der Auflegung grösserer Gewichte keine Wirkung mehr äussern, in welcher Hinsicht auch die Biegungen verhält- nissmässig grösser seyn müssen. Auf gleiche Art mögen bei gewöhnlichen Eisen- stäben, wenn sie mit grössern Lasten beschwert werden, einzelne minder feste Theil- chen früher nachgeben oder abreissen, und hiedurch den Widerstand des Eisenstabes bei zunehmenden Belastungen verhältnissmässig verringern, wogegen nur in dem reinsten Eisen, wie es bei Clavierdrähten und stählernen Uhrfedern der Fall war, alle Theile fort- während unter einander eine gleiche Kraft behalten. Dieser ungleichförmige Zustand des Holzes wurde bereits von mehreren Schriftstellern in der Nähe des Bruches aller Hölzer beobachtet, und in dieser Hinsicht der Grundsatz an- genommen, dass eine Regularität bei der Biegung des Holzes bis zur Hälfte oder höchstens zu ⅔ seiner grössten Belastung statt finde. Diess zeigt auch der obige Versuch, wobei der Bruch bei 180 Pfund erfolgte und ein unserer aufgestellten Formel entsprechendes Gesetz bis in der Nähe von 120 Pfund statt findet. II. Wir haben §. 261 gezeigt, dass der Divisor von p, nämlich P [FORMEL] das grösste Gewicht bedeutet, welches der Stab tragen kann, und dass der Faktor der ganzen Grösse nämlich E [FORMEL] diejenige Ausdehnung bedeutet, wo- bei der Eisenstab zerreisst; wenn demnach das Holz von gleicher Beschaffenheit, wie das reinste Eisen wäre, so dürfte der versuchte Eichenstab erst bei 340 Pfund bre- chen und müsste zugleich eine Biegung von [FORMEL] Linien annehmen, wogegen bei dem Versuche der Bruch schon bei 180 Pfund erfolgte und die hiebei beobachtete gröss- te Biegung nur [FORMEL] Linien betrug. Die Ursache dieser Abweichung liegt in dem bereits erwähnten Umstande, dass nämlich das Holz eben so wie ordinäre Eisenstäbe aus Theilen von ungleicher Stärke besteht, wo also die schwächern Theile früher zer- reissen und wie diess eintritt, wegen der hiemit veränderten Beschaffenheit des Holzes auch die oben aufgestellte Gleichung, in unserem Falle [FORMEL] nicht mehr statt finden kann.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/363
Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/363>, abgerufen am 21.11.2024.