Mir deucht, das ist die Probe darüber, dass Theokrit in seiner Art fürtreflich sey, weil er nur wenigen gefällt; denen kan er nie gefallen, die nicht für jede Schönheit der Natur, bis auf die kleinsten Gegenstände, empfindlich sind, denen, deren Empfindun- gen einen falschen Schwung genommen ha- ben, und einer Menge von Leuten, die ihre Bestimmung in einer falsch-ekeln Galanterie finden. Denen ekelt vor dem Ländlichen, ihnen gefallen nur Hirten, die so geziert denken wie ein witziger Dichter, und die aus ihren Empfindungen eine schlaue Kunst zu machen wissen. Ich weiss nicht, ob die meisten neuern entweder zu bequem gewesen sind, mit der Natur und den Empfindungen der Unschuld sich genauer bekannt zu machen, oder ob es Gefälligkeit für unsre umgearte-
Mir deucht, das iſt die Probe darüber, daſs Theokrit in ſeiner Art fürtreflich ſey, weil er nur wenigen gefällt; denen kan er nie gefallen, die nicht für jede Schönheit der Natur, bis auf die kleinſten Gegenſtände, empfindlich ſind, denen, deren Empfindun- gen einen falſchen Schwung genommen ha- ben, und einer Menge von Leuten, die ihre Beſtimmung in einer falſch-ekeln Galanterie finden. Denen ekelt vor dem Ländlichen, ihnen gefallen nur Hirten, die ſo geziert denken wie ein witziger Dichter, und die aus ihren Empfindungen eine ſchlaue Kunſt zu machen wiſſen. Ich weiſs nicht, ob die meiſten neuern entweder zu bequem geweſen ſind, mit der Natur und den Empfindungen der Unſchuld ſich genauer bekannt zu machen, oder ob es Gefälligkeit für unſre umgearte-
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Mir deucht, das iſt die Probe darüber,
daſs Theokrit in ſeiner Art fürtreflich ſey,
weil er nur wenigen gefällt; denen kan er
nie gefallen, die nicht für jede Schönheit der
Natur, bis auf die kleinſten Gegenſtände,
empfindlich ſind, denen, deren Empfindun-
gen einen falſchen Schwung genommen ha-
ben, und einer Menge von Leuten, die ihre
Beſtimmung in einer falſch-ekeln Galanterie
finden. Denen ekelt vor dem Ländlichen,
ihnen gefallen nur Hirten, die ſo geziert
denken wie ein witziger Dichter, und die aus
ihren Empfindungen eine ſchlaue Kunſt zu
machen wiſſen. Ich weiſs nicht, ob die
meiſten neuern entweder zu bequem geweſen
ſind, mit der Natur und den Empfindungen
der Unſchuld ſich genauer bekannt zu machen,
oder ob es Gefälligkeit für unſre umgearte-
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[Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_idyllen_1756/16>, abgerufen am 16.07.2024.
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