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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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geschehen pfleget: sie beweget den Hals von einer Seite zur andern und
schnappert mit dem Schnabel mit eben denen mouvemens und mit eben
dem Thon, wie es von natürlichen Endten geschiehet: Sie frist die ihr in
einem Gefäß vorgehaltene Mohn-Körngen, und säuft das ihr darauf
vorgesetzte Waßer gantz ordentlich und accurat mit allen denen Bewegun-
gen des Schnabels, der Augen und des Halses wie solche an dem natürlichen
original wahr zunehmen sind: Endlich giebt sie das genoßene an dem von
der Natur dazu bestimmten Ort wieder von sich, und zwar dergestalt,
daß die Körner nicht mehr gantz sind, sondern die massa so aus siehet,
als ob alles würcklich digeriret wäre, welches vermutlich also ge-
schiehet, daß in dem interieur der Endte die Mohn-Körner, durch Beyhülffe
des getrunckenen Waßers, vermittelst einer gewißen mechanischen
Friction zerrieben werden. Wenn man es nicht selbst, und zwar mit
besonderer attention, gesehen hätte, so würde man diese Endte eher
unter die Fabeln, als unter die würcklich existierenden Dinge zu zehlen
geneigt seyn. Nach dem zuverläßig eingenommenen Augenschein aber,
bleibt nichts übrig, als den hohen grad der Kunst zu bewundern. Die inn-
wendige structur wird, wie leicht zu erachten, als ein lucratives Ge-
heimniß, Niemand gewiesen. Wir fuhren von hier zur Marquise
de Montbrun
, welche zwar noch bettlägrig, aber doch gantz munter war,
und uns gewiße geschriebene Zeitungen vorlase, welche theils die zu
Hause noch beßer, als hier, bekannte Preußische avantages in Schlesien,
theils die eigentlichen Umstände der Veränderung des Grafen von Münch
in sich hielten. Diese letztern waren folgende: Es sey nehmlich Graf
Münch
Anfangs in allen seinen consiliis mit denen übrigen Rußischen
ministres d'accord gewesen, daß man der Königin von Ungarn wieder
Preußen beystehen müße. Nachdem er aber die Herrschaft Wartenberg
in Schlesien geschenckt bekommen, und der König in Preußen dieselbe
von aller Mitleidenschaft derer Kriegs-Beschwerden eximiret, habe
er umgesattelt, und behauptet, daß man der Schweden, Türcken und
Perser wegen sich von troupes nicht entblößen, folglich der gedachten
Königin damit nicht behülfflich seyn könne. Ohnerachtet nun Ostermann
und andre, auch die Regentin selbst ihm alle mögliche remonstration gethan,
sey er doch bey seiner interessirten Wiedersetzligkeit geblieben, und habe
darauf, mit der ausdrücklich angeführten Ursach, weil man seinen Heil-
samen Rathschlägen nicht folgen wolle, den Abschied gefordert, solchen
auch nach etlichen Stunden erhalten. Die Marquise d'Arpajoux und die
Presidente de Segur, welche auch zum Besuch der Madame de Montbrun sich ein-
fanden, und unter die femmes devotes gerechnet werden, discourireten noch ein
und anders von indifferenten Sachen, und wurde endlich dieser Tag aux Tuileries ge-
endiget, woselbst Monsieur de Menin, der seine Frau und Tochter bey sich hatte, uns ein
angenehmes und nützliches entretien war, wir aber bey der Rückkunft ins quar-
tier erfuhren, daß indeßen Graf Knuth mit seinem Hofmeister zur Visite bey
uns gewesen.

Den 29 April.

Der Cardinal Polignac, bey dem wir Mittags speisen wolten, war heute nicht visible,
und weil auch der Duc de Gevres sich nicht einheimisch befand, so passirten wir den Nach-
mittag theils bey dem Graf Schönfeld und Baron Zech, welche beyde uns heute früh die Abschieds-
visite gegeben hatten, theils und vornehmlich aber bey Madame de Montbrun, welche iedoch diesmal
sich und uns hauptsächlich mit Einkauffung gewißer Sommer-Zeuge occupirete.

geschehen pfleget: sie beweget den Hals von einer Seite zur andern und
schnappert mit dem Schnabel mit eben denen mouvemens und mit eben
dem Thon, wie es von natürlichen Endten geschiehet: Sie frist die ihr in
einem Gefäß vorgehaltene Mohn-Körngen, und säuft das ihr darauf
vorgesetzte Waßer gantz ordentlich und accurat mit allen denen Bewegun-
gen des Schnabels, der Augen und des Halses wie solche an dem natürlichen
original wahr zunehmen sind: Endlich giebt sie das genoßene an dem von
der Natur dazu bestimmten Ort wieder von sich, und zwar dergestalt,
daß die Körner nicht mehr gantz sind, sondern die massa so aus siehet,
als ob alles würcklich digeriret wäre, welches vermutlich also ge-
schiehet, daß in dem interieur der Endte die Mohn-Körner, durch Beyhülffe
des getrunckenen Waßers, vermittelst einer gewißen mechanischen
Friction zerrieben werden. Wenn man es nicht selbst, und zwar mit
besonderer attention, gesehen hätte, so würde man diese Endte eher
unter die Fabeln, als unter die würcklich existierenden Dinge zu zehlen
geneigt seyn. Nach dem zuverläßig eingenommenen Augenschein aber,
bleibt nichts übrig, als den hohen grad der Kunst zu bewundern. Die inn-
wendige structur wird, wie leicht zu erachten, als ein lucratives Ge-
heimniß, Niemand gewiesen. Wir fuhren von hier zur Marquise
de Montbrun
, welche zwar noch bettlägrig, aber doch gantz munter war,
und uns gewiße geschriebene Zeitungen vorlase, welche theils die zu
Hause noch beßer, als hier, bekannte Preußische avantages in Schlesien,
theils die eigentlichen Umstände der Veränderung des Grafen von Münch
in sich hielten. Diese letztern waren folgende: Es sey nehmlich Graf
Münch
Anfangs in allen seinen consiliis mit denen übrigen Rußischen
ministres d’accord gewesen, daß man der Königin von Ungarn wieder
Preußen beystehen müße. Nachdem er aber die Herrschaft Wartenberg
in Schlesien geschenckt bekommen, und der König in Preußen dieselbe
von aller Mitleidenschaft derer Kriegs-Beschwerden eximiret, habe
er umgesattelt, und behauptet, daß man der Schweden, Türcken und
Perser wegen sich von troupes nicht entblößen, folglich der gedachten
Königin damit nicht behülfflich seyn könne. Ohnerachtet nun Ostermann
und andre, auch die Regentin selbst ihm alle mögliche remonstration gethan,
sey er doch bey seiner interessirten Wiedersetzligkeit geblieben, und habe
darauf, mit der ausdrücklich angeführten Ursach, weil man seinen Heil-
samen Rathschlägen nicht folgen wolle, den Abschied gefordert, solchen
auch nach etlichen Stunden erhalten. Die Marquise d’Arpajoux und die
Presidente de Segur, welche auch zum Besuch der Madame de Montbrun sich ein-
fanden, und unter die femmes devotes gerechnet werden, discourireten noch ein
und anders von indifferenten Sachen, und wurde endlich dieser Tag aux Tuileries ge-
endiget, woselbst Monsieur de Menin, der seine Frau und Tochter bey sich hatte, uns ein
angenehmes und nützliches entretien war, wir aber bey der Rückkunft ins quar-
tier erfuhren, daß indeßen Graf Knuth mit seinem Hofmeister zur Visite bey
uns gewesen.

Den 29 April.

Der Cardinal Polignac, bey dem wir Mittags speisen wolten, war heute nicht visible,
und weil auch der Duc de Gevres sich nicht einheimisch befand, so passirten wir den Nach-
mittag theils bey dem Graf Schönfeld und Baron Zech, welche beyde uns heute früh die Abschieds-
visite gegeben hatten, theils und vornehmlich aber bey Madame de Montbrun, welche iedoch diesmal
sich und uns hauptsächlich mit Einkauffung gewißer Sommer-Zeuge occupirete.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/283>, abgerufen am 25.11.2024.