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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Nummer 30
Den 30 April

Nachdem wir die Predigt vom Straf-Amt des Heiligen Geistes, und zwar
1) auf was Weise und 2) über was vor Sachen er die Welt strafe,
angehöret, begaben wir uns sogleich aus dem Hotel des Dähnischen
Ministres
in einer 6spännigen Carosse vor die Stadt hinaus a la
pleine des sablons, woselbsten das Regiment des Grades francoises,
welches 3666 Mann starck ist, unter aufgeschlagenen Zelten
campirete, wie denn ein ordentliches Lager formiret, iede Fahne
vor ihrer Compagnie aufgestecket, und eine iede Art derer gewöhnlichen
Wachen aller Orten aufgestellet war. Wir trafen so fort bey unsrer
Ankunft auf dem rechten Flügel des Lagers den Comte de Chabannes
zu Pferde an, welcher Illustrissimo das vor dieselben destinirte Pferd
zwar zeigete, wegen des gantz außerordentlich kalten Schnee-
und Graupel-Wetters aber, selbst anrieth im Wagen sitzen
zu bleiben, und in einer gewißen distantz von der Fronte auf
und nieder zu fahren, welches denn auch von uns geschahe, bis
wir endlich unter denen unzähligen andern Carossen einen Platz
fanden, da wir stille halten und alles ruhig und gemächlich
in Augenschein nehmen konten. Die Mannschaft an sich ist
überaus schön und fast durchgängig lang und wohl gewachsen,
auch gantz neu und wohlbekleidet, wie denn ein iedweder alle
3 Jahr mit der neuen Montour versehen würde, auch so gar eine Mütze von
blauen Tuch mit einem rothen Aufschlag und einer weißen
Borte eingefaßt bekommt, welche in den Gurt des Degen-Gehencks
eingesteckt, und, wenn der Soldat nicht im Gewehr ist, mit
dem Hut nach belieben verwechselt wird, die Camaschen von
roher Leinwand aber machen sowol ihrer Runtzeln, als ihrer
structur wegen einen schlechten Effect. Regiements-Pfeiffer
sind nicht vorhaden, sondern nur Tambours und Quer-Pfeiffer.
Der König ist, bekantermaßen; selbst Obrister von diesem Re-
giement, der Duc de Grammont aber Colonel Lieutenant, welches
Praedicat mehr, als Lieutenant Colonel involviren soll. Als
nun ietztgedachter Duc in einer Kutsche mit 6 Pferden angelan-
get, und die Fronte des Lagers hinauf passirete, trat die Mannschaft
Compagnien weise, iedoch nur in Cannisöhlern und obgedachten
Mützen, aus denen Zelten heraus, darauf wurde die vergaderung
geschlagen, und, nachdem die Soldaten sich angezogen, zum Ge-
wehr gegriffen. Das gantze Regiement rückte zwar aus, und
wurde aufgestellet: weil aber das Wetter so penetrant kalt
war, und der stürmische Nord-Wind deren Officiers und Soldaten
den Staub dergestalt ins Gesichte jagte, daß sie fast nicht aus

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Nummer 30
Den 30 April

Nachdem wir die Predigt vom Straf-Amt des Heiligen Geistes, und zwar
1) auf was Weise und 2) über was vor Sachen er die Welt strafe,
angehöret, begaben wir uns sogleich aus dem Hôtel des Dähnischen
Ministres
in einer 6spännigen Carosse vor die Stadt hinaus à la
pleine des sablons, woselbsten das Regiment des Grades francoises,
welches 3666 Mann starck ist, unter aufgeschlagenen Zelten
campirete, wie denn ein ordentliches Lager formiret, iede Fahne
vor ihrer Compagnie aufgestecket, und eine iede Art derer gewöhnlichen
Wachen aller Orten aufgestellet war. Wir trafen so fort bey unsrer
Ankunft auf dem rechten Flügel des Lagers den Comte de Chabannes
zu Pferde an, welcher Illustrissimo das vor dieselben destinirte Pferd 
zwar zeigete, wegen des gantz außerordentlich kalten Schnee-
und Graupel-Wetters aber, selbst anrieth im Wagen sitzen
zu bleiben, und in einer gewißen distantz von der Fronte auf
und nieder zu fahren, welches denn auch von uns geschahe, bis
wir endlich unter denen unzähligen andern Carossen einen Platz
fanden, da wir stille halten und alles ruhig und gemächlich
in Augenschein nehmen konten. Die Mannschaft an sich ist
überaus schön und fast durchgängig lang und wohl gewachsen,
auch gantz neu und wohlbekleidet, wie denn ein iedweder alle
3 Jahr mit der neuen Montour versehen würde, auch so gar eine Mütze von
blauen Tuch mit einem rothen Aufschlag und einer weißen
Borte eingefaßt bekommt, welche in den Gurt des Degen-Gehencks
eingesteckt, und, wenn der Soldat nicht im Gewehr ist, mit
dem Hut nach belieben verwechselt wird, die Camaschen von
roher Leinwand aber machen sowol ihrer Runtzeln, als ihrer
structur wegen einen schlechten Effect. Regiements-Pfeiffer
sind nicht vorhaden, sondern nur Tambours und Quer-Pfeiffer.
Der König ist, bekantermaßen; selbst Obrister von diesem Re-
giement, der Duc de Grammont aber Colonel Lieutenant, welches
Praedicat mehr, als Lieutenant Colonel involviren soll. Als
nun ietztgedachter Duc in einer Kutsche mit 6 Pferden angelan-
get, und die Fronte des Lagers hinauf passirete, trat die Mannschaft
Compagnien weise, iedoch nur in Cannisöhlern und obgedachten
Mützen, aus denen Zelten heraus, darauf wurde die vergaderung
geschlagen, und, nachdem die Soldaten sich angezogen, zum Ge-
wehr gegriffen. Das gantze Regiement rückte zwar aus, und
wurde aufgestellet: weil aber das Wetter so penetrant kalt
war, und der stürmische Nord-Wind deren Officiers und Soldaten
den Staub dergestalt ins Gesichte jagte, daß sie fast nicht aus

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[0284] 135 No 30 Den 30 April Nachdem wir die Predigt vom Straf-Amt des Heil: Geistes, und zwar 1) auf was Weise und 2) über was vor Sachen er die Welt strafe, angehöret, begaben wir uns sogleich aus dem Hôtel des Dähnil. Ministres in einer 6spännigen Carosse vor die Stadt hinaus à la pleine des sablons, woselbsten das Regiment des Grades francoises, welches 3666 Mann starck ist, unter aufgeschlagenen Zelten campirete, wie denn ein ordentliches Lager formiret, iede Fahne vor ihrer Compagnie aufgestecket, und eine iede Art derer gewöhnlichen Wachen aller Orten aufgestellet war. Wir trafen so fort bey unsrer Ankunft auf dem rechten Flügel des Lagers den Comte de Chabannes zu Pferde an, welcher Illmo das vor dieselben destinirte Pferd  zwar zeigete, wegen des gantz außerordentlich kalten Schnee- und Graupel-Wetters aber, selbst anrieth im Wagen sitzen zu bleiben, und in einer gewißen distantz von der Fronte auf und nieder zu fahren, welches denn auch von uns geschahe, bis wir endlich unter denen unzähligen andern Carossen einen Platz fanden, da wir stille halten und alles ruhig und gemächlich in Augenschein nehmen konten. Die Mannschaft an sich ist überaus schön und fast durchgängig lang und wohl gewachsen, auch gantz neu und wohlbekleidet, wie denn ein iedweder alle 3 Jahr mit der neuen Montour versehen würde, auch so gar eine Mütze von blauen Tuch mit einem rothen Aufschlag und einer weißen Borte eingefaßt bekommt, welche in den Gurt des Degen-Gehencks eingesteckt, und, wenn der Soldat nicht im Gewehr ist, mit dem Hut nach belieben verwechselt wird, die Camaschen von roher Leinwand aber machen sowol ihrer Runtzeln, als ihrer structur wegen einen schlechten Effect. Regiements-Pfeiffer sind nicht vorhaden, sondern nur Tambours und Quer-Pfeiffer. Der König ist, bekantermaßen; selbst Obrister von diesem Re- giement, der Duc de Grammont aber Colonel Lieutenant, welches Praedicat mehr, als Lieutenant Colonel involviren soll. Als nun ietztgedachter Duc in einer Kutsche mit 6 Pferden angelan- get, und die Fronte des Lagers hinauf passirete, trat die Mannschaft Compagnien weise, iedoch nur in Cannisöhlern und obgedachten Mützen, aus denen Zelten heraus, darauf wurde die vergaderung geschlagen, und, nachdem die Soldaten sich angezogen, zum Ge- wehr gegriffen. Das gantze Regiement rückte zwar aus, und wurde aufgestellet: weil aber das Wetter so penetrant kalt war, und der stürmische Nord-Wind deren Officiers und Soldaten den Staub dergestalt ins Gesichte jagte, daß sie fast nicht aus

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/284>, abgerufen am 25.11.2024.