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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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nicht verlaßen, ohnerachtet er selbst die Blattern noch nicht gehabt, und
ihm gleichwol sein Leben so lieb sey, als sein schönes Gesichte. Er
gab uns ferner die Nachricht, daß, ob er zwar zu uns komme, es
dennoch nicht gewöhnlich sey anderwärts, am allerwenigsten aber
bey Hofe sich eher öffentlich zu zeigen, als bis 6 Wochen von dem Tage
der Einschließung angerechnet, verfloßen. Mittags hatten wir
den Abbe de Ferrus zu Gaste. Nachdem wir nun denselben
wieder nach Hause geführet, und die Marquise de Montbrun, welche
eben zur Promenade ausgefahren wolte, einen Augenblick ge-
sprochen, den prince de Turenne aber und die princesse de Bouillon
nicht zu Hause gefunden, beschloßen wir diesen Tag mit einem
Spatziergang aux Tuileries.

Den 10 May.

Die Vistien bey dem Duc de Bouillon, prince de Guise und Marquis
de Gardouge
waren wegen allerseitigen Abwesenheit vergeblich,
dem Monsieur de Ramsay aber, welcher gestern von Pontoise zurückgebracht
worden, unser Zuspruch sehr angenehm und tröstlich. Er ist von
dem häuffig erlittenen Aderlaßen und schweren paroxismis sehr ent-
kräftet, und musten wir also mehr durch Gebährden, als durch
Worte mit ihm reden, da indeßen der Prince de Turenne mit
Mr. de la Lande und dem Abbe Coyer, desgleichen die Frau des Bouilloni-
schen Intendanten
sich einfanden, so hielten wir uns unter man-
cherley Gesprächen eine gute Weile auf, und wurden endlich von
Madame de Ramsay mit vieler Dancksagung dimittiret. Bey der Marquise
de Montbrun
, woselbst wir den Abend zugebracht, fanden wir
den Duc de Valentinois, dem Comte de Chabot und einen Abbe, und
waren die 2 Hauptmaterien des Gesprächs 1) die Preußischen Thaten
in Schlesien und 2) die überstandene Kranckheit der Duchesse
de la Tremouille
, bey welcher Gelegenheit von der hiesigen Furcht
vor den Blattern folgende Exempel erzehlet wurden. 1) Der
Comte d'Evreux sey dieser Tagen vor dem Tremouillischen Hause
vorbey gefahren, und habe als er dem Thor-Wege gegen über ge-
wesen, mit der grösten Geschwindigkeit die Fenster in seiner
Carosse heraufgezogen, um von der inficirten Luft nicht ange-
wehet zu werden. 2) Die Duchesse d'Humieres habe mit ihrem
Wagen den Pont Royal nicht passiren wollen, sondern habe eine
detour über den pont neuf genommen, um dem Tremouillischen
Hotel
nicht zu nahe zu kommen, deßen Thor-Weg doch wenigstens
100 Schritt vom Pont Royal entfernet ist. 3) Die Comtesse d'orval
habe letzt die Marquise de Montbrun besuchen wollen, sey aber so fort
bey der Thüre des Zimmers wieder zurück gangen und davon gefahren
weil sie an der Antichambre vernommen, daß der Marquis de Montbrun seine Ge-
mahlin
täglich besuche.

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nicht verlaßen, ohnerachtet er selbst die Blattern noch nicht gehabt, und
ihm gleichwol sein Leben so lieb sey, als sein schönes Gesichte. Er
gab uns ferner die Nachricht, daß, ob er zwar zu uns komme, es
dennoch nicht gewöhnlich sey anderwärts, am allerwenigsten aber
bey Hofe sich eher öffentlich zu zeigen, als bis 6 Wochen von dem Tage
der Einschließung angerechnet, verfloßen. Mittags hatten wir
den Abbé de Ferrus zu Gaste. Nachdem wir nun denselben
wieder nach Hause geführet, und die Marquise de Montbrun, welche
eben zur Promenade ausgefahren wolte, einen Augenblick ge-
sprochen, den prince de Turenne aber und die princesse de Bouillon
nicht zu Hause gefunden, beschloßen wir diesen Tag mit einem
Spatziergang aux Tuileries.

Den 10 May.

Die Vistien bey dem Duc de Bouillon, prince de Guise und Marquis
de Gardouge
waren wegen allerseitigen Abwesenheit vergeblich,
dem Monsieur de Ramsay aber, welcher gestern von Pontoise zurückgebracht
worden, unser Zuspruch sehr angenehm und tröstlich. Er ist von
dem häuffig erlittenen Aderlaßen und schweren paroxismis sehr ent-
kräftet, und musten wir also mehr durch Gebährden, als durch
Worte mit ihm reden, da indeßen der Prince de Turenne mit
Mr. de la Lande und dem Abbé Coyer, desgleichen die Frau des Bouilloni-
schen Intendanten
sich einfanden, so hielten wir uns unter man-
cherley Gesprächen eine gute Weile auf, und wurden endlich von
Madame de Ramsay mit vieler Dancksagung dimittiret. Bey der Marquise
de Montbrun
, woselbst wir den Abend zugebracht, fanden wir
den Duc de Valentinois, dem Comte de Chabot und einen Abbé, und
waren die 2 Hauptmaterien des Gesprächs 1) die Preußischen Thaten
in Schlesien und 2) die überstandene Kranckheit der Duchesse
de la Tremouille
, bey welcher Gelegenheit von der hiesigen Furcht
vor den Blattern folgende Exempel erzehlet wurden. 1) Der
Comte d’Evreux sey dieser Tagen vor dem Tremouillischen Hause
vorbey gefahren, und habe als er dem Thor-Wege gegen über ge-
wesen, mit der grösten Geschwindigkeit die Fenster in seiner
Carosse heraufgezogen, um von der inficirten Luft nicht ange-
wehet zu werden. 2) Die Duchesse d’Humieres habe mit ihrem
Wagen den Pont Royal nicht passiren wollen, sondern habe eine
detour über den pont neuf genommen, um dem Tremouillischen
Hotel
nicht zu nahe zu kommen, deßen Thor-Weg doch wenigstens
100 Schritt vom Pont Royal entfernet ist. 3) Die Comtesse d’orval
habe letzt die Marquise de Montbrun besuchen wollen, sey aber so fort
bey der Thüre des Zimmers wieder zurück gangen und davon gefahren
weil sie an der Antichambre vernommen, daß der Marquis de Montbrun seine Ge-
mahlin
täglich besuche.

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[0296] 141 nicht verlaßen, ohnerachtet er selbst die Blattern noch nicht gehabt, und ihm gleichwol sein Leben so lieb sey, als sein schönes Gesichte. Er gab uns ferner die Nachricht, daß, ob er zwar zu uns komme, es dennoch nicht gewöhnlich sey anderwärts, am allerwenigsten aber bey Hofe sich eher öffentl: zu zeigen, als bis 6 Wochen von dem Tage der Einschließung angerechnet, verfloßen. Mittags hatten wir den Abbé de Ferrus zu Gaste. Nachdem wir nun denselben wieder nach Hause geführet, und die Marquise de Montbrun, welche eben zur Promenade ausfahren wolte, einen Augenblick ge- sprochen, den prince de Turenne aber und die princesse de Bouillon nicht zu Hause gefunden, beschloßen wir diesen Tag mit einem Spatziergang aux Tuileries. Den 10 May. Die Vistien bey dem Duc de Bouillon, prince de Guise und Marquis de Gardouge waren wegen allerseitigen Abwesenheit vergeblich, dem Mr. de Ramsay aber, welcher gestern von Pontoise zurückgebracht worden, unser Zuspruch sehr angenehm und tröstlich. Er ist von dem häuffig erlittenen Aderlaßen und schweren paroxismis sehr ent- kräftet, und musten wir also mehr durch Gebährden, als durch Worte mit ihm reden, da indeßen der Prince de Turenne mit Mr. de la Lande und dem Abbé Coyer, desgl: die Frau des Bouilloni- schen Intendanten sich einfanden, so hielten wir uns unter man- cherley Gesprächen eine gute Weile auf, und wurden endl: von Mad: de Ramsay mit vieler Dancksagung dimittiret. Bey der Marquise de Montbrun, woselbst wir den Abend zugebracht, fanden wir den Duc de Valentinois, dem Comte de Chabot und einen Abbé, und waren die 2 Hauptmaterien des Gesprächs 1) die Preußl: Thaten in Schlesien und 2) die überstandene Kranckheit der Duchesse de la Tremouille, bey welcher Gelegenheit von der hiesigen Furcht vor den Blattern folgende Exempel erzehlet wurden. 1) Der Comte d’Evreux sey dieser Tagen vor dem Tremouillischen Hause vorbey gefahren, und habe als er dem Thor-Wege gegen über ge- wesen, mit der grösten Geschwindigkeit die Fenster in seiner Carosse heraufgezogen, um von der inficirten Luft nicht ange- wehet zu werden. 2) Die Duchesse d’Humieres habe mit ihrem Wagen den Pont Royal nicht passiren wollen, sondern habe eine detour über den pont neuf genommen, um dem Tremouillischen Hotel nicht zu nahe zu kommen, deßen Thor-Weg doch wenigstens 100 Schritt vom Pont Royal entfernet ist. 3) Die Comtesse d’orval habe letzt die Marquise de Montbrun besuchen wollen, sey aber so fort bey der Thüre des Zimmers wieder zurück gangen und davon gefahren weil sie an der Antichambre vernommen, daß der Marquis de Montbrun seine Ge- mahlin täglich besuche.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/296>, abgerufen am 24.11.2024.