Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].19 in einer gantz glücklichen Coniunctur deswegen zugetragen, weil manietzo mit Franckreich wohl stehe, und sowohl schriftliche als mündliche Ver- sicherung wegen der pragmatique habe. Er sey auch vollkommen per- suadirt, daß der König und Cardinal, es diesfals aufrichtig meyne. Da nun Franckreich allerdings ietzo die Wage in Händen habe, und von dem Articul der Oesterreichischen Succession, natürlicher Weise auch das übrige dependire (worunter er zweifels ohne die Wahl des Hertzogs von Lotharingen verstünde) so sey menschlicher Weise keine Unruhe in Deutschland zu vermuthen: doch könne freylich ein Thor wohl einen Stein des Anstoßens in Weg werffen, an deßen Weg- wältzung viel rechtschaffne Leute zu thun hätten, man solte es aber, wie gedacht, nach dem bon sens und nach denen Conjuncturen nicht vermuthen. Was Italien anlange, so wurde von der Königin in Spanien auch nicht viel zu fürchten seyn, weil sie ietzt weder Geld noch Volck genug, und wegen des Englischen Kriegs anderwärts zu thun habe, folglich das Oesterreichische Italien, vor der Hand wohl in Ruhe laßen würde. Ferner erzehlte er, daß der hiesige Rußische Gesandte, als er gestern bey ihm gespeiset, einen Courir aus Petersburg mit der Nachricht erhalten, daß die Czaarin den 18 October dieses zeitliche geseegnet, und den Hertzog von Cur- land zum Regenten des Reichs bestellet, ihm auch die Macht gege- ben habe, wenn der neue Czaar Ivan, in seiner Unmün- digkeit verstürbe, demselben einen Nachfolger zu ernennen, iedoch dieses letztere mit Zuziehung derer Staats-Minister und der Generalitaet. Beym Abschiede befahl er einem seiner Bedienten, den Brief an Monsieur Sainctot wegen Illustrissimi Praesentation sogleich auf- zusetzen. Der Herr. von Waßmaer war ungemein höflich und stimmte in der Haupt-Sache mit denen Lichtensteinischen Sentiments von denen Suiten des Kayserlichen Todes-Falls überein, außer, daß er hinzufügte, es würde Oesterreichischer Seits das nöthigste seyn, sich in gute Positur und Kriegs-Verfaßung zu setzen, um denen Freunden noch mehr Muth, und denen Widriggesinnten Furcht zu machen, outre qu' il etoit apres tout le plussure, de chercher du Secours chez soi meme. Zur förmlichen Notification des Trauer-Falls meldete er noch keinen Befehl zu haben, fand indeßen sowol, als der Fürst von Lichtenstein, höchst convenabel, uns in der bereits angelegten Trauer, bey Hofe praesentiren zu laßen, und offerirte übrigens, nach dem gewöhnlichen Formular, alle Dienste und Gefälligkeit, 19 in einer gantz glücklichen Coniunctur deswegen zugetragen, weil manietzo mit Franckreich wohl stehe, und sowohl schriftliche als mündliche Ver- sicherung wegen der pragmatique habe. Er sey auch vollkommen per- suadirt, daß der König und Cardinal, es diesfals aufrichtig meyne. Da nun Franckreich allerdings ietzo die Wage in Händen habe, und von dem Articul der Oesterreichischen Succession, natürlicher Weise auch das übrige dependire (worunter er zweifels ohne die Wahl des Hertzogs von Lotharingen verstünde) so sey menschlicher Weise keine Unruhe in Deutschland zu vermuthen: doch könne freylich ein Thor wohl einen Stein des Anstoßens in Weg werffen, an deßen Weg- wältzung viel rechtschaffne Leute zu thun hätten, man solte es aber, wie gedacht, nach dem bon sens und nach denen Conjuncturen nicht vermuthen. Was Italien anlange, so wurde von der Königin in Spanien auch nicht viel zu fürchten seyn, weil sie ietzt weder Geld noch Volck genug, und wegen des Englischen Kriegs anderwärts zu thun habe, folglich das Oesterreichische Italien, vor der Hand wohl in Ruhe laßen würde. Ferner erzehlte er, daß der hiesige Rußische Gesandte, als er gestern bey ihm gespeiset, einen Courir aus Petersburg mit der Nachricht erhalten, daß die Czaarin den 18 October dieses zeitliche geseegnet, und den Hertzog von Cur- land zum Regenten des Reichs bestellet, ihm auch die Macht gege- ben habe, wenn der neue Czaar Ivan, in seiner Unmün- digkeit verstürbe, demselben einen Nachfolger zu ernennen, iedoch dieses letztere mit Zuziehung derer Staats-Minister und der Generalitaet. Beym Abschiede befahl er einem seiner Bedienten, den Brief an Monsieur Sainctot wegen Illustrissimi Praesentation sogleich auf- zusetzen. Der Herr. von Waßmaer war ungemein höflich und stimmte in der Haupt-Sache mit denen Lichtensteinischen Sentiments von denen Suiten des Kayserlichen Todes-Falls überein, außer, daß er hinzufügte, es würde Oesterreichischer Seits das nöthigste seyn, sich in gute Positur und Kriegs-Verfaßung zu setzen, um denen Freunden noch mehr Muth, und denen Widriggesinnten Furcht zu machen, outre qu‘ il etoit apres tout le plussure, de chercher du Secours chez soi méme. Zur förmlichen Notification des Trauer-Falls meldete er noch keinen Befehl zu haben, fand indeßen sowol, als der Fürst von Lichtenstein, höchst convenabel, uns in der bereits angelegten Trauer, bey Hofe praesentiren zu laßen, und offerirte übrigens, nach dem gewöhnlichen Formular, alle Dienste und Gefälligkeit, <TEI> <text> <body> <div type="letter"> <div type="diaryEntry"> <p><pb facs="#f0048"/><fw type="folNum" place="top">19</fw><lb/> in einer gantz glücklichen Coniunctur deswegen zugetragen, weil man<lb/> ietzo mit <placeName xml:id="TidB9185" corresp="register.xml#regID_66.lemID_10371">Franckreich</placeName> wohl stehe, und sowohl <choice><abbr>schriftl:</abbr><expan>schriftliche</expan></choice> als mündliche Ver-<lb/> sicherung wegen der pragmatique habe. 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19
in einer gantz glücklichen Coniunctur deswegen zugetragen, weil man
ietzo mit Franckreich wohl stehe, und sowohl schriftl: als mündliche Ver-
sicherung wegen der pragmatique habe. Er sey auch vollkommen per-
suadirt, daß der König und Cardinal, es diesfals aufrichtig meyne.
Da nun Franckreich allerdings ietzo die Wage in Händen habe, und
von dem Articul der Oesterreichl. Succession, natürlicher Weise auch das
übrige dependire (worunter er zweifels ohne die Wahl des Hertzogs
von Lotharingen verstünde) so sey menschlicher Weise keine Unruhe
in Deutschland zu vermuthen: doch könne freylich ein Thor wohl
einen Stein des Anstoßens in Weg werffen, an deßen Weg-
wältzung viel rechtschaffne Leute zu thun hätten, man solte
es aber, wie gedacht, nach dem bon sens und nach denen Conjuncturen
nicht vermuthen. Was Italien anlange, so wurde von der Königin
in Spanien auch nicht viel zu fürchten seyn, weil sie ietzt weder
Geld noch Volck genug, und wegen des Engl: Kriegs anderwärts
zu thun habe, folgl: das Oesterreichische Italien, vor der Hand wohl
in Ruhe laßen würde. Ferner erzehlte er, daß der hiesige
Rußische Gesandte, als er gestern bey ihm gespeiset, einen
Courir aus Petersburg mit der Nachricht erhalten, daß die Czaarin
d. 18 Octobr. dieses zeitliche geseegnet, und den Hertzog von Cur-
land zum Regenten des Reichs bestellet, ihm auch die Macht gege-
ben habe, wenn der neue Czaar Ivan, in seiner Unmün-
digkeit verstürbe, demselben einen Nachfolger zu ernennen,
iedoch dieses letztere mit Zuziehung derer Staats-Minister und
der Generalitaet. Beym Abschiede befahl er einem seiner Bedienten,
den Brief an Mr. Sainctot wegen Illmi Praesentation sogleich auf-
zusetzen. DH. von Waßmaer war ungemein höflich und stimmte
in der Haupt-Sache mit denen Lichtensteinischen Sentiments von
denen Suiten des Kayl: Todes-Falls überein, außer, daß er hinzufügte,
es würde Oesterreichischer Seits das nöthigste seyn, sich in gute
Positur und Kriegs-Verfaßung zu setzen, um denen Freunden noch
mehr Muth, und denen Widriggesinnten Furcht zu machen, outre
qu‘ il etoit apres tout le plussure, de chercher du Secours chez
soi méme. Zur förmlichen Notification des Trauer-Falls meldete er
noch keinen Befehl zu haben, fand indeßen sowol, als der Fürst
von Lichtenstein, höchst convenabel, uns in der bereits angelegten
Trauer, bey Hofe praesentiren zu laßen, und offerirte übrigens,
nach dem gewöhnlichen Formular, alle Dienste und Gefälligkeit,
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Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate
Weitere Informationen:Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
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