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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Schecken zu reden wuste, bey der Comtesse de Saint Gille, bey der
Marquise d'Entraive, und endlich bey der Marquise de Borgeal,
an welchen Örten allen kleine Gesellschaften, und genugsame
Gelegenheiten zum sprechen waren.

Vom 20ten bis den 29 October

Die gewöhnliche dem Reise-Zweck gemäße Lebens-Art mit täglicher
Besuchung des Hofs und Frequentirung der besten Gesellschafften ist
auch in diesen Tagen fortgesetzet worden, und haben wir 2 neue Be-
kantschafften acquiriret, nehmlich 1) den Marquis de Suze, des vorigen
Königs natürlichen Sohn, welcher aber legitimiret ist, auch deswegen
den Titul Altesse führet. Er soll seinen Herr Vater sehr ähnlich
sehen, scheinet auch viel von deßen Vivacitaet zu haben, ohner-
achtet an seinem Cörper viel überflüßiges Fleisch vorhanden.
Er ist Lieutenant general und praevaliret in seinem air das
martialische. 2) Den General Lieutenant von Borgsdorff, des
Marechal Rehbinders Stief-Sohn und der Marquise de Tan Bruder.
Er ist, gleich dem Marquis de Suze, unverheirathet und ein überaus
humaner und angenehmer Mann, der auch Illustrissimi Herrn Vater, als die-
selben durch Düßeldorff nach Engelland passiret, daselbst kennen
lernen, und nicht Gutes genug von ihnen zu rühmen wuste.
Wir sind sowol bey ihm, als bey dem alten Marechal in diesen
Tagen zu Gaste gewesen, das gröste Gastmal aber, dem wir
beygewohnet, war den 25 hujus, als auf den Geburts-Tag der Königin
in Spanien,
bey dem Spanischen Ambassadeur, wo von Gesandten
der Neapolitanische, Chur-Sächsische und Genuesische nebst vielen
Dames, in Specie auch die Frantzösische Ambassadrice, weil der Am-
bassadeur
Unpäßligkeit halber nicht erscheinen konnte, gegenwärtig
waren. Es wurde 3 mal abgehoben, und bestund iedweder
Abhub in 36 groß und kleinen Schüßeln; zum Genuß des desert
aber begab man sich in ein Neben-Zimmer an eine besonders
dazu eingerichtete Tafel, und stellete das Zuckerwerck eine mit
vielen Statuen, Treppen und balustraden gezierte Garten-
Terrasse vor, auf deren 4 Ecken 4 Fontainen sprungen.
Was uns bey diesem Tractament besonders gefallen, bestund
darinn, daß 1) kein einige Staats-Gesundheit getruncken, und
2) bey allem Uberfluß dennoch nur kaum 2 Stunden mit
dem gantzen Eßen zugebracht wurde. Nach aufgehobner
Tafel begab sich alles nach Hause, und versamlete sich erst
wider gegen 7 Uhr bey dem Ambassadeur, um dem Musicalischen
Concert und der assemblee bey zuwohnen. Jenes bestund in
bloßen Instrumenten, und ließen sich dabey etliche Virtuosen
aus hiesiger Königlicher Capelle sehr wohl hören. Die zur

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Schecken zu reden wuste, bey der Comtesse de Saint Gille, bey der
Marquise d'Entraive, und endlich bey der Marquise de Borgeal,
an welchen Ørten allen kleine Gesellschaften, und genugsame
Gelegenheiten zum sprechen waren.

Vom 20ten bis den 29 October

Die gewöhnliche dem Reise-Zweck gemäße Lebens-Art mit täglicher
Besuchung des Hofs und Frequentirung der besten Gesellschafften ist
auch in diesen Tagen fortgesetzet worden, und haben wir 2 neue Be-
kantschafften acquiriret, nehmlich 1) den Marquis de Suze, des vorigen
Königs natürlichen Sohn, welcher aber legitimiret ist, auch deswegen
den Titul Altesse führet. Er soll seinen Herr Vater sehr ähnlich
sehen, scheinet auch viel von deßen Vivacitaet zu haben, ohner-
achtet an seinem Cörper viel überflüßiges Fleisch vorhanden.
Er ist Lieutenant general und praevaliret in seinem air das
martialische. 2) Den General Lieutenant von Borgsdorff, des
Marechal Rehbinders Stief-Sohn und der Marquise de Tan Bruder.
Er ist, gleich dem Marquis de Suze, unverheirathet und ein überaus
humaner und angenehmer Mann, der auch Illustrissimi Herrn Vater, als die-
selben durch Düßeldorff nach Engelland passiret, daselbst kennen
lernen, und nicht Gutes genug von ihnen zu rühmen wuste.
Wir sind sowol bey ihm, als bey dem alten Marechal in diesen
Tagen zu Gaste gewesen, das gröste Gastmal aber, dem wir
beygewohnet, war den 25 hujus, als auf den Geburts-Tag der Königin
in Spanien,
bey dem Spanischen Ambassadeur, wo von Gesandten
der Neapolitanische, Chur-Sächsische und Genuesische nebst vielen
Dames, in Specie auch die Frantzösische Ambassadrice, weil der Am-
bassadeur
Unpäßligkeit halber nicht erscheinen konnte, gegenwärtig
waren. Es wurde 3 mal abgehoben, und bestund iedweder
Abhub in 36 groß und kleinen Schüßeln; zum Genuß des desert
aber begab man sich in ein Neben-Zimmer an eine besonders
dazu eingerichtete Tafel, und stellete das Zuckerwerck eine mit
vielen Statuen, Treppen und balustraden gezierte Garten-
Terrasse vor, auf deren 4 Ecken 4 Fontainen sprungen.
Was uns bey diesem Tractament besonders gefallen, bestund
darinn, daß 1) kein einige Staats-Gesundheit getruncken, und
2) bey allem Uberfluß dennoch nur kaum 2 Stunden mit
dem gantzen Eßen zugebracht wurde. Nach aufgehobner
Tafel begab sich alles nach Hause, und versamlete sich erst
wider gegen 7 Uhr bey dem Ambassadeur, um dem Musicalischen
Concert und der assemblée bey zuwohnen. Jenes bestund in
bloßen Instrumenten, und ließen sich dabey etliche Virtuosen
aus hiesiger Königlicher Capelle sehr wohl hören. Die zur

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[0490] 238 Schecken zu reden wuste, bey der Comtesse de St: Gille, bey der Marquise d'Entraive, und endlich bey der Marquise de Borgeal, an welchen Ørten allen kleine Gesellschaften, und genugsame Gelegenheiten zum sprechen waren. Vom 20ten bis d: 29 Octobr: Die gewöhnliche dem Reise-Zweck gemäße Lebens-Art mit täglicher Besuchung des Hofs und Frequentirung der besten Gesellschafften ist auch in diesen Tagen fortgesetzet worden, und haben wir 2 neue Be- kantschafften acquiriret, nehmlich 1) den Marquis de Suze, des vorigen Königs natürlichen Sohn, welcher aber legitimiret ist, auch deswegen den Titul Altesse führet. Er soll seinen Hl: Vater sehr ähnlich sehen, scheinet auch viel von deßen Vivacitaet zu haben, ohner- achtet an seinem Cörper viel überflüßiges Fleisch vorhanden. Er ist Lieutenant general und praevaliret in seinem air das martialische. 2) Den General Lieutenant von Borgsdorff, des Marechal Rehbinders Stief-Sohn und der Marquise de Tan Bruder. Er ist, gleich dem Marquis de Suze, unverheirathet und ein überaus humaner und angenehmer Mann, der auch Illmi Hn Vater, als die- selben durch Düßeldorff nach Engelland passiret, daselbst kennen lernen, und nicht Gutes genug von ihnen zu rühmen wuste. Wir sind sowol bey ihm, als bey dem alten Marechal in diesen Tagen zu Gaste gewesen, das gröste Gastmal aber, dem wir beygewohnet, war d: 25 hujus, als auf den Geburts-Tag der Königin in Spanien, bey dem Spanischen Ambassadeur, wo von Gesandten der Neapolitanische, Chur-Sächsische und Genuesische nebst vielen Dames, in Specie auch die Frantzöl: Ambassadrice, weil der Am- bassadeur Unpäßligkeit halber nicht erscheinen konnte, gegenwärtig waren. Es wurde 3 mal abgehoben, und bestund iedweder Abhub in 36 groß und kleinen Schüßeln; zum Genuß des desert aber begab man sich in ein Neben-Zimmer an eine besonders dazu eingerichtete Tafel, und stellete das Zuckerwerck eine mit vielen Statuen, Treppen und balustraden gezierte Garten- Terrasse vor, auf deren 4 Ecken 4 Fontainen sprungen. Was uns bey diesem Tractament besonders gefallen, bestund darinn, daß 1) kein einige Staats-Gesundheit getruncken, und 2) bey allem Uberfluß dennoch nur kaum 2 Stunden mit dem gantzen Eßen zugebracht wurde. Nach aufgehobner Tafel begab sich alles nach Hause, und versamlete sich erst wider gegen 7 Uhr bey dem Ambassadeur, um dem Musicalischen Concert und der assemblée bey zuwohnen. Jenes bestund in bloßen Instrumenten, und ließen sich dabey etl: Virtuosen aus hiesiger Königl: Capelle sehr wohl hören. Die zur

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/490>, abgerufen am 24.11.2024.