Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].Guercino, Correggio und Balestra. In der Kirche S. Andreae, und Guercino, Correggio und Balestra. In der Kirche S. Andreae, und <TEI> <text> <body> <div type="letter"> <div type="diaryEntry"> <p><pb facs="#f0779"/> Guercino, Correggio und Balestra. In der <hi rendition="#u">Kirche S. Andre</hi>ae, und<lb/> zwar in einem mit 16 altären versehenen Souterrain, wird ein großer<lb/> Theil des vorgegebenen Bluts Christi aufbehalten, und alle Jahr ein<lb/> mal gezeiget. Oben in der Kirche über dem Ort dieses unterirdischen<lb/> Heiligthums ist ein Brust Gelender von marmor aufgerichtet,<lb/> um welches die Leute herum knien, und auf einem mitten in<lb/> solcher balustrade auf der Erde liegenden marmor Stein fol-<lb/> gende Worte lesen können: Procumbe hic, et pretium redemptio-<lb/> nis tua adora. In eben dieser Andreas-Kirche stehet neben der Thür<lb/> eine ziemlich große Glocke von Metall, welche, zwischen dem<lb/> unteren Umfang und dem oberen gewöllbten Theil, 8 nach der<lb/> Länge hinunter durchbrochene Öffnungen hat. Die fabulosen<lb/> Erzehlungen von dieser Glocke<del rendition="#s">,</del> verdienen hier keinen Platz,<lb/> und scheinet dieselbe weiter nichts ein Kunst-Stück eines<lb/> Glocken-Gießers zu seyn, der vieleicht geglaubet den Klang<lb/> dadurch desto heller zu machen, weil <add place="superlinear">er </add>die invention <add place="superlinear">dem ansehen nach </add>von einer<lb/> Cymbal <del rendition="#s">scheinet</del> her genommen <del rendition="#s">zu seyn</del>. Das hiesi<hi rendition="#u">ge Fran</hi>=<lb/><hi rendition="#u">ciscaner Kloster</hi> ist inwendig so propre gebauet, als man<lb/> nicht leicht eines von diesem Bettel=Orden in Italien findet,<lb/> hat auch eine recht feine bibliothec. Man kan aus diesem<lb/> Kloster die Beschaffenheit des Lacs, darinn die Stadt lieget,<lb/> am besten übersehen. <hi rendition="#u">Das Schloß der Hertzoge</hi> ist zwar nicht<lb/> modern und regulair, aber massiv groß und weitläuffig,<lb/> und hat der obbenannte commandierende General darauf<lb/> seine Wohnung. Die ehemalige<del rendition="#s">n</del> so berühmte hertzogliche gale-<lb/> rie und Kunst=Kammer, und alles andre ist wüst und leer,<lb/> und die kostbare halb bedeckte und halb unbedeckte Reitbahn,<lb/> welche der letzte Hertzog Ferdinandus Carolus ao: 1700 erbauet,<lb/> ist ietzt ein Magazin von Brettern, und andern zur artile<lb/> rie dienenden HoltzWerck, daß man also der Nichtigkeit und<lb/> Flüchtigkeit Menschlicher Dinge sich hier erinnern kan. N<subst><del rendition="#s">a</del><add place="superlinear">o</add></subst>ch<lb/> einem tiefferen Eindruck von dieser Wahrheit giebt einem<lb/> das dichte vor der Stadt gelegene H<hi rendition="#u">ertzogliche Lusthauß</hi>,<lb/><hi rendition="#u">Palazzo di The</hi> genannt, welches nach einer sehr guten<lb/> architectur gebauet, und von dem großen Julio Romano<lb/> inwendig en fresco ausgemahlet, zum Theil aber mit recht alt- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0779]
Guercino, Correggio und Balestra. In der Kirche S. Andreae, und
zwar in einem mit 16 altären versehenen Souterrain, wird ein großer
Theil des vorgegebenen Bluts Christi aufbehalten, und alle Jahr ein
mal gezeiget. Oben in der Kirche über dem Ort dieses unterirdischen
Heiligthums ist ein Brust Gelender von marmor aufgerichtet,
um welches die Leute herum knien, und auf einem mitten in
solcher balustrade auf der Erde liegenden marmor Stein fol-
gende Worte lesen können: Procumbe hic, et pretium redemptio-
nis tua adora. In eben dieser Andreas-Kirche stehet neben der Thür
eine ziemlich große Glocke von Metall, welche, zwischen dem
unteren Umfang und dem oberen gewöllbten Theil, 8 nach der
Länge hinunter durchbrochene Öffnungen hat. Die fabulosen
Erzehlungen von dieser Glocke verdienen hier keinen Platz,
und scheinet dieselbe weiter nichts ein Kunst-Stück eines
Glocken-Gießers zu seyn, der vieleicht geglaubet den Klang
dadurch desto heller zu machen, weil er die invention dem ansehen nach von einer
Cymbal her genommen . Das hiesige Fran=
ciscaner Kloster ist inwendig so propre gebauet, als man
nicht leicht eines von diesem Bettel=Orden in Italien findet,
hat auch eine recht feine bibliothec. Man kan aus diesem
Kloster die Beschaffenheit des Lacs, darinn die Stadt lieget,
am besten übersehen. Das Schloß der Hertzoge ist zwar nicht
modern und regulair, aber massiv groß und weitläuffig,
und hat der obbenannte commandierende General darauf
seine Wohnung. Die ehemalige so berühmte hertzogliche gale-
rie und Kunst=Kammer, und alles andre ist wüst und leer,
und die kostbare halb bedeckte und halb unbedeckte Reitbahn,
welche der letzte Hertzog Ferdinandus Carolus ao: 1700 erbauet,
ist ietzt ein Magazin von Brettern, und andern zur artile
rie dienenden HoltzWerck, daß man also der Nichtigkeit und
Flüchtigkeit Menschlicher Dinge sich hier erinnern kan. Noch
einem tiefferen Eindruck von dieser Wahrheit giebt einem
das dichte vor der Stadt gelegene Hertzogliche Lusthauß,
Palazzo di The genannt, welches nach einer sehr guten
architectur gebauet, und von dem großen Julio Romano
inwendig en fresco ausgemahlet, zum Theil aber mit recht alt-
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Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate
Weitere Informationen:Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
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