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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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de Iustitia et Iure.
erlaubt seyn, ihren Kindern den gebührenden Pflichtheil,
durch Schenkung, Vermächtniß oder Fideicommiß zu hin-
terlassen, ohne sie zu Erben einzusetzen. Haben die El-
tern diese Vorschrift nicht beobachtet, so haben sie nur
in Ansehung der Erbenseinsetzung wider das Gesez
gehandelt, nicht in Ansehung dessen, was sie sonst an
Vermächtnissen, Fideicommissen, Vormundschaften, u. d.
in ihren lezten Willen verordnet haben. Also ist nur jene
ungültig, alles andere hingegen bleibt aufrecht. Ich
übergehe andere Beyspiele 79), und bemerke nur noch,
daß in den angeführten Fällen die bekannte Regel: utile
per inutile non vitiatur
80) eintrit, welche jedoch nicht
in jedem Fall anwendbar ist 81).

Noch eine Frage ist zu erörtern übrig, nehmlich
diese, ob gegen verbietende Vorschriften der Gesetze eine
Entsagung statt finde? Nach der Natur verbietender
Gesetze können wir hierauf anders nicht als mit Nein
antworten. Denn denken wir uns ein verbietendes Gesez,
so lässet sich damit ohne Widerspruch nicht verbinden,
daß es den Unterthanen erlaubt sey, demselben nach Gut-

befin-
79) Man vergleiche L. 5. §. 2. L. 31. §. 4. D. de donat.
inter Vir. et Vx. L. 7. C. de inoff. donat.
80) L. 1. §. 5. D. de Verb. obligat. cap. 37. de Reg. Iur.
in 6to.
81) averanius Interpretat. iuris Tom. I. Lib. II.
c. 3. n.
11. und 12. bestimmt den Gebrauch obiger Regel
folgendergestalt: Haec regula obtinet, cum lex siatuit
certam quantitatem, quam excedere non licet: tunc enim
vitiatur solus excessus, quia vitium est solummodo in ex-
cessu. Contra vero, quando lex statuit aliquid de natura
actus, eique formam praescribit, tunc quia vitium est in
ipsa natura formaque actus, necesse est, ut totus actus
corruat.

de Iuſtitia et Iure.
erlaubt ſeyn, ihren Kindern den gebuͤhrenden Pflichtheil,
durch Schenkung, Vermaͤchtniß oder Fideicommiß zu hin-
terlaſſen, ohne ſie zu Erben einzuſetzen. Haben die El-
tern dieſe Vorſchrift nicht beobachtet, ſo haben ſie nur
in Anſehung der Erbenseinſetzung wider das Geſez
gehandelt, nicht in Anſehung deſſen, was ſie ſonſt an
Vermaͤchtniſſen, Fideicommiſſen, Vormundſchaften, u. d.
in ihren lezten Willen verordnet haben. Alſo iſt nur jene
unguͤltig, alles andere hingegen bleibt aufrecht. Ich
uͤbergehe andere Beyſpiele 79), und bemerke nur noch,
daß in den angefuͤhrten Faͤllen die bekannte Regel: utile
per inutile non vitiatur
80) eintrit, welche jedoch nicht
in jedem Fall anwendbar iſt 81).

Noch eine Frage iſt zu eroͤrtern uͤbrig, nehmlich
dieſe, ob gegen verbietende Vorſchriften der Geſetze eine
Entſagung ſtatt finde? Nach der Natur verbietender
Geſetze koͤnnen wir hierauf anders nicht als mit Nein
antworten. Denn denken wir uns ein verbietendes Geſez,
ſo laͤſſet ſich damit ohne Widerſpruch nicht verbinden,
daß es den Unterthanen erlaubt ſey, demſelben nach Gut-

befin-
79) Man vergleiche L. 5. §. 2. L. 31. §. 4. D. de donat.
inter Vir. et Vx. L. 7. C. de inoff. donat.
80) L. 1. §. 5. D. de Verb. obligat. cap. 37. de Reg. Iur.
in 6to.
81) averanius Interpretat. iuris Tom. I. Lib. II.
c. 3. n.
11. und 12. beſtimmt den Gebrauch obiger Regel
folgendergeſtalt: Haec regula obtinet, cum lex ſiatuit
certam quantitatem, quam excedere non licet: tunc enim
vitiatur ſolus exceſſus, quia vitium eſt ſolummodo in ex-
ceſſu. Contra vero, quando lex ſtatuit aliquid de natura
actus, eique formam praeſcribit, tunc quia vitium eſt in
ipſa natura formaque actus, neceſſe eſt, ut totus actus
corruat.
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[107/0127] de Iuſtitia et Iure. erlaubt ſeyn, ihren Kindern den gebuͤhrenden Pflichtheil, durch Schenkung, Vermaͤchtniß oder Fideicommiß zu hin- terlaſſen, ohne ſie zu Erben einzuſetzen. Haben die El- tern dieſe Vorſchrift nicht beobachtet, ſo haben ſie nur in Anſehung der Erbenseinſetzung wider das Geſez gehandelt, nicht in Anſehung deſſen, was ſie ſonſt an Vermaͤchtniſſen, Fideicommiſſen, Vormundſchaften, u. d. in ihren lezten Willen verordnet haben. Alſo iſt nur jene unguͤltig, alles andere hingegen bleibt aufrecht. Ich uͤbergehe andere Beyſpiele 79), und bemerke nur noch, daß in den angefuͤhrten Faͤllen die bekannte Regel: utile per inutile non vitiatur 80) eintrit, welche jedoch nicht in jedem Fall anwendbar iſt 81). Noch eine Frage iſt zu eroͤrtern uͤbrig, nehmlich dieſe, ob gegen verbietende Vorſchriften der Geſetze eine Entſagung ſtatt finde? Nach der Natur verbietender Geſetze koͤnnen wir hierauf anders nicht als mit Nein antworten. Denn denken wir uns ein verbietendes Geſez, ſo laͤſſet ſich damit ohne Widerſpruch nicht verbinden, daß es den Unterthanen erlaubt ſey, demſelben nach Gut- befin- 79) Man vergleiche L. 5. §. 2. L. 31. §. 4. D. de donat. inter Vir. et Vx. L. 7. C. de inoff. donat. 80) L. 1. §. 5. D. de Verb. obligat. cap. 37. de Reg. Iur. in 6to. 81) averanius Interpretat. iuris Tom. I. Lib. II. c. 3. n. 11. und 12. beſtimmt den Gebrauch obiger Regel folgendergeſtalt: Haec regula obtinet, cum lex ſiatuit certam quantitatem, quam excedere non licet: tunc enim vitiatur ſolus exceſſus, quia vitium eſt ſolummodo in ex- ceſſu. Contra vero, quando lex ſtatuit aliquid de natura actus, eique formam praeſcribit, tunc quia vitium eſt in ipſa natura formaque actus, neceſſe eſt, ut totus actus corruat.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/127>, abgerufen am 21.11.2024.