Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.de Iustitia et Iure. zwar denen im alten Testament vorkommenden göttlichenSatzungen die allgemein- und schlechterdings verbindende Gesetzeskraft ab, insofern nehmlich dieselben blos will- kührliche Vorschriften sind; sie glauben aber, daß das neue Testament dergleichen allgemein verbindliche positive göttliche Gesetze enthalte; sie rechnen z. B. dahin die Vorschriften von der Ehescheidung, ferner von Vermei- dung der Blutschande u. d. 50). Die meisten heutigen Rechtsgelehrten verwerfen jedoch jene Eintheilung des göttlichen Positivrechts, und nehmen blos ein ius posi- tivum divinum particulare an 51). Die Frage, ob es allgemeine positive göttliche Gesetze gebe, ist freylich von jeher sehr bestritten worden, und man kann nicht läugnen, daß sie von wichtigen Folgen sey; denn statuirt man solche Gesetze wirklich, so muß man de- nenselben auch eine unabänderliche Verbindlichkeit beyle- gen, und kann mithin keine Dispensation dagegen zulas- sen. Ich meines Theils kann mich nun von der Existenz solcher Gesetze nicht überzeugen, und ich denke, man wird es mir für keine Arroganz auslegen, wenn ich ge- radezu sage, daß diejenigen, welche für das Daseyn derselben streiten, in einem zwifachen Irthum sich befin- den. Erstlich: daß sie manche in der heil. Schrift ent- Vermeidung blutschänderischer Heirathen. Dessau 1771. 8. Ein gründliches Urtheil über diese Schrift findet man in Schotts Critic. IV. Bandes 36. Stück. S. 508. und folg. 50) Car. Christph. hofacker Princip. iur. civ. Rom. Germ. T. I. §. 10. -- Iuris divini positivi univer- salis ratio in eo ponenda est, ut omnes, quibus innotuit, obliget, adeoque universale sit non promulgationis, sed obligationis ratione. 51) Die beste Schrift ist das von unserm Auctor not. a. angeführte Opusculum des Io. Andr. hannesen, er- schienen Goettingae 1744. 8. K 2
de Iuſtitia et Iure. zwar denen im alten Teſtament vorkommenden goͤttlichenSatzungen die allgemein- und ſchlechterdings verbindende Geſetzeskraft ab, inſofern nehmlich dieſelben blos will- kuͤhrliche Vorſchriften ſind; ſie glauben aber, daß das neue Teſtament dergleichen allgemein verbindliche poſitive goͤttliche Geſetze enthalte; ſie rechnen z. B. dahin die Vorſchriften von der Eheſcheidung, ferner von Vermei- dung der Blutſchande u. d. 50). Die meiſten heutigen Rechtsgelehrten verwerfen jedoch jene Eintheilung des goͤttlichen Poſitivrechts, und nehmen blos ein ius poſi- tivum divinum particulare an 51). Die Frage, ob es allgemeine poſitive goͤttliche Geſetze gebe, iſt freylich von jeher ſehr beſtritten worden, und man kann nicht laͤugnen, daß ſie von wichtigen Folgen ſey; denn ſtatuirt man ſolche Geſetze wirklich, ſo muß man de- nenſelben auch eine unabaͤnderliche Verbindlichkeit beyle- gen, und kann mithin keine Dispenſation dagegen zulaſ- ſen. Ich meines Theils kann mich nun von der Exiſtenz ſolcher Geſetze nicht uͤberzeugen, und ich denke, man wird es mir fuͤr keine Arroganz auslegen, wenn ich ge- radezu ſage, daß diejenigen, welche fuͤr das Daſeyn derſelben ſtreiten, in einem zwifachen Irthum ſich befin- den. Erſtlich: daß ſie manche in der heil. Schrift ent- Vermeidung blutſchaͤnderiſcher Heirathen. Deſſau 1771. 8. Ein gruͤndliches Urtheil uͤber dieſe Schrift findet man in Schotts Critic. IV. Bandes 36. Stuͤck. S. 508. und folg. 50) Car. Chriſtph. hofacker Princip. iur. civ. Rom. Germ. T. I. §. 10. — Iuris divini positivi univer- salis ratio in eo ponenda eſt, ut omnes, quibus innotuit, obliget, adeoque universale ſit non promulgationis, ſed obligationis ratione. 51) Die beſte Schrift iſt das von unſerm Auctor not. a. angefuͤhrte Opuſculum des Io. Andr. hannesen, er- ſchienen Goettingae 1744. 8. K 2
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de Iuſtitia et Iure.
zwar denen im alten Teſtament vorkommenden goͤttlichen
Satzungen die allgemein- und ſchlechterdings verbindende
Geſetzeskraft ab, inſofern nehmlich dieſelben blos will-
kuͤhrliche Vorſchriften ſind; ſie glauben aber, daß das
neue Teſtament dergleichen allgemein verbindliche poſitive
goͤttliche Geſetze enthalte; ſie rechnen z. B. dahin die
Vorſchriften von der Eheſcheidung, ferner von Vermei-
dung der Blutſchande u. d. 50). Die meiſten heutigen
Rechtsgelehrten verwerfen jedoch jene Eintheilung des
goͤttlichen Poſitivrechts, und nehmen blos ein ius poſi-
tivum divinum particulare an 51). Die Frage, ob
es allgemeine poſitive goͤttliche Geſetze gebe,
iſt freylich von jeher ſehr beſtritten worden, und man
kann nicht laͤugnen, daß ſie von wichtigen Folgen ſey; denn
ſtatuirt man ſolche Geſetze wirklich, ſo muß man de-
nenſelben auch eine unabaͤnderliche Verbindlichkeit beyle-
gen, und kann mithin keine Dispenſation dagegen zulaſ-
ſen. Ich meines Theils kann mich nun von der Exiſtenz
ſolcher Geſetze nicht uͤberzeugen, und ich denke, man
wird es mir fuͤr keine Arroganz auslegen, wenn ich ge-
radezu ſage, daß diejenigen, welche fuͤr das Daſeyn
derſelben ſtreiten, in einem zwifachen Irthum ſich befin-
den. Erſtlich: daß ſie manche in der heil. Schrift
ent-
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50) Car. Chriſtph. hofacker Princip. iur. civ. Rom.
Germ. T. I. §. 10. — Iuris divini positivi univer-
salis ratio in eo ponenda eſt, ut omnes, quibus innotuit,
obliget, adeoque universale ſit non promulgationis, ſed
obligationis ratione.
51) Die beſte Schrift iſt das von unſerm Auctor not. a.
angefuͤhrte Opuſculum des Io. Andr. hannesen, er-
ſchienen Goettingae 1744. 8.
49) Vermeidung blutſchaͤnderiſcher Heirathen.
Deſſau 1771. 8. Ein gruͤndliches Urtheil uͤber dieſe
Schrift findet man in Schotts Critic. IV. Bandes 36.
Stuͤck. S. 508. und folg.
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