Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite
de Iustitia et Iure.
lich entzogen hat; und also diejenigen Wirkungen,
welche in den Gesetzen nicht ausdrücklich aufgehoben
sind, allerdings auch in foro civili fortdaurend ihr
verbleiben;
Drittens: daß eine natürliche Zwangspflicht der Be-
stättigung des bürgerlichen Gesezgebers nicht bedürfe,
folglich allerdings auch alsdenn in den bürgerlichen
Gerichten klagbar sey, wenn sie auch gleich in den
Civilgesetzen nicht wiederholt bestättiget worden; end-
lich
Viertens: was an sich nur Liebespflicht ist, auch in
foro civili
nicht mehr Kraft habe, mithin in Ge-
richten als erzwingbare Schuldigkeit nie gefordert
werden könne; es wäre denn, daß durch Vorschrift
des bürgerlichen Rechts das Gegentheil verordnet wor-
den. (§. 3. S. 38. u. folgg.)

Dieses vorausgeschickt, so reducirt sich nun das
Verhältnis der blos natürlichen Verbindlichkeiten,
d. i. derjenigen, welche in den Civilgesetzen nicht aus-
drücklich bestättiget worden sind, in Absicht der gericht-
lichen Wirkung, eigentlich auf drey Fälle. Sie sind
entweder durch die bürgerlichen Gesetze ganz aufgeho-
ben
und destruirt, oder der gerichtlichen Wirkung
nach nur eingeschränkt; oder sie sind weder repro-
birt, noch eingeschränkt worden, sondern solche, deren
die positiven Gesetze nicht erwähnen. Wir wollen von
der leztern Art natürlicher Verbindlichkeiten und ihrer
gerichtlichen Wirkung zuerst handeln. Daß diese ent-
weder Liebes- oder Zwangspflichten seyn können,
ist bekannt; und daß beyde auch im bürgerlichen Zustan-
de diejenige Wirkung haben, die sie ausser diesem Zu-
stande gehabt haben würden, ist schon vorhin bemerket
worden; ich setze nehmlich voraus, daß die bürgerlichen

Ge-
de Iuſtitia et Iure.
lich entzogen hat; und alſo diejenigen Wirkungen,
welche in den Geſetzen nicht ausdruͤcklich aufgehoben
ſind, allerdings auch in foro civili fortdaurend ihr
verbleiben;
Drittens: daß eine natuͤrliche Zwangspflicht der Be-
ſtaͤttigung des buͤrgerlichen Geſezgebers nicht beduͤrfe,
folglich allerdings auch alsdenn in den buͤrgerlichen
Gerichten klagbar ſey, wenn ſie auch gleich in den
Civilgeſetzen nicht wiederholt beſtaͤttiget worden; end-
lich
Viertens: was an ſich nur Liebespflicht iſt, auch in
foro civili
nicht mehr Kraft habe, mithin in Ge-
richten als erzwingbare Schuldigkeit nie gefordert
werden koͤnne; es waͤre denn, daß durch Vorſchrift
des buͤrgerlichen Rechts das Gegentheil verordnet wor-
den. (§. 3. S. 38. u. folgg.)

Dieſes vorausgeſchickt, ſo reducirt ſich nun das
Verhaͤltnis der blos natuͤrlichen Verbindlichkeiten,
d. i. derjenigen, welche in den Civilgeſetzen nicht aus-
druͤcklich beſtaͤttiget worden ſind, in Abſicht der gericht-
lichen Wirkung, eigentlich auf drey Faͤlle. Sie ſind
entweder durch die buͤrgerlichen Geſetze ganz aufgeho-
ben
und deſtruirt, oder der gerichtlichen Wirkung
nach nur eingeſchraͤnkt; oder ſie ſind weder repro-
birt, noch eingeſchraͤnkt worden, ſondern ſolche, deren
die poſitiven Geſetze nicht erwaͤhnen. Wir wollen von
der leztern Art natuͤrlicher Verbindlichkeiten und ihrer
gerichtlichen Wirkung zuerſt handeln. Daß dieſe ent-
weder Liebes- oder Zwangspflichten ſeyn koͤnnen,
iſt bekannt; und daß beyde auch im buͤrgerlichen Zuſtan-
de diejenige Wirkung haben, die ſie auſſer dieſem Zu-
ſtande gehabt haben wuͤrden, iſt ſchon vorhin bemerket
worden; ich ſetze nehmlich voraus, daß die buͤrgerlichen

Ge-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <list>
              <item><pb facs="#f0191" n="171"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">de Iu&#x017F;titia et Iure.</hi></fw><lb/>
lich entzogen hat; und al&#x017F;o diejenigen Wirkungen,<lb/>
welche in den Ge&#x017F;etzen nicht ausdru&#x0364;cklich aufgehoben<lb/>
&#x017F;ind, allerdings auch <hi rendition="#aq">in foro civili</hi> fortdaurend ihr<lb/>
verbleiben;</item><lb/>
              <item><hi rendition="#fr">Drittens:</hi> daß eine natu&#x0364;rliche Zwangspflicht der Be-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ttigung des bu&#x0364;rgerlichen Ge&#x017F;ezgebers nicht bedu&#x0364;rfe,<lb/>
folglich allerdings auch alsdenn in den bu&#x0364;rgerlichen<lb/>
Gerichten klagbar &#x017F;ey, wenn &#x017F;ie auch gleich in den<lb/>
Civilge&#x017F;etzen nicht wiederholt be&#x017F;ta&#x0364;ttiget worden; end-<lb/>
lich</item><lb/>
              <item><hi rendition="#fr">Viertens:</hi> was an &#x017F;ich nur Liebespflicht i&#x017F;t, auch <hi rendition="#aq">in<lb/>
foro civili</hi> nicht mehr Kraft habe, mithin in Ge-<lb/>
richten als erzwingbare Schuldigkeit nie gefordert<lb/>
werden ko&#x0364;nne; es wa&#x0364;re denn, daß durch Vor&#x017F;chrift<lb/>
des bu&#x0364;rgerlichen Rechts das Gegentheil verordnet wor-<lb/>
den. (§. 3. S. 38. u. folgg.)</item>
            </list><lb/>
            <p>Die&#x017F;es vorausge&#x017F;chickt, &#x017F;o reducirt &#x017F;ich nun das<lb/>
Verha&#x0364;ltnis der <hi rendition="#g">blos natu&#x0364;rlichen</hi> Verbindlichkeiten,<lb/>
d. i. derjenigen, welche in den Civilge&#x017F;etzen nicht aus-<lb/>
dru&#x0364;cklich be&#x017F;ta&#x0364;ttiget worden &#x017F;ind, in Ab&#x017F;icht der gericht-<lb/>
lichen Wirkung, eigentlich auf <hi rendition="#g">drey</hi> Fa&#x0364;lle. Sie &#x017F;ind<lb/>
entweder durch die bu&#x0364;rgerlichen Ge&#x017F;etze ganz <hi rendition="#g">aufgeho-<lb/>
ben</hi> und <hi rendition="#g">de&#x017F;truirt</hi>, oder der gerichtlichen Wirkung<lb/>
nach nur <hi rendition="#g">einge&#x017F;chra&#x0364;nkt</hi>; oder &#x017F;ie &#x017F;ind weder repro-<lb/>
birt, noch einge&#x017F;chra&#x0364;nkt worden, &#x017F;ondern &#x017F;olche, deren<lb/>
die po&#x017F;itiven Ge&#x017F;etze nicht <hi rendition="#g">erwa&#x0364;hnen</hi>. Wir wollen von<lb/>
der leztern Art natu&#x0364;rlicher Verbindlichkeiten und ihrer<lb/>
gerichtlichen Wirkung zuer&#x017F;t handeln. Daß die&#x017F;e ent-<lb/>
weder <hi rendition="#g">Liebes- oder Zwangspflichten</hi> &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen,<lb/>
i&#x017F;t bekannt; und daß beyde auch im bu&#x0364;rgerlichen Zu&#x017F;tan-<lb/>
de diejenige Wirkung haben, die &#x017F;ie au&#x017F;&#x017F;er die&#x017F;em Zu-<lb/>
&#x017F;tande gehabt haben wu&#x0364;rden, i&#x017F;t &#x017F;chon vorhin bemerket<lb/>
worden; ich &#x017F;etze nehmlich voraus, daß die bu&#x0364;rgerlichen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ge-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[171/0191] de Iuſtitia et Iure. lich entzogen hat; und alſo diejenigen Wirkungen, welche in den Geſetzen nicht ausdruͤcklich aufgehoben ſind, allerdings auch in foro civili fortdaurend ihr verbleiben; Drittens: daß eine natuͤrliche Zwangspflicht der Be- ſtaͤttigung des buͤrgerlichen Geſezgebers nicht beduͤrfe, folglich allerdings auch alsdenn in den buͤrgerlichen Gerichten klagbar ſey, wenn ſie auch gleich in den Civilgeſetzen nicht wiederholt beſtaͤttiget worden; end- lich Viertens: was an ſich nur Liebespflicht iſt, auch in foro civili nicht mehr Kraft habe, mithin in Ge- richten als erzwingbare Schuldigkeit nie gefordert werden koͤnne; es waͤre denn, daß durch Vorſchrift des buͤrgerlichen Rechts das Gegentheil verordnet wor- den. (§. 3. S. 38. u. folgg.) Dieſes vorausgeſchickt, ſo reducirt ſich nun das Verhaͤltnis der blos natuͤrlichen Verbindlichkeiten, d. i. derjenigen, welche in den Civilgeſetzen nicht aus- druͤcklich beſtaͤttiget worden ſind, in Abſicht der gericht- lichen Wirkung, eigentlich auf drey Faͤlle. Sie ſind entweder durch die buͤrgerlichen Geſetze ganz aufgeho- ben und deſtruirt, oder der gerichtlichen Wirkung nach nur eingeſchraͤnkt; oder ſie ſind weder repro- birt, noch eingeſchraͤnkt worden, ſondern ſolche, deren die poſitiven Geſetze nicht erwaͤhnen. Wir wollen von der leztern Art natuͤrlicher Verbindlichkeiten und ihrer gerichtlichen Wirkung zuerſt handeln. Daß dieſe ent- weder Liebes- oder Zwangspflichten ſeyn koͤnnen, iſt bekannt; und daß beyde auch im buͤrgerlichen Zuſtan- de diejenige Wirkung haben, die ſie auſſer dieſem Zu- ſtande gehabt haben wuͤrden, iſt ſchon vorhin bemerket worden; ich ſetze nehmlich voraus, daß die buͤrgerlichen Ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/191
Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/191>, abgerufen am 21.11.2024.