Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet.
die Gewohnheit von der Art nicht ist, weil sich aus einer
oder der andern Handlung, die der Landesherr gegen das
Gesetz zugelassen, die Absicht desselben, daß das Gesetz
in Zukunft nicht mehr gelten solle, noch nicht immer mit
Gewißheit folgern lässet 25). Es müssen nun auch fer-
ner die Handlungen, aus denen die streitige Gewohnheit
dargethan werden soll, mit allen dabey vorgefallenen Um-
ständen angeführet werden, damit der Richter beurthei-
len könne, ob dieselbe sowohl unter sich conform sind,
als auch ob insonderheit die gegenwärtige streitige Hand-
lung von gleicher Art, oder doch unter jenen Handlun-
gen als Species begriffen sey. Daß die angezogene
Handlungen der Gewohnheit durch entgegen gesetzte nicht
unterbrochen worden sind, gehört nicht zum Beweiß-
thema; sondern ist die Gleichförmigkeit mehrerer Hand-
lungen erwiesen, so wird so lange vermuthet, daß diesel-
be nie unterbrochen worden sey, bis das Gegentheil dar-
gethan wird 26). Ob nicht aber die streitige Gewohn-
heit specifice und in individuo, erwiesen, das heißt, ob nicht
insbesondere dargethan werden müsse, daß eben derselbe
Fall, worüber gestritten wird, unter den nämlichen Um-
ständen schon mehrmalen vorgekommen, und dabey jeder-
zeit die behauptete Gewohnheit zur Regel genommen wor-
den sey? ist eine Frage, wobey die Rechtsgelehrten nicht
einerley Meynung sind. Die meisten wollen diese Frage
bejahen 27); und diesen stimmt auch unser Autor bey.

An-
25) kemmerich a. a. O. §. XII. S. 74.
26) schilter Praxi iur. Rom. Ex. II. §. 21. und kemmerich
a. a. O. Sect. II. §. VI. S. 65.
27) cothmann II. Resp. 84. n. 52. mrvius P. IV. Dec. 3.
n. 7. de wernher sel. Observat. for. P. V. Obs. 135. I. H.
boehmer in Iure Eccles. Protestant. T. I. Lib. I. Tit. IV.

§. 44.
G g 3

de Legibus, Senatusconſultis et longa conſuet.
die Gewohnheit von der Art nicht iſt, weil ſich aus einer
oder der andern Handlung, die der Landesherr gegen das
Geſetz zugelaſſen, die Abſicht deſſelben, daß das Geſetz
in Zukunft nicht mehr gelten ſolle, noch nicht immer mit
Gewißheit folgern laͤſſet 25). Es muͤſſen nun auch fer-
ner die Handlungen, aus denen die ſtreitige Gewohnheit
dargethan werden ſoll, mit allen dabey vorgefallenen Um-
ſtaͤnden angefuͤhret werden, damit der Richter beurthei-
len koͤnne, ob dieſelbe ſowohl unter ſich conform ſind,
als auch ob inſonderheit die gegenwaͤrtige ſtreitige Hand-
lung von gleicher Art, oder doch unter jenen Handlun-
gen als Species begriffen ſey. Daß die angezogene
Handlungen der Gewohnheit durch entgegen geſetzte nicht
unterbrochen worden ſind, gehoͤrt nicht zum Beweiß-
thema; ſondern iſt die Gleichfoͤrmigkeit mehrerer Hand-
lungen erwieſen, ſo wird ſo lange vermuthet, daß dieſel-
be nie unterbrochen worden ſey, bis das Gegentheil dar-
gethan wird 26). Ob nicht aber die ſtreitige Gewohn-
heit ſpecifice und in individuo, erwieſen, das heißt, ob nicht
insbeſondere dargethan werden muͤſſe, daß eben derſelbe
Fall, woruͤber geſtritten wird, unter den naͤmlichen Um-
ſtaͤnden ſchon mehrmalen vorgekommen, und dabey jeder-
zeit die behauptete Gewohnheit zur Regel genommen wor-
den ſey? iſt eine Frage, wobey die Rechtsgelehrten nicht
einerley Meynung ſind. Die meiſten wollen dieſe Frage
bejahen 27); und dieſen ſtimmt auch unſer Autor bey.

An-
25) kemmerich a. a. O. §. XII. S. 74.
26) schilter Praxi iur. Rom. Ex. II. §. 21. und kemmerich
a. a. O. Sect. II. §. VI. S. 65.
27) cothmann II. Reſp. 84. n. 52. mrvius P. IV. Dec. 3.
n. 7. de wernher ſel. Obſervat. for. P. V. Obſ. 135. I. H.
boehmer in Iure Eccleſ. Proteſtant. T. I. Lib. I. Tit. IV.

§. 44.
G g 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0487" n="467"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">de Legibus, Senatuscon&#x017F;ultis et longa con&#x017F;uet.</hi></fw><lb/>
die Gewohnheit von der Art nicht i&#x017F;t, weil &#x017F;ich aus einer<lb/>
oder der andern Handlung, die der Landesherr gegen das<lb/>
Ge&#x017F;etz zugela&#x017F;&#x017F;en, die Ab&#x017F;icht de&#x017F;&#x017F;elben, daß das Ge&#x017F;etz<lb/>
in Zukunft nicht mehr gelten &#x017F;olle, noch nicht immer mit<lb/>
Gewißheit folgern la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et <note place="foot" n="25)"><hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">kemmerich</hi></hi> a. a. O. §. <hi rendition="#aq">XII.</hi> S. 74.</note>. Es mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en nun auch fer-<lb/>
ner die Handlungen, aus denen die &#x017F;treitige Gewohnheit<lb/>
dargethan werden &#x017F;oll, mit allen dabey vorgefallenen Um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nden angefu&#x0364;hret werden, damit der Richter beurthei-<lb/>
len ko&#x0364;nne, ob die&#x017F;elbe &#x017F;owohl unter &#x017F;ich conform &#x017F;ind,<lb/>
als auch ob in&#x017F;onderheit die gegenwa&#x0364;rtige &#x017F;treitige Hand-<lb/>
lung von gleicher Art, oder doch unter jenen Handlun-<lb/>
gen als Species begriffen &#x017F;ey. Daß die angezogene<lb/>
Handlungen der Gewohnheit durch entgegen ge&#x017F;etzte nicht<lb/><hi rendition="#g">unterbrochen</hi> worden &#x017F;ind, geho&#x0364;rt nicht zum Beweiß-<lb/>
thema; &#x017F;ondern i&#x017F;t die Gleichfo&#x0364;rmigkeit mehrerer Hand-<lb/>
lungen erwie&#x017F;en, &#x017F;o wird &#x017F;o lange vermuthet, daß die&#x017F;el-<lb/>
be nie unterbrochen worden &#x017F;ey, bis das Gegentheil dar-<lb/>
gethan wird <note place="foot" n="26)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">schilter</hi> Praxi iur. Rom. Ex. II.</hi> §. 21. und <hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">kemmerich</hi></hi><lb/>
a. a. O. <hi rendition="#aq">Sect. II. §. VI.</hi> S. 65.</note>. Ob nicht aber die &#x017F;treitige Gewohn-<lb/>
heit <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">&#x017F;pecifice</hi></hi> und <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">in individuo</hi>,</hi> erwie&#x017F;en, das heißt, ob nicht<lb/>
insbe&#x017F;ondere dargethan werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, daß eben der&#x017F;elbe<lb/>
Fall, woru&#x0364;ber ge&#x017F;tritten wird, unter den na&#x0364;mlichen Um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nden &#x017F;chon mehrmalen vorgekommen, und dabey jeder-<lb/>
zeit die behauptete Gewohnheit zur Regel genommen wor-<lb/>
den &#x017F;ey? i&#x017F;t eine Frage, wobey die Rechtsgelehrten nicht<lb/>
einerley Meynung &#x017F;ind. Die mei&#x017F;ten wollen die&#x017F;e Frage<lb/>
bejahen <note xml:id="seg2pn_77_1" next="#seg2pn_77_2" place="foot" n="27)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">cothmann</hi> II. Re&#x017F;p. 84. n. 52. <hi rendition="#k">mrvius</hi> P. IV. Dec. 3.<lb/>
n. 7. <hi rendition="#i">de</hi> <hi rendition="#k">wernher</hi> &#x017F;el. Ob&#x017F;ervat. for. P. V. Ob&#x017F;. 135. <hi rendition="#i">I. H.</hi><lb/><hi rendition="#k">boehmer</hi> in Iure Eccle&#x017F;. Prote&#x017F;tant. T. I. Lib. I. Tit. IV.</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">§. 44.</fw></note>; und die&#x017F;en &#x017F;timmt auch un&#x017F;er Autor bey.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G g 3</fw><fw place="bottom" type="catch">An-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[467/0487] de Legibus, Senatusconſultis et longa conſuet. die Gewohnheit von der Art nicht iſt, weil ſich aus einer oder der andern Handlung, die der Landesherr gegen das Geſetz zugelaſſen, die Abſicht deſſelben, daß das Geſetz in Zukunft nicht mehr gelten ſolle, noch nicht immer mit Gewißheit folgern laͤſſet 25). Es muͤſſen nun auch fer- ner die Handlungen, aus denen die ſtreitige Gewohnheit dargethan werden ſoll, mit allen dabey vorgefallenen Um- ſtaͤnden angefuͤhret werden, damit der Richter beurthei- len koͤnne, ob dieſelbe ſowohl unter ſich conform ſind, als auch ob inſonderheit die gegenwaͤrtige ſtreitige Hand- lung von gleicher Art, oder doch unter jenen Handlun- gen als Species begriffen ſey. Daß die angezogene Handlungen der Gewohnheit durch entgegen geſetzte nicht unterbrochen worden ſind, gehoͤrt nicht zum Beweiß- thema; ſondern iſt die Gleichfoͤrmigkeit mehrerer Hand- lungen erwieſen, ſo wird ſo lange vermuthet, daß dieſel- be nie unterbrochen worden ſey, bis das Gegentheil dar- gethan wird 26). Ob nicht aber die ſtreitige Gewohn- heit ſpecifice und in individuo, erwieſen, das heißt, ob nicht insbeſondere dargethan werden muͤſſe, daß eben derſelbe Fall, woruͤber geſtritten wird, unter den naͤmlichen Um- ſtaͤnden ſchon mehrmalen vorgekommen, und dabey jeder- zeit die behauptete Gewohnheit zur Regel genommen wor- den ſey? iſt eine Frage, wobey die Rechtsgelehrten nicht einerley Meynung ſind. Die meiſten wollen dieſe Frage bejahen 27); und dieſen ſtimmt auch unſer Autor bey. An- 25) kemmerich a. a. O. §. XII. S. 74. 26) schilter Praxi iur. Rom. Ex. II. §. 21. und kemmerich a. a. O. Sect. II. §. VI. S. 65. 27) cothmann II. Reſp. 84. n. 52. mrvius P. IV. Dec. 3. n. 7. de wernher ſel. Obſervat. for. P. V. Obſ. 135. I. H. boehmer in Iure Eccleſ. Proteſtant. T. I. Lib. I. Tit. IV. §. 44. G g 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/487
Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/487>, abgerufen am 22.11.2024.