Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.1. Buch. 5. Tit. §. 128. des genennt werden 2), sondern vermöge dieses gemein-schaftlichen Familienrechts beerben sich auch diese Agnaten unter einander selbst 3). Wer sich nun arrogiren läßt, hört auf sein eigener Herr (paterfamilias) zu seyn, und kommt in eines andern Gewalt, er verliehrt also dadurch das eigene Familienrecht. Wer hingegen emancipirt wird, verliehrt hierdurch das gemein- schaftliche Familienrecht, nämlich das ius sui here- dis, ehemals gieng dadurch auch das Agnationsrecht zu Grunde, und der emancipirte wurde in Ansehung sei- ner Familie als ein extraneus angesehen. In beyden Fällen geschahe also eine Capitisdeminution. Denn nicht zu gedenken, daß ehemals niemand bey den Römern eman- cipirt werden konnte, nisi, wie Paulus 4) sagt, in imagina- riam servilem causam deductus; denn die Emancipation ge- schahe durch einen Verkauf; so war ja auch der capite minutus gleichsam ein neuer Mensch geworden; denn durch die Emancipation ward er selbst Paterfamilias, und Haupt einer eigenen Familie; durch Arrogation und Adoption aber Theil und Mitglied einer andern Familie; in Ansehung seines vorigen Familienzustandes war er also gleichsam für bürgerlich tod zu halten 5). Ein Satz, der für das Rechtssystem der Römer von den wichtigsten Folgen war. Ehe ich jedoch dieses weiter ausführe, muß ich zuförderst noch einer andern Eintheilung der Capitis- demi- 2) §. 2. I. de heredum qualitate et different. merillius Ob- servat. lib. I. c. 36. voorda Interpretat. et Emendat. iuris Rom. lib. I. c. 4. püttmann Probabil. iuris civ. lib. sing. c. VIII. S. 66. u. folgg. 3) bynkershoek Observat. iur. Rom. Lib. II. cap. I. und duisberg Diss. de principio successionis gentilitiae apud uet. Rom. §. 6. sqq. 4) L. 3. §. 1. D. de capite minut. 5) Conf. conradi in Parergis p. 178. sqq. und Desid. heral-
dus de rerum iudicatar. auctoritate lib. II. cap. 14. §. 2. 1. Buch. 5. Tit. §. 128. des genennt werden 2), ſondern vermoͤge dieſes gemein-ſchaftlichen Familienrechts beerben ſich auch dieſe Agnaten unter einander ſelbſt 3). Wer ſich nun arrogiren laͤßt, hoͤrt auf ſein eigener Herr (paterfamilias) zu ſeyn, und kommt in eines andern Gewalt, er verliehrt alſo dadurch das eigene Familienrecht. Wer hingegen emancipirt wird, verliehrt hierdurch das gemein- ſchaftliche Familienrecht, naͤmlich das ius ſui here- dis, ehemals gieng dadurch auch das Agnationsrecht zu Grunde, und der emancipirte wurde in Anſehung ſei- ner Familie als ein extraneus angeſehen. In beyden Faͤllen geſchahe alſo eine Capitisdeminution. Denn nicht zu gedenken, daß ehemals niemand bey den Roͤmern eman- cipirt werden konnte, niſi, wie Paulus 4) ſagt, in imagina- riam ſervilem cauſam deductus; denn die Emancipation ge- ſchahe durch einen Verkauf; ſo war ja auch der capite minutus gleichſam ein neuer Menſch geworden; denn durch die Emancipation ward er ſelbſt Paterfamilias, und Haupt einer eigenen Familie; durch Arrogation und Adoption aber Theil und Mitglied einer andern Familie; in Anſehung ſeines vorigen Familienzuſtandes war er alſo gleichſam fuͤr buͤrgerlich tod zu halten 5). Ein Satz, der fuͤr das Rechtsſyſtem der Roͤmer von den wichtigſten Folgen war. Ehe ich jedoch dieſes weiter ausfuͤhre, muß ich zufoͤrderſt noch einer andern Eintheilung der Capitis- demi- 2) §. 2. I. de heredum qualitate et different. merillius Ob- ſervat. lib. I. c. 36. voorda Interpretat. et Emendat. iuris Rom. lib. I. c. 4. püttmann Probabil. iuris civ. lib. ſing. c. VIII. S. 66. u. folgg. 3) bynkershoek Obſervat. iur. Rom. Lib. II. cap. I. und duisberg Diſſ. de principio ſucceſſionis gentilitiae apud uet. Rom. §. 6. ſqq. 4) L. 3. §. 1. D. de capite minut. 5) Conf. conradi in Parergis p. 178. ſqq. und Deſid. heral-
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1. Buch. 5. Tit. §. 128.
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ſchaftlichen Familienrechts beerben ſich auch dieſe Agnaten
unter einander ſelbſt 3). Wer ſich nun arrogiren
laͤßt, hoͤrt auf ſein eigener Herr (paterfamilias) zu ſeyn,
und kommt in eines andern Gewalt, er verliehrt alſo
dadurch das eigene Familienrecht. Wer hingegen
emancipirt wird, verliehrt hierdurch das gemein-
ſchaftliche Familienrecht, naͤmlich das ius ſui here-
dis, ehemals gieng dadurch auch das Agnationsrecht
zu Grunde, und der emancipirte wurde in Anſehung ſei-
ner Familie als ein extraneus angeſehen. In beyden
Faͤllen geſchahe alſo eine Capitisdeminution. Denn nicht
zu gedenken, daß ehemals niemand bey den Roͤmern eman-
cipirt werden konnte, niſi, wie Paulus 4) ſagt, in imagina-
riam ſervilem cauſam deductus; denn die Emancipation ge-
ſchahe durch einen Verkauf; ſo war ja auch der capite
minutus gleichſam ein neuer Menſch geworden; denn
durch die Emancipation ward er ſelbſt Paterfamilias,
und Haupt einer eigenen Familie; durch Arrogation und
Adoption aber Theil und Mitglied einer andern Familie;
in Anſehung ſeines vorigen Familienzuſtandes war er alſo
gleichſam fuͤr buͤrgerlich tod zu halten 5). Ein Satz,
der fuͤr das Rechtsſyſtem der Roͤmer von den wichtigſten
Folgen war. Ehe ich jedoch dieſes weiter ausfuͤhre, muß
ich zufoͤrderſt noch einer andern Eintheilung der Capitis-
demi-
2) §. 2. I. de heredum qualitate et different. merillius Ob-
ſervat. lib. I. c. 36. voorda Interpretat. et Emendat. iuris
Rom. lib. I. c. 4. püttmann Probabil. iuris civ. lib. ſing.
c. VIII. S. 66. u. folgg.
3) bynkershoek Obſervat. iur. Rom. Lib. II. cap. I. und
duisberg Diſſ. de principio ſucceſſionis gentilitiae apud uet.
Rom. §. 6. ſqq.
4) L. 3. §. 1. D. de capite minut.
5) Conf. conradi in Parergis p. 178. ſqq. und Deſid. heral-
dus de rerum iudicatar. auctoritate lib. II. cap. 14. §. 2.
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