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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

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1. Buch. 7. Tit. §. 160.

Von einer solchen Abdication reden nun die Kaiser
in L. 6. Cod. de patr. potest. Sie haben jedoch diese
keinesweges durch ihre Verordnung abgeschaft, wie Va-
lentin Forster
94) sich irrig eingebildet hat, sondern re-
scribiren nur, daß sie denen römischen Gesetzen nicht ge-
mäß sey. Nun ist zwar nicht zu läugnen, daß auch das
römische Alterthum viele Beyspiele aufstellt, daß Väter
ihre ungerathene Söhne von sich entfernt, und aus ih-
rem Hause verstossen haben. Denn so rechnet Sueron 95)
unter die häußlichen Unfälle des August, daß er seinen
an Sohnes Statt angenommenen Enkel, Agrippa, von
sich entfernen (abdicare) mußte. Eben das bestätigt der
ältere Plinius 96) mit gleichem Ausdruck. So erzählt
ferner Valerius Maximus 97), daß der Römer Titus
Manlius Torquatus über seinen Sohn Silanus, der
in Macedonien Ungerechtigkeiten und Treulosigkeiten be-
gangen hatte, vermöge seiner hausväterlichen Gewalt Un-
tersuchung angestellet, und ihm, weil er ihn schuldig be-
fand, befohlen habe, er möchte ihm sogleich aus den Au-
gen gehen, und hinfort sein Haus, so wie den Staat,
meiden. Mehrere Beyspiele hat Brißonius 98) gesamm-
let. Allein diese römische Abdication war weder de-
nen Gesetzen entgegen, noch mit der griechischen apokeru-
xis einerley, vielmehr von derselben nicht nur in Anse-
hung der Form sondern auch der Wirkung ganz verschie-

den.
94) in libr. de iurisdictione Romanor. welchen auch schon Luc.
van de
poll cit. libro Cap. VIII.
deshalb tadelt.
95) suetonius in vita Augusti cap. 65.
96) Lib. VII c. 45.
97) Lib. V. cap. 8. ex. 3. et 4.
98) Op. de verborum, quae ad ius civ. pertinent, signisicatione s. v.
Abdicare.
S. auch P. aerodius ad Quinctil. Declamat. 260.
1. Buch. 7. Tit. §. 160.

Von einer ſolchen Abdication reden nun die Kaiſer
in L. 6. Cod. de patr. poteſt. Sie haben jedoch dieſe
keinesweges durch ihre Verordnung abgeſchaft, wie Va-
lentin Forſter
94) ſich irrig eingebildet hat, ſondern re-
ſcribiren nur, daß ſie denen roͤmiſchen Geſetzen nicht ge-
maͤß ſey. Nun iſt zwar nicht zu laͤugnen, daß auch das
roͤmiſche Alterthum viele Beyſpiele aufſtellt, daß Vaͤter
ihre ungerathene Soͤhne von ſich entfernt, und aus ih-
rem Hauſe verſtoſſen haben. Denn ſo rechnet Sueron 95)
unter die haͤußlichen Unfaͤlle des Auguſt, daß er ſeinen
an Sohnes Statt angenommenen Enkel, Agrippa, von
ſich entfernen (abdicare) mußte. Eben das beſtaͤtigt der
aͤltere Plinius 96) mit gleichem Ausdruck. So erzaͤhlt
ferner Valerius Maximus 97), daß der Roͤmer Titus
Manlius Torquatus uͤber ſeinen Sohn Silanus, der
in Macedonien Ungerechtigkeiten und Treuloſigkeiten be-
gangen hatte, vermoͤge ſeiner hausvaͤterlichen Gewalt Un-
terſuchung angeſtellet, und ihm, weil er ihn ſchuldig be-
fand, befohlen habe, er moͤchte ihm ſogleich aus den Au-
gen gehen, und hinfort ſein Haus, ſo wie den Staat,
meiden. Mehrere Beyſpiele hat Brißonius 98) geſamm-
let. Allein dieſe roͤmiſche Abdication war weder de-
nen Geſetzen entgegen, noch mit der griechiſchen ἀποκὴρυ-
ξις einerley, vielmehr von derſelben nicht nur in Anſe-
hung der Form ſondern auch der Wirkung ganz verſchie-

den.
94) in libr. de iurisdictione Romanor. welchen auch ſchon Luc.
van de
poll cit. libro Cap. VIII.
deshalb tadelt.
95) suetonius in vita Auguſti cap. 65.
96) Lib. VII c. 45.
97) Lib. V. cap. 8. ex. 3. et 4.
98) Op. de verborum, quae ad ius civ. pertinent, ſigniſicatione ſ. v.
Abdicare.
S. auch P. aerodius ad Quinctil. Declamat. 260.
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[366/0380] 1. Buch. 7. Tit. §. 160. Von einer ſolchen Abdication reden nun die Kaiſer in L. 6. Cod. de patr. poteſt. Sie haben jedoch dieſe keinesweges durch ihre Verordnung abgeſchaft, wie Va- lentin Forſter 94) ſich irrig eingebildet hat, ſondern re- ſcribiren nur, daß ſie denen roͤmiſchen Geſetzen nicht ge- maͤß ſey. Nun iſt zwar nicht zu laͤugnen, daß auch das roͤmiſche Alterthum viele Beyſpiele aufſtellt, daß Vaͤter ihre ungerathene Soͤhne von ſich entfernt, und aus ih- rem Hauſe verſtoſſen haben. Denn ſo rechnet Sueron 95) unter die haͤußlichen Unfaͤlle des Auguſt, daß er ſeinen an Sohnes Statt angenommenen Enkel, Agrippa, von ſich entfernen (abdicare) mußte. Eben das beſtaͤtigt der aͤltere Plinius 96) mit gleichem Ausdruck. So erzaͤhlt ferner Valerius Maximus 97), daß der Roͤmer Titus Manlius Torquatus uͤber ſeinen Sohn Silanus, der in Macedonien Ungerechtigkeiten und Treuloſigkeiten be- gangen hatte, vermoͤge ſeiner hausvaͤterlichen Gewalt Un- terſuchung angeſtellet, und ihm, weil er ihn ſchuldig be- fand, befohlen habe, er moͤchte ihm ſogleich aus den Au- gen gehen, und hinfort ſein Haus, ſo wie den Staat, meiden. Mehrere Beyſpiele hat Brißonius 98) geſamm- let. Allein dieſe roͤmiſche Abdication war weder de- nen Geſetzen entgegen, noch mit der griechiſchen ἀποκὴρυ- ξις einerley, vielmehr von derſelben nicht nur in Anſe- hung der Form ſondern auch der Wirkung ganz verſchie- den. 94) in libr. de iurisdictione Romanor. welchen auch ſchon Luc. van de poll cit. libro Cap. VIII. deshalb tadelt. 95) suetonius in vita Auguſti cap. 65. 96) Lib. VII c. 45. 97) Lib. V. cap. 8. ex. 3. et 4. 98) Op. de verborum, quae ad ius civ. pertinent, ſigniſicatione ſ. v. Abdicare. S. auch P. aerodius ad Quinctil. Declamat. 260.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/380>, abgerufen am 23.11.2024.