Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

De adoptionibus, emancipationibus etc.
den. Denn wäre einmal diese Abdication schlechter-
dings wider die Gesetze gewesen, so würde ohne Zweifel
irgend ein alter Schriftsteller, der ihrer erwähnt, ein
Wort über ihre Ungerechtigkeit beygefügt, oder wenig-
stens auf irgend eine Art seinen Unwillen zu erkennen
gegeben haben. Hierzu kommt, daß Valerius Maxi-
mus
in dem angeführten Falle mit dem Manl. Torqua-
tus ausdrücklich den Gerechtigkeitseifer dieses Römers
rühmt, und ihn als einen der röm. Rechte sehr kundigen
Mann schildert. Denkt man sich nun noch insonderheit
den grossen Umfang von Rechten der römischen väter-
lichen Gewalt, die sogar in jenen ältern Zeiten ein Recht
über Leben und Tod der Kinder begrif, so wird man
schwerlich diese Abdication für eine gesetzwidrige Hand-
lung wenigstens nach den Rechten desjenigen Zeitalters,
aus welchem die davon vorkommende Beyspiele herrühren,
halten können 99).

Es war jedoch zum andern die römische Abdica-
tion von der griechischen apokeruxis ganz verschieden.
Denn die griechische war eine öffentliche und feyerliche
Handlung, die römische hingegen nur eine Privathand-
lung, welche nicht sowohl, wie jene, in den Worten ei-
nes geschriebenen Gesetzes, als vielmehr in dem Recht
der häußlichen Gerichtsbarkeit, dem edelsten
Kleinod der römischen väterlichen Gewalt, gegründet
war 100). Die griechische apokeruxis beraubte den ver-
stoßenen Sohn seiner Familien- und Erbrechte; die rö-
mische Abdicatio hingegen hob weder die aus der väter-

lichen
99) van de poll cit. libro Cap. VIII. §. 6. schubart de fatis
iurisprud. Rom. Exercit. I. §. 47. pag. 103. sqq.
100) S. breuning in der angef. Diss. Cap. IV. pag. 20. und
Cap. V. pag. 24.

De adoptionibus, emancipationibus etc.
den. Denn waͤre einmal dieſe Abdication ſchlechter-
dings wider die Geſetze geweſen, ſo wuͤrde ohne Zweifel
irgend ein alter Schriftſteller, der ihrer erwaͤhnt, ein
Wort uͤber ihre Ungerechtigkeit beygefuͤgt, oder wenig-
ſtens auf irgend eine Art ſeinen Unwillen zu erkennen
gegeben haben. Hierzu kommt, daß Valerius Maxi-
mus
in dem angefuͤhrten Falle mit dem Manl. Torqua-
tus ausdruͤcklich den Gerechtigkeitseifer dieſes Roͤmers
ruͤhmt, und ihn als einen der roͤm. Rechte ſehr kundigen
Mann ſchildert. Denkt man ſich nun noch inſonderheit
den groſſen Umfang von Rechten der roͤmiſchen vaͤter-
lichen Gewalt, die ſogar in jenen aͤltern Zeiten ein Recht
uͤber Leben und Tod der Kinder begrif, ſo wird man
ſchwerlich dieſe Abdication fuͤr eine geſetzwidrige Hand-
lung wenigſtens nach den Rechten desjenigen Zeitalters,
aus welchem die davon vorkommende Beyſpiele herruͤhren,
halten koͤnnen 99).

Es war jedoch zum andern die roͤmiſche Abdica-
tion von der griechiſchen ἀποκηρυξις ganz verſchieden.
Denn die griechiſche war eine oͤffentliche und feyerliche
Handlung, die roͤmiſche hingegen nur eine Privathand-
lung, welche nicht ſowohl, wie jene, in den Worten ei-
nes geſchriebenen Geſetzes, als vielmehr in dem Recht
der haͤußlichen Gerichtsbarkeit, dem edelſten
Kleinod der roͤmiſchen vaͤterlichen Gewalt, gegruͤndet
war 100). Die griechiſche ἀποκηρυξις beraubte den ver-
ſtoßenen Sohn ſeiner Familien- und Erbrechte; die roͤ-
miſche Abdicatio hingegen hob weder die aus der vaͤter-

lichen
99) van de poll cit. libro Cap. VIII. §. 6. schubart de fatis
iurisprud. Rom. Exercit. I. §. 47. pag. 103. ſqq.
100) S. breuning in der angef. Diſſ. Cap. IV. pag. 20. und
Cap. V. pag. 24.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0381" n="367"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">De adoptionibus, emancipationibus etc.</hi></fw><lb/>
den. Denn wa&#x0364;re <hi rendition="#g">einmal</hi> die&#x017F;e Abdication &#x017F;chlechter-<lb/>
dings wider die Ge&#x017F;etze gewe&#x017F;en, &#x017F;o wu&#x0364;rde ohne Zweifel<lb/>
irgend ein alter Schrift&#x017F;teller, der ihrer erwa&#x0364;hnt, ein<lb/>
Wort u&#x0364;ber ihre Ungerechtigkeit beygefu&#x0364;gt, oder wenig-<lb/>
&#x017F;tens auf irgend eine Art &#x017F;einen Unwillen zu erkennen<lb/>
gegeben haben. Hierzu kommt, daß <hi rendition="#fr">Valerius Maxi-<lb/>
mus</hi> in dem angefu&#x0364;hrten Falle mit dem Manl. Torqua-<lb/>
tus ausdru&#x0364;cklich den Gerechtigkeitseifer die&#x017F;es Ro&#x0364;mers<lb/>
ru&#x0364;hmt, und ihn als einen der ro&#x0364;m. Rechte &#x017F;ehr kundigen<lb/>
Mann &#x017F;childert. Denkt man &#x017F;ich nun noch in&#x017F;onderheit<lb/>
den gro&#x017F;&#x017F;en Umfang von Rechten der ro&#x0364;mi&#x017F;chen va&#x0364;ter-<lb/>
lichen Gewalt, die &#x017F;ogar in jenen a&#x0364;ltern Zeiten ein Recht<lb/>
u&#x0364;ber Leben und Tod der Kinder begrif, &#x017F;o wird man<lb/>
&#x017F;chwerlich die&#x017F;e Abdication fu&#x0364;r eine ge&#x017F;etzwidrige Hand-<lb/>
lung wenig&#x017F;tens nach den Rechten desjenigen Zeitalters,<lb/>
aus welchem die davon vorkommende Bey&#x017F;piele herru&#x0364;hren,<lb/>
halten ko&#x0364;nnen <note place="foot" n="99)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">van de</hi><hi rendition="#k">poll</hi> cit. libro Cap. VIII. §. 6. <hi rendition="#k">schubart</hi> de fatis<lb/>
iurisprud. Rom. Exercit. I. §. 47. pag. 103. &#x017F;qq.</hi></note>.</p><lb/>
          <p>Es war jedoch <hi rendition="#g">zum andern</hi> die ro&#x0364;mi&#x017F;che Abdica-<lb/>
tion von der griechi&#x017F;chen &#x1F00;&#x03C0;&#x03BF;&#x03BA;&#x03B7;&#x03C1;&#x03C5;&#x03BE;&#x03B9;&#x03C2; ganz ver&#x017F;chieden.<lb/>
Denn die griechi&#x017F;che war eine o&#x0364;ffentliche und feyerliche<lb/>
Handlung, die ro&#x0364;mi&#x017F;che hingegen nur eine Privathand-<lb/>
lung, welche nicht &#x017F;owohl, wie jene, in den Worten ei-<lb/>
nes ge&#x017F;chriebenen Ge&#x017F;etzes, als vielmehr in dem Recht<lb/>
der <hi rendition="#g">ha&#x0364;ußlichen Gerichtsbarkeit</hi>, dem edel&#x017F;ten<lb/>
Kleinod der ro&#x0364;mi&#x017F;chen va&#x0364;terlichen Gewalt, gegru&#x0364;ndet<lb/>
war <note place="foot" n="100)">S. <hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">breuning</hi></hi> in der angef. <hi rendition="#aq">Di&#x017F;&#x017F;. Cap. IV. pag.</hi> 20. und<lb/><hi rendition="#aq">Cap. V. pag.</hi> 24.</note>. Die griechi&#x017F;che &#x1F00;&#x03C0;&#x03BF;&#x03BA;&#x03B7;&#x03C1;&#x03C5;&#x03BE;&#x03B9;&#x03C2; beraubte den ver-<lb/>
&#x017F;toßenen Sohn &#x017F;einer Familien- und Erbrechte; die ro&#x0364;-<lb/>
mi&#x017F;che <hi rendition="#aq">Abdicatio</hi> hingegen hob weder die aus der va&#x0364;ter-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lichen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[367/0381] De adoptionibus, emancipationibus etc. den. Denn waͤre einmal dieſe Abdication ſchlechter- dings wider die Geſetze geweſen, ſo wuͤrde ohne Zweifel irgend ein alter Schriftſteller, der ihrer erwaͤhnt, ein Wort uͤber ihre Ungerechtigkeit beygefuͤgt, oder wenig- ſtens auf irgend eine Art ſeinen Unwillen zu erkennen gegeben haben. Hierzu kommt, daß Valerius Maxi- mus in dem angefuͤhrten Falle mit dem Manl. Torqua- tus ausdruͤcklich den Gerechtigkeitseifer dieſes Roͤmers ruͤhmt, und ihn als einen der roͤm. Rechte ſehr kundigen Mann ſchildert. Denkt man ſich nun noch inſonderheit den groſſen Umfang von Rechten der roͤmiſchen vaͤter- lichen Gewalt, die ſogar in jenen aͤltern Zeiten ein Recht uͤber Leben und Tod der Kinder begrif, ſo wird man ſchwerlich dieſe Abdication fuͤr eine geſetzwidrige Hand- lung wenigſtens nach den Rechten desjenigen Zeitalters, aus welchem die davon vorkommende Beyſpiele herruͤhren, halten koͤnnen 99). Es war jedoch zum andern die roͤmiſche Abdica- tion von der griechiſchen ἀποκηρυξις ganz verſchieden. Denn die griechiſche war eine oͤffentliche und feyerliche Handlung, die roͤmiſche hingegen nur eine Privathand- lung, welche nicht ſowohl, wie jene, in den Worten ei- nes geſchriebenen Geſetzes, als vielmehr in dem Recht der haͤußlichen Gerichtsbarkeit, dem edelſten Kleinod der roͤmiſchen vaͤterlichen Gewalt, gegruͤndet war 100). Die griechiſche ἀποκηρυξις beraubte den ver- ſtoßenen Sohn ſeiner Familien- und Erbrechte; die roͤ- miſche Abdicatio hingegen hob weder die aus der vaͤter- lichen 99) van de poll cit. libro Cap. VIII. §. 6. schubart de fatis iurisprud. Rom. Exercit. I. §. 47. pag. 103. ſqq. 100) S. breuning in der angef. Diſſ. Cap. IV. pag. 20. und Cap. V. pag. 24.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/381
Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/381>, abgerufen am 23.11.2024.