Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

1. Buch. 5. Tit. §. 113.
sein eigenes Individualbestes zu bewürken trachtet, wird
eine Individualperson genannt. Hingegen mehrere
Menschen zusammen genommen, sofern sie, ausser ihren
Individualverhältnisse, als Glieder einer Gesellschaft be-
trachtet werden, und nach Maßgab der getroffenen Ver-
einigung, mit vereinten Kräften ein Gemeinbestes zu be-
wirken suchen, machen eine moralische Person oder Ge-
sellschaft
aus 33).

II) Betrachtet man die Menschen als Mitglieder ei-
nes Staats, so kann ihre Person entweder eine öffent-
liche
oder privat Person seyn. Ein jedes selbstständi-
ges Subject im Staate, es sey ein einzelner Mensch oder
eine ganze Gesellschaft, im bürgerlichen Socialverhält-
niß gegen den Staat betrachtet, zu dessen Wohl und Be-
sten es seine Thätigkeit anwendet, und deswegen beson-
dere Rechte und Pflichten hat, stellt eine öffentliche
Person
im Staate vor. Der Fürst hat diese, wie je-
der Staatsbeamte, nur mit dem Unterschiede, daß der
Fürst, als Repräsentant des Staats, die, solcher Per-
son nach, habende Zuständigkeiten iure proprio hat,
und darin freylich keine dergleichen Einschränkungen lei-
der, denen eine bloße Staatsbedienung unterworffen ist,
als welche nur ein ius administratorium zum Grunde
hat. Ausser dem Verhältnisse des Staats betrachtet, hat
hingegen jeder Bürger, selbst der Fürst, nur eine
Privatperson, wornach er Freyheit und Eigenthum hat,
und damit sein eigenes Individual-Interesse und Bestes

zu
33) Mayer a. a. O. Kap. II. §. 24. Man vergleiche auch
Io. Nic. hertii Diss. de pluribus hominibus personam unam
sustinentibus. in Eius Opuscul. Vol. II. Tom. III. N. III. pag.

61 -- 90.

1. Buch. 5. Tit. §. 113.
ſein eigenes Individualbeſtes zu bewuͤrken trachtet, wird
eine Individualperſon genannt. Hingegen mehrere
Menſchen zuſammen genommen, ſofern ſie, auſſer ihren
Individualverhaͤltniſſe, als Glieder einer Geſellſchaft be-
trachtet werden, und nach Maßgab der getroffenen Ver-
einigung, mit vereinten Kraͤften ein Gemeinbeſtes zu be-
wirken ſuchen, machen eine moraliſche Perſon oder Ge-
ſellſchaft
aus 33).

II) Betrachtet man die Menſchen als Mitglieder ei-
nes Staats, ſo kann ihre Perſon entweder eine oͤffent-
liche
oder privat Perſon ſeyn. Ein jedes ſelbſtſtaͤndi-
ges Subject im Staate, es ſey ein einzelner Menſch oder
eine ganze Geſellſchaft, im buͤrgerlichen Socialverhaͤlt-
niß gegen den Staat betrachtet, zu deſſen Wohl und Be-
ſten es ſeine Thaͤtigkeit anwendet, und deswegen beſon-
dere Rechte und Pflichten hat, ſtellt eine oͤffentliche
Perſon
im Staate vor. Der Fuͤrſt hat dieſe, wie je-
der Staatsbeamte, nur mit dem Unterſchiede, daß der
Fuͤrſt, als Repraͤſentant des Staats, die, ſolcher Per-
ſon nach, habende Zuſtaͤndigkeiten iure proprio hat,
und darin freylich keine dergleichen Einſchraͤnkungen lei-
der, denen eine bloße Staatsbedienung unterworffen iſt,
als welche nur ein ius adminiſtratorium zum Grunde
hat. Auſſer dem Verhaͤltniſſe des Staats betrachtet, hat
hingegen jeder Buͤrger, ſelbſt der Fuͤrſt, nur eine
Privatperſon, wornach er Freyheit und Eigenthum hat,
und damit ſein eigenes Individual-Intereſſe und Beſtes

zu
33) Mayer a. a. O. Kap. II. §. 24. Man vergleiche auch
Io. Nic. hertii Diſſ. de pluribus hominibus perſonam unam
ſuſtinentibus. in Eius Opuſcul. Vol. II. Tom. III. N. III. pag.

61 — 90.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0070" n="56"/><fw place="top" type="header">1. Buch. 5. Tit. §. 113.</fw><lb/>
&#x017F;ein eigenes Individualbe&#x017F;tes zu bewu&#x0364;rken trachtet, wird<lb/>
eine <hi rendition="#fr">Individualper&#x017F;on</hi> genannt. Hingegen mehrere<lb/>
Men&#x017F;chen zu&#x017F;ammen genommen, &#x017F;ofern &#x017F;ie, au&#x017F;&#x017F;er ihren<lb/>
Individualverha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e, als Glieder einer Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft be-<lb/>
trachtet werden, und nach Maßgab der getroffenen Ver-<lb/>
einigung, mit vereinten Kra&#x0364;ften ein Gemeinbe&#x017F;tes zu be-<lb/>
wirken &#x017F;uchen, machen eine <hi rendition="#fr">morali&#x017F;che Per&#x017F;on</hi> oder <hi rendition="#fr">Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft</hi> aus <note place="foot" n="33)"><hi rendition="#g">Mayer</hi> a. a. O. Kap. <hi rendition="#aq">II.</hi> §. 24. Man vergleiche auch<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Io. Nic.</hi><hi rendition="#k">hertii</hi> Di&#x017F;&#x017F;. de pluribus hominibus per&#x017F;onam unam<lb/>
&#x017F;u&#x017F;tinentibus. in Eius Opu&#x017F;cul. Vol. II. Tom. III. N. III. pag.</hi><lb/>
61 &#x2014; 90.</note>.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#aq">II</hi>) Betrachtet man die Men&#x017F;chen als Mitglieder ei-<lb/>
nes Staats, &#x017F;o kann ihre Per&#x017F;on entweder eine <hi rendition="#g">o&#x0364;ffent-<lb/>
liche</hi> oder <hi rendition="#g">privat</hi> Per&#x017F;on &#x017F;eyn. Ein jedes &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;ta&#x0364;ndi-<lb/>
ges Subject im Staate, es &#x017F;ey ein einzelner Men&#x017F;ch oder<lb/>
eine ganze Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, im bu&#x0364;rgerlichen Socialverha&#x0364;lt-<lb/>
niß gegen den Staat betrachtet, zu de&#x017F;&#x017F;en Wohl und Be-<lb/>
&#x017F;ten es &#x017F;eine Tha&#x0364;tigkeit anwendet, und deswegen be&#x017F;on-<lb/>
dere Rechte und Pflichten hat, &#x017F;tellt eine <hi rendition="#fr">o&#x0364;ffentliche<lb/>
Per&#x017F;on</hi> im Staate vor. Der Fu&#x0364;r&#x017F;t hat die&#x017F;e, wie je-<lb/>
der Staatsbeamte, nur mit dem Unter&#x017F;chiede, daß der<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;t, als Repra&#x0364;&#x017F;entant des Staats, die, &#x017F;olcher Per-<lb/>
&#x017F;on nach, habende Zu&#x017F;ta&#x0364;ndigkeiten <hi rendition="#aq">iure proprio</hi> hat,<lb/>
und darin freylich keine dergleichen Ein&#x017F;chra&#x0364;nkungen lei-<lb/>
der, denen eine bloße Staatsbedienung unterworffen i&#x017F;t,<lb/>
als welche nur ein <hi rendition="#aq">ius admini&#x017F;tratorium</hi> zum Grunde<lb/>
hat. Au&#x017F;&#x017F;er dem Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e des Staats betrachtet, hat<lb/>
hingegen jeder Bu&#x0364;rger, &#x017F;elb&#x017F;t der Fu&#x0364;r&#x017F;t, nur eine<lb/><hi rendition="#fr">Privatper&#x017F;on,</hi> wornach er Freyheit und Eigenthum hat,<lb/>
und damit &#x017F;ein eigenes Individual-Intere&#x017F;&#x017F;e und Be&#x017F;tes<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zu</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0070] 1. Buch. 5. Tit. §. 113. ſein eigenes Individualbeſtes zu bewuͤrken trachtet, wird eine Individualperſon genannt. Hingegen mehrere Menſchen zuſammen genommen, ſofern ſie, auſſer ihren Individualverhaͤltniſſe, als Glieder einer Geſellſchaft be- trachtet werden, und nach Maßgab der getroffenen Ver- einigung, mit vereinten Kraͤften ein Gemeinbeſtes zu be- wirken ſuchen, machen eine moraliſche Perſon oder Ge- ſellſchaft aus 33). II) Betrachtet man die Menſchen als Mitglieder ei- nes Staats, ſo kann ihre Perſon entweder eine oͤffent- liche oder privat Perſon ſeyn. Ein jedes ſelbſtſtaͤndi- ges Subject im Staate, es ſey ein einzelner Menſch oder eine ganze Geſellſchaft, im buͤrgerlichen Socialverhaͤlt- niß gegen den Staat betrachtet, zu deſſen Wohl und Be- ſten es ſeine Thaͤtigkeit anwendet, und deswegen beſon- dere Rechte und Pflichten hat, ſtellt eine oͤffentliche Perſon im Staate vor. Der Fuͤrſt hat dieſe, wie je- der Staatsbeamte, nur mit dem Unterſchiede, daß der Fuͤrſt, als Repraͤſentant des Staats, die, ſolcher Per- ſon nach, habende Zuſtaͤndigkeiten iure proprio hat, und darin freylich keine dergleichen Einſchraͤnkungen lei- der, denen eine bloße Staatsbedienung unterworffen iſt, als welche nur ein ius adminiſtratorium zum Grunde hat. Auſſer dem Verhaͤltniſſe des Staats betrachtet, hat hingegen jeder Buͤrger, ſelbſt der Fuͤrſt, nur eine Privatperſon, wornach er Freyheit und Eigenthum hat, und damit ſein eigenes Individual-Intereſſe und Beſtes zu 33) Mayer a. a. O. Kap. II. §. 24. Man vergleiche auch Io. Nic. hertii Diſſ. de pluribus hominibus perſonam unam ſuſtinentibus. in Eius Opuſcul. Vol. II. Tom. III. N. III. pag. 61 — 90.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/70
Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/70>, abgerufen am 23.11.2024.