Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Berichtigungen und Zusätze zum zweyten Bande des Glückischen Commentars über die Pandecten. Für die Besitzer der ersten Ausgabe. Erlangen, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

trachtet man nämlich die Menschen in ihren Privatverhältnis-
sen, so können ihnen darin mancherley Rechte und Verbindlich-
keiten zukommen, die sich füglich auf drey Hauptclassen reduci-
ren lassen. Sie gründen sich nämlich entweder auf subjecti-
ve Eigenschaften
, oder sie beziehen sich auf Sachen, wo-
durch man sein Vermögen vermehren kann, oder sie betreffen die
Art und Weise, sein Recht vor Gericht zu verfol-
gen
. Daher wird nun das bürgerliche Privatrecht nach dem
System der römischen Juristen in das ius personarum, ius rerum
und ius actionum eingetheilt 47). Der Anfang wird mit dem
iure personarum gemacht, quia, wie Hermogenian 48) sagt, ho-
minum causa omne ius constitutum est.

Was heißt nun Personenrecht? Wenn einige der
neuern Civilisten 49) darunter einen Inbegriff von Rechten ver-
stehen, die ohne Rücksicht auf Sachen gedacht wer-
den können
, das heißt, die vorkämen, auch wenn es blos
Personen gäbe; so läßt sich gegen diesen Begriff nicht ohne Grund
erinnern, daß er blos negativ sey, und zwar ausdrücke, was das
Personenrecht nicht sey, aber nicht bestimme, was es eigentlich
sey; und dann läßt sich auch nicht so schlechthin behaupten, daß
das Personenrecht bloß solche Rechte enthalte, die ohne
Rücksicht auf Sachen gedacht werden können. Die Curatel der
Minderjährigen, deren Hauptzweck doch in der Verwaltung der
Güter besteht, lehrt wenigstens das Gegentheil.


Per-
47) Das Wort actio bedeutet hier nicht blos das Mittel, sein
Recht vor Gericht zu verfolgen, sondern wird hier in einer so
weitläuftigen Bedeutung genommen, daß es auch den ganzen
Proceß, und was dahin einschlägt, ausdrückt, wie schon Herm.
vultejus in Iurisprud. romana p.
443. bemerkt hat.
48) L. 2. D. h. t. über welche Stelle Ios. finestres in Hermo-
geniani iuris epitomar. libros Tom. I. pag.
217. nachgesehen
werden kann.
49) S. Hugo's Lehrbuch der juristischen Encyklopädie §. 229.
und Hufelands Institutionen des gesammten positiven
Rechts §. 411.

trachtet man naͤmlich die Menſchen in ihren Privatverhaͤltniſ-
ſen, ſo koͤnnen ihnen darin mancherley Rechte und Verbindlich-
keiten zukommen, die ſich fuͤglich auf drey Hauptclaſſen reduci-
ren laſſen. Sie gruͤnden ſich naͤmlich entweder auf ſubjecti-
ve Eigenſchaften
, oder ſie beziehen ſich auf Sachen, wo-
durch man ſein Vermoͤgen vermehren kann, oder ſie betreffen die
Art und Weiſe, ſein Recht vor Gericht zu verfol-
gen
. Daher wird nun das buͤrgerliche Privatrecht nach dem
Syſtem der roͤmiſchen Juriſten in das ius perſonarum, ius rerum
und ius actionum eingetheilt 47). Der Anfang wird mit dem
iure perſonarum gemacht, quia, wie Hermogenian 48) ſagt, ho-
minum cauſa omne ius conſtitutum eſt.

Was heißt nun Perſonenrecht? Wenn einige der
neuern Civiliſten 49) darunter einen Inbegriff von Rechten ver-
ſtehen, die ohne Ruͤckſicht auf Sachen gedacht wer-
den koͤnnen
, das heißt, die vorkaͤmen, auch wenn es blos
Perſonen gaͤbe; ſo laͤßt ſich gegen dieſen Begriff nicht ohne Grund
erinnern, daß er blos negativ ſey, und zwar ausdruͤcke, was das
Perſonenrecht nicht ſey, aber nicht beſtimme, was es eigentlich
ſey; und dann laͤßt ſich auch nicht ſo ſchlechthin behaupten, daß
das Perſonenrecht bloß ſolche Rechte enthalte, die ohne
Ruͤckſicht auf Sachen gedacht werden koͤnnen. Die Curatel der
Minderjaͤhrigen, deren Hauptzweck doch in der Verwaltung der
Guͤter beſteht, lehrt wenigſtens das Gegentheil.


Per-
47) Das Wort actio bedeutet hier nicht blos das Mittel, ſein
Recht vor Gericht zu verfolgen, ſondern wird hier in einer ſo
weitlaͤuftigen Bedeutung genommen, daß es auch den ganzen
Proceß, und was dahin einſchlaͤgt, ausdruͤckt, wie ſchon Herm.
vultejus in Iurisprud. romana p.
443. bemerkt hat.
48) L. 2. D. h. t. uͤber welche Stelle Ioſ. finestres in Hermo-
geniani iuris epitomar. libros Tom. I. pag.
217. nachgeſehen
werden kann.
49) S. Hugo’s Lehrbuch der juriſtiſchen Encyklopaͤdie §. 229.
und Hufelands Inſtitutionen des geſammten poſitiven
Rechts §. 411.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0017" n="11"/>
trachtet man na&#x0364;mlich die Men&#x017F;chen in ihren Privatverha&#x0364;ltni&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, &#x017F;o ko&#x0364;nnen ihnen darin mancherley Rechte und Verbindlich-<lb/>
keiten zukommen, die &#x017F;ich fu&#x0364;glich auf drey Hauptcla&#x017F;&#x017F;en reduci-<lb/>
ren la&#x017F;&#x017F;en. Sie gru&#x0364;nden &#x017F;ich na&#x0364;mlich entweder auf <hi rendition="#g">&#x017F;ubjecti-<lb/>
ve Eigen&#x017F;chaften</hi>, oder &#x017F;ie beziehen &#x017F;ich auf <hi rendition="#g">Sachen</hi>, wo-<lb/>
durch man &#x017F;ein Vermo&#x0364;gen vermehren kann, oder &#x017F;ie betreffen die<lb/><hi rendition="#g">Art</hi> und <hi rendition="#g">Wei&#x017F;e, &#x017F;ein Recht vor Gericht zu verfol-<lb/>
gen</hi>. Daher wird nun das bu&#x0364;rgerliche Privatrecht nach dem<lb/>
Sy&#x017F;tem der ro&#x0364;mi&#x017F;chen Juri&#x017F;ten in das <hi rendition="#aq">ius <hi rendition="#i">per&#x017F;onarum</hi>, ius <hi rendition="#i">rerum</hi></hi><lb/>
und <hi rendition="#aq">ius <hi rendition="#i">actionum</hi></hi> eingetheilt <note place="foot" n="47)">Das Wort <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">actio</hi></hi> bedeutet hier nicht blos das Mittel, &#x017F;ein<lb/>
Recht vor Gericht zu verfolgen, &#x017F;ondern wird hier in einer &#x017F;o<lb/>
weitla&#x0364;uftigen Bedeutung genommen, daß es auch den ganzen<lb/>
Proceß, und was dahin ein&#x017F;chla&#x0364;gt, ausdru&#x0364;ckt, wie &#x017F;chon <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Herm.</hi><lb/><hi rendition="#k">vultejus</hi> in Iurisprud. romana p.</hi> 443. bemerkt hat.</note>. Der Anfang wird mit dem<lb/><hi rendition="#aq">iure per&#x017F;onarum</hi> gemacht, <hi rendition="#aq">quia,</hi> wie <hi rendition="#fr">Hermogenian</hi> <note place="foot" n="48)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L. 2. D. h. t.</hi></hi> u&#x0364;ber welche Stelle <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Io&#x017F;.</hi><hi rendition="#k">finestres</hi> in Hermo-<lb/>
geniani iuris epitomar. libros Tom. I. pag.</hi> 217. nachge&#x017F;ehen<lb/>
werden kann.</note> &#x017F;agt, <hi rendition="#aq">ho-<lb/>
minum cau&#x017F;a omne ius con&#x017F;titutum e&#x017F;t.</hi></p><lb/>
          <p>Was heißt nun <hi rendition="#g">Per&#x017F;onenrecht</hi>? Wenn einige der<lb/>
neuern Civili&#x017F;ten <note place="foot" n="49)">S. <hi rendition="#g">Hugo</hi>&#x2019;s Lehrbuch der juri&#x017F;ti&#x017F;chen Encyklopa&#x0364;die §. 229.<lb/>
und <hi rendition="#g">Hufelands</hi> In&#x017F;titutionen des ge&#x017F;ammten po&#x017F;itiven<lb/>
Rechts §. 411.</note> darunter einen Inbegriff von Rechten ver-<lb/>
&#x017F;tehen, <hi rendition="#g">die ohne Ru&#x0364;ck&#x017F;icht auf Sachen gedacht wer-<lb/>
den ko&#x0364;nnen</hi>, das heißt, die vorka&#x0364;men, auch wenn es blos<lb/>
Per&#x017F;onen ga&#x0364;be; &#x017F;o la&#x0364;ßt &#x017F;ich gegen die&#x017F;en Begriff nicht ohne Grund<lb/>
erinnern, daß er blos <hi rendition="#g">negativ</hi> &#x017F;ey, und zwar ausdru&#x0364;cke, was das<lb/>
Per&#x017F;onenrecht nicht &#x017F;ey, aber nicht be&#x017F;timme, was es eigentlich<lb/>
&#x017F;ey; und dann la&#x0364;ßt &#x017F;ich auch nicht &#x017F;o &#x017F;chlechthin behaupten, daß<lb/>
das <hi rendition="#g">Per&#x017F;onenrecht</hi> bloß &#x017F;olche Rechte enthalte, die ohne<lb/>
Ru&#x0364;ck&#x017F;icht auf Sachen gedacht werden ko&#x0364;nnen. Die Curatel der<lb/>
Minderja&#x0364;hrigen, deren Hauptzweck doch in der Verwaltung der<lb/>
Gu&#x0364;ter be&#x017F;teht, lehrt wenig&#x017F;tens das Gegentheil.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#g">Per</hi>-</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0017] trachtet man naͤmlich die Menſchen in ihren Privatverhaͤltniſ- ſen, ſo koͤnnen ihnen darin mancherley Rechte und Verbindlich- keiten zukommen, die ſich fuͤglich auf drey Hauptclaſſen reduci- ren laſſen. Sie gruͤnden ſich naͤmlich entweder auf ſubjecti- ve Eigenſchaften, oder ſie beziehen ſich auf Sachen, wo- durch man ſein Vermoͤgen vermehren kann, oder ſie betreffen die Art und Weiſe, ſein Recht vor Gericht zu verfol- gen. Daher wird nun das buͤrgerliche Privatrecht nach dem Syſtem der roͤmiſchen Juriſten in das ius perſonarum, ius rerum und ius actionum eingetheilt 47). Der Anfang wird mit dem iure perſonarum gemacht, quia, wie Hermogenian 48) ſagt, ho- minum cauſa omne ius conſtitutum eſt. Was heißt nun Perſonenrecht? Wenn einige der neuern Civiliſten 49) darunter einen Inbegriff von Rechten ver- ſtehen, die ohne Ruͤckſicht auf Sachen gedacht wer- den koͤnnen, das heißt, die vorkaͤmen, auch wenn es blos Perſonen gaͤbe; ſo laͤßt ſich gegen dieſen Begriff nicht ohne Grund erinnern, daß er blos negativ ſey, und zwar ausdruͤcke, was das Perſonenrecht nicht ſey, aber nicht beſtimme, was es eigentlich ſey; und dann laͤßt ſich auch nicht ſo ſchlechthin behaupten, daß das Perſonenrecht bloß ſolche Rechte enthalte, die ohne Ruͤckſicht auf Sachen gedacht werden koͤnnen. Die Curatel der Minderjaͤhrigen, deren Hauptzweck doch in der Verwaltung der Guͤter beſteht, lehrt wenigſtens das Gegentheil. Per- 47) Das Wort actio bedeutet hier nicht blos das Mittel, ſein Recht vor Gericht zu verfolgen, ſondern wird hier in einer ſo weitlaͤuftigen Bedeutung genommen, daß es auch den ganzen Proceß, und was dahin einſchlaͤgt, ausdruͤckt, wie ſchon Herm. vultejus in Iurisprud. romana p. 443. bemerkt hat. 48) L. 2. D. h. t. uͤber welche Stelle Ioſ. finestres in Hermo- geniani iuris epitomar. libros Tom. I. pag. 217. nachgeſehen werden kann. 49) S. Hugo’s Lehrbuch der juriſtiſchen Encyklopaͤdie §. 229. und Hufelands Inſtitutionen des geſammten poſitiven Rechts §. 411.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02verbesserungen_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02verbesserungen_1800/17
Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Berichtigungen und Zusätze zum zweyten Bande des Glückischen Commentars über die Pandecten. Für die Besitzer der ersten Ausgabe. Erlangen, 1800, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02verbesserungen_1800/17>, abgerufen am 21.11.2024.