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Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819.

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die absteigende Generation in stiller Gewissenserfor¬
schung des Nachgenusses ihrer Thaten sich erfreuen;
mag sie ihre Irrthümer beweinen, oder mit starrem
Eigensinne ihre Thorheiten zu vertheidigen sich bemü¬
hen: die Aufsteigende soll mit frischem Lebensmuthe
in die Geschichte treten; keine Erfahrung der Vergan¬
genheit darf sie verschmähen, aber auf die Erbschaft
jener Irrthümer und Thorheiten mag sie billig jedes
Anspruchs sich begeben; vor Allem aber in reger Theil¬
nahme an allem Oeffentlichen soll sie durch jede ge¬
wonnene Tüchtigkeit sich zu dem Werke stärken, das
sie zu vollbringen berufen ist.

Diesem Berufe ist die Jugend mit Ehre nachgekom¬
men, damal als es galt, die junge Freyheit mit dem
Schwert zu schirmen, und den neugebornen Zeus
gleich den Cureten und Corybanten mit Waffentanz
und Erzes Klang vor dem lauernden Feind zu ber¬
gen; vom Felde zurückgekehrt, haben die Universitäten
ihrer Viele aufgenommen, und mit der lautern Milch
der Disciplinen ernährt, ist der Geist erstarkt und
groß gewachsen. Darum ist es eine Thorheit, diese
natürliche Entwicklung anzuklagen, an ihrer Leitung
allein kann die Weisheit der Alten sich bewähren.
Habt Ihr gute Geister heraufbeschworen, warum fürch¬
tet Ihr Euch vor ihnen? sind es Böse, die Ihr zitirt, dann
zahlt Ihr mit den Aengsten nur, was Ihr verschuldet:
denn so Ihr lauter seyd, vermag Satanas selbst mit allen
seinen Gesellen Euch nichts anzuhaben!

Darum that Gelassenheit vor Allem Noth im An¬
gesichte dieser Jugend; aber man hat ihr Furcht ge¬
zeigt, und sich und ihr viel Uebel damit bereitet. Als

die abſteigende Generation in ſtiller Gewiſſenserfor¬
ſchung des Nachgenuſſes ihrer Thaten ſich erfreuen;
mag ſie ihre Irrthümer beweinen, oder mit ſtarrem
Eigenſinne ihre Thorheiten zu vertheidigen ſich bemü¬
hen: die Aufſteigende ſoll mit friſchem Lebensmuthe
in die Geſchichte treten; keine Erfahrung der Vergan¬
genheit darf ſie verſchmähen, aber auf die Erbſchaft
jener Irrthümer und Thorheiten mag ſie billig jedes
Anſpruchs ſich begeben; vor Allem aber in reger Theil¬
nahme an allem Oeffentlichen ſoll ſie durch jede ge¬
wonnene Tüchtigkeit ſich zu dem Werke ſtärken, das
ſie zu vollbringen berufen iſt.

Dieſem Berufe iſt die Jugend mit Ehre nachgekom¬
men, damal als es galt, die junge Freyheit mit dem
Schwert zu ſchirmen, und den neugebornen Zeus
gleich den Cureten und Corybanten mit Waffentanz
und Erzes Klang vor dem lauernden Feind zu ber¬
gen; vom Felde zurückgekehrt, haben die Univerſitäten
ihrer Viele aufgenommen, und mit der lautern Milch
der Disciplinen ernährt, iſt der Geiſt erſtarkt und
groß gewachſen. Darum iſt es eine Thorheit, dieſe
natürliche Entwicklung anzuklagen, an ihrer Leitung
allein kann die Weisheit der Alten ſich bewähren.
Habt Ihr gute Geiſter heraufbeſchworen, warum fürch¬
tet Ihr Euch vor ihnen? ſind es Böſe, die Ihr zitirt, dann
zahlt Ihr mit den Aengſten nur, was Ihr verſchuldet:
denn ſo Ihr lauter ſeyd, vermag Satanas ſelbſt mit allen
ſeinen Geſellen Euch nichts anzuhaben!

Darum that Gelaſſenheit vor Allem Noth im An¬
geſichte dieſer Jugend; aber man hat ihr Furcht ge¬
zeigt, und ſich und ihr viel Uebel damit bereitet. Als

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[102/0110] die abſteigende Generation in ſtiller Gewiſſenserfor¬ ſchung des Nachgenuſſes ihrer Thaten ſich erfreuen; mag ſie ihre Irrthümer beweinen, oder mit ſtarrem Eigenſinne ihre Thorheiten zu vertheidigen ſich bemü¬ hen: die Aufſteigende ſoll mit friſchem Lebensmuthe in die Geſchichte treten; keine Erfahrung der Vergan¬ genheit darf ſie verſchmähen, aber auf die Erbſchaft jener Irrthümer und Thorheiten mag ſie billig jedes Anſpruchs ſich begeben; vor Allem aber in reger Theil¬ nahme an allem Oeffentlichen ſoll ſie durch jede ge¬ wonnene Tüchtigkeit ſich zu dem Werke ſtärken, das ſie zu vollbringen berufen iſt. Dieſem Berufe iſt die Jugend mit Ehre nachgekom¬ men, damal als es galt, die junge Freyheit mit dem Schwert zu ſchirmen, und den neugebornen Zeus gleich den Cureten und Corybanten mit Waffentanz und Erzes Klang vor dem lauernden Feind zu ber¬ gen; vom Felde zurückgekehrt, haben die Univerſitäten ihrer Viele aufgenommen, und mit der lautern Milch der Disciplinen ernährt, iſt der Geiſt erſtarkt und groß gewachſen. Darum iſt es eine Thorheit, dieſe natürliche Entwicklung anzuklagen, an ihrer Leitung allein kann die Weisheit der Alten ſich bewähren. Habt Ihr gute Geiſter heraufbeſchworen, warum fürch¬ tet Ihr Euch vor ihnen? ſind es Böſe, die Ihr zitirt, dann zahlt Ihr mit den Aengſten nur, was Ihr verſchuldet: denn ſo Ihr lauter ſeyd, vermag Satanas ſelbſt mit allen ſeinen Geſellen Euch nichts anzuhaben! Darum that Gelaſſenheit vor Allem Noth im An¬ geſichte dieſer Jugend; aber man hat ihr Furcht ge¬ zeigt, und ſich und ihr viel Uebel damit bereitet. Als

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Zitationshilfe: Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/110>, abgerufen am 24.11.2024.