edel, königlich, liebend, entschlossen, kräftig, und doch weich, unbiegsamen Sinnes ohne alle Härte; die Königinn zart, demüthig, unverzagt, fromm und gut; der Marschall aber vor Allen trefflich: die ganze ehrliche, biedere Treuherzigkeit der Zeit vereinigt sich in ihm, und ein gar fromm Gemüth, von allem Truge frei, giebt sich an ihm zu erkennen. Ueber dem Ganzen ruht der altväterliche, einfältigliche Hausgeist, der die früheren Jahrhunderte überschwebt; ein wunderlich ruhig, träumend Wesen, wo es beinahe scheint, als hätte die allgemeine Weltpoesie noch nicht in Menschen- formen sich gestaltet, sondern irrte geisterfrei umher, leise singend und intonirend, und suchte Materie auf, in der sie sich gestalten könnte, wie der junge Bienen- schwarm, der sich eine Wohnung sucht. Es ist eine unendliche Feierlichkeit und eine beinahe schmerzhafte Rührung in dieser Unbeholfenheit, in der Geist im Ueberfluß vorhanden ist, aber das Werkzeug noch nicht gebildet. Wie ein Mensch aus der Erde hervorbrechend, der aber mit den Gliedmaßen zur Hälfte noch von der Haltenden, Fassenden befangen ist, und nun unmuthig die Flügel schwingt, daß die Fesseln ihn nicht lassen wollen, so ist die ganze Poesie dieser Zeit, mehr ein Ausathmen des Gemüthes, als ein Aussprechen. Am Ende des Gedichtes heißt's:
edel, königlich, liebend, entſchloſſen, kräftig, und doch weich, unbiegſamen Sinnes ohne alle Härte; die Königinn zart, demüthig, unverzagt, fromm und gut; der Marſchall aber vor Allen trefflich: die ganze ehrliche, biedere Treuherzigkeit der Zeit vereinigt ſich in ihm, und ein gar fromm Gemüth, von allem Truge frei, giebt ſich an ihm zu erkennen. Ueber dem Ganzen ruht der altväterliche, einfältigliche Hausgeiſt, der die früheren Jahrhunderte überſchwebt; ein wunderlich ruhig, träumend Weſen, wo es beinahe ſcheint, als hätte die allgemeine Weltpoeſie noch nicht in Menſchen- formen ſich geſtaltet, ſondern irrte geiſterfrei umher, leiſe ſingend und intonirend, und ſuchte Materie auf, in der ſie ſich geſtalten könnte, wie der junge Bienen- ſchwarm, der ſich eine Wohnung ſucht. Es iſt eine unendliche Feierlichkeit und eine beinahe ſchmerzhafte Rührung in dieſer Unbeholfenheit, in der Geiſt im Ueberfluß vorhanden iſt, aber das Werkzeug noch nicht gebildet. Wie ein Menſch aus der Erde hervorbrechend, der aber mit den Gliedmaßen zur Hälfte noch von der Haltenden, Faſſenden befangen iſt, und nun unmuthig die Flügel ſchwingt, daß die Feſſeln ihn nicht laſſen wollen, ſo iſt die ganze Poeſie dieſer Zeit, mehr ein Ausathmen des Gemüthes, als ein Ausſprechen. Am Ende des Gedichtes heißt’s:
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edel, königlich, liebend, entſchloſſen, kräftig, und doch
weich, unbiegſamen Sinnes ohne alle Härte; die
Königinn zart, demüthig, unverzagt, fromm und gut;
der Marſchall aber vor Allen trefflich: die ganze ehrliche,
biedere Treuherzigkeit der Zeit vereinigt ſich in ihm,
und ein gar fromm Gemüth, von allem Truge frei,
giebt ſich an ihm zu erkennen. Ueber dem Ganzen ruht
der altväterliche, einfältigliche Hausgeiſt, der die
früheren Jahrhunderte überſchwebt; ein wunderlich
ruhig, träumend Weſen, wo es beinahe ſcheint, als
hätte die allgemeine Weltpoeſie noch nicht in Menſchen-
formen ſich geſtaltet, ſondern irrte geiſterfrei umher,
leiſe ſingend und intonirend, und ſuchte Materie auf,
in der ſie ſich geſtalten könnte, wie der junge Bienen-
ſchwarm, der ſich eine Wohnung ſucht. Es iſt eine
unendliche Feierlichkeit und eine beinahe ſchmerzhafte
Rührung in dieſer Unbeholfenheit, in der Geiſt im
Ueberfluß vorhanden iſt, aber das Werkzeug noch nicht
gebildet. Wie ein Menſch aus der Erde hervorbrechend,
der aber mit den Gliedmaßen zur Hälfte noch von der
Haltenden, Faſſenden befangen iſt, und nun unmuthig
die Flügel ſchwingt, daß die Feſſeln ihn nicht laſſen
wollen, ſo iſt die ganze Poeſie dieſer Zeit, mehr ein
Ausathmen des Gemüthes, als ein Ausſprechen. Am
Ende des Gedichtes heißt’s:
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Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/157>, abgerufen am 21.11.2024.
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