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Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.

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sich indessen in ihn, und weil er ihre Zumuthungen ab-
weißt, wird sie erbittert, und verklagt ihn beim Kaiser
als Ehebrecher, der ihn nun, weil er sich nicht recht-
fertigt, zum Galgen verdammt. Siebenmal soll dies
Urtheil vollzogen werden, und jedesmal begegnet dem
Ausgeführten Einer der sieben Meister, und wendet die
Vollstreckung ab durch eine Erzählung, die er dem Kaiser
macht, der dann jedesmal die Kaiserin eine Andere
entgegensetzt, und dadurch den Kaiser, den die Vorige
zu Gunsten des Verurtheilten entschieden hatte, wieder
umstimmt zur neuen Verdammung, so daß der Prinz
sieben Tage immerfort zwischen Tod und Leben schwebt,
bis er endlich am achten Tage, wo die Sterne zu reden
ihm erlaubt, seine Sprache wieder gewinnt, und dann
die Schande der Kaiserinn aufdeckt, indem er eine
ihrer angeblichen Hoffräulein entkleiden läßt, die
nun als Mann befunden wird. So entstehen daher
vierzehn verschiedne Rovellen, durch jenen losen Faden
nur zusammengehalten, denen denn nun noch die Fünf-
zehnte, die der gerettete Prinz erzählt, sich anschließt.
Die Meisten darunter sind durchaus vortrefflich, Viele
in die spätern Rovellensammlungen aufgenommen,
Alle gut erfunden, und anspruchslos erzählt. Die
Reunte, wie Kaiser Octavianus von den Römern
seines Geizes wegen lebendig begraben worden, herrlich;

ſich indeſſen in ihn, und weil er ihre Zumuthungen ab-
weißt, wird ſie erbittert, und verklagt ihn beim Kaiſer
als Ehebrecher, der ihn nun, weil er ſich nicht recht-
fertigt, zum Galgen verdammt. Siebenmal ſoll dies
Urtheil vollzogen werden, und jedesmal begegnet dem
Ausgeführten Einer der ſieben Meiſter, und wendet die
Vollſtreckung ab durch eine Erzählung, die er dem Kaiſer
macht, der dann jedesmal die Kaiſerin eine Andere
entgegenſetzt, und dadurch den Kaiſer, den die Vorige
zu Gunſten des Verurtheilten entſchieden hatte, wieder
umſtimmt zur neuen Verdammung, ſo daß der Prinz
ſieben Tage immerfort zwiſchen Tod und Leben ſchwebt,
bis er endlich am achten Tage, wo die Sterne zu reden
ihm erlaubt, ſeine Sprache wieder gewinnt, und dann
die Schande der Kaiſerinn aufdeckt, indem er eine
ihrer angeblichen Hoffräulein entkleiden läßt, die
nun als Mann befunden wird. So entſtehen daher
vierzehn verſchiedne Rovellen, durch jenen loſen Faden
nur zuſammengehalten, denen denn nun noch die Fünf-
zehnte, die der gerettete Prinz erzählt, ſich anſchließt.
Die Meiſten darunter ſind durchaus vortrefflich, Viele
in die ſpätern Rovellenſammlungen aufgenommen,
Alle gut erfunden, und anſpruchslos erzählt. Die
Reunte, wie Kaiſer Octavianus von den Römern
ſeines Geizes wegen lebendig begraben worden, herrlich;

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[156/0174] ſich indeſſen in ihn, und weil er ihre Zumuthungen ab- weißt, wird ſie erbittert, und verklagt ihn beim Kaiſer als Ehebrecher, der ihn nun, weil er ſich nicht recht- fertigt, zum Galgen verdammt. Siebenmal ſoll dies Urtheil vollzogen werden, und jedesmal begegnet dem Ausgeführten Einer der ſieben Meiſter, und wendet die Vollſtreckung ab durch eine Erzählung, die er dem Kaiſer macht, der dann jedesmal die Kaiſerin eine Andere entgegenſetzt, und dadurch den Kaiſer, den die Vorige zu Gunſten des Verurtheilten entſchieden hatte, wieder umſtimmt zur neuen Verdammung, ſo daß der Prinz ſieben Tage immerfort zwiſchen Tod und Leben ſchwebt, bis er endlich am achten Tage, wo die Sterne zu reden ihm erlaubt, ſeine Sprache wieder gewinnt, und dann die Schande der Kaiſerinn aufdeckt, indem er eine ihrer angeblichen Hoffräulein entkleiden läßt, die nun als Mann befunden wird. So entſtehen daher vierzehn verſchiedne Rovellen, durch jenen loſen Faden nur zuſammengehalten, denen denn nun noch die Fünf- zehnte, die der gerettete Prinz erzählt, ſich anſchließt. Die Meiſten darunter ſind durchaus vortrefflich, Viele in die ſpätern Rovellenſammlungen aufgenommen, Alle gut erfunden, und anſpruchslos erzählt. Die Reunte, wie Kaiſer Octavianus von den Römern ſeines Geizes wegen lebendig begraben worden, herrlich;

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Zitationshilfe: Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/174>, abgerufen am 21.11.2024.