des Spaßhaften, die den Seelenjubel, und die Freude und die laute Lache im Volke nie versiegen läßt. Das Ganze deutet durch seine rhapsodische Form durchgängig auf ein successives Entstehen in verschiednen Zeiten, und ein Erzeugniß einer ganzen Classe, die es als Denk- mal eines nationellen innern Uebermuthes und freudigen Muthwillens nach und nach wie einen Scherbenberg zusammentrug, den nun irgend ein Einzelner vollends ordnete. Was ihm daher die allgemeine Haltung giebt, ist durchaus das immer sich gleichbleibende Gepräge der untern Volksklasse, in der es ursprünglich entstanden war, das man in allen seinen charakteristischen Merk- malen hier wieder findet, bis auf die Ader von boshaf- ter Tücke hin, die durch den ganzen Charakter Eulen- spiegels durchläuft, und die man als den teutschen Bauern eigen allgemein anerkennt. Daher das Mas- sive, Ungeschlachte, für die höheren Stände Unflätige des Witzes, der nur gar zu gern in körperliche Effluvien sich ergießt, obgleich niemal in das eigentlich Obscöne sich verliert. Allein wenn man das anstößig finden wollte, dann bedenke man doch, daß der Scherz des Aristophanes durchgängig von nicht viel mehr sublimirter Art erscheint, und daß das ganze atheniensische Publi- kum keinen Anstand nahm, von den Götterbildern zu der Bühne hinzueilen, und dort an den bizarren Nuditäten
des Spaßhaften, die den Seelenjubel, und die Freude und die laute Lache im Volke nie verſiegen läßt. Das Ganze deutet durch ſeine rhapſodiſche Form durchgängig auf ein ſucceſſives Entſtehen in verſchiednen Zeiten, und ein Erzeugniß einer ganzen Claſſe, die es als Denk- mal eines nationellen innern Uebermuthes und freudigen Muthwillens nach und nach wie einen Scherbenberg zuſammentrug, den nun irgend ein Einzelner vollends ordnete. Was ihm daher die allgemeine Haltung giebt, iſt durchaus das immer ſich gleichbleibende Gepräge der untern Volksklaſſe, in der es urſprünglich entſtanden war, das man in allen ſeinen charakteriſtiſchen Merk- malen hier wieder findet, bis auf die Ader von boshaf- ter Tücke hin, die durch den ganzen Charakter Eulen- ſpiegels durchläuft, und die man als den teutſchen Bauern eigen allgemein anerkennt. Daher das Maſ- ſive, Ungeſchlachte, für die höheren Stände Unflätige des Witzes, der nur gar zu gern in körperliche Effluvien ſich ergießt, obgleich niemal in das eigentlich Obſcöne ſich verliert. Allein wenn man das anſtößig finden wollte, dann bedenke man doch, daß der Scherz des Ariſtophanes durchgängig von nicht viel mehr ſublimirter Art erſcheint, und daß das ganze athenienſiſche Publi- kum keinen Anſtand nahm, von den Götterbildern zu der Bühne hinzueilen, und dort an den bizarren Nuditäten
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des Spaßhaften, die den Seelenjubel, und die Freude
und die laute Lache im Volke nie verſiegen läßt. Das Ganze
deutet durch ſeine rhapſodiſche Form durchgängig auf
ein ſucceſſives Entſtehen in verſchiednen Zeiten, und
ein Erzeugniß einer ganzen Claſſe, die es als Denk-
mal eines nationellen innern Uebermuthes und freudigen
Muthwillens nach und nach wie einen Scherbenberg
zuſammentrug, den nun irgend ein Einzelner vollends
ordnete. Was ihm daher die allgemeine Haltung giebt,
iſt durchaus das immer ſich gleichbleibende Gepräge der
untern Volksklaſſe, in der es urſprünglich entſtanden
war, das man in allen ſeinen charakteriſtiſchen Merk-
malen hier wieder findet, bis auf die Ader von boshaf-
ter Tücke hin, die durch den ganzen Charakter Eulen-
ſpiegels durchläuft, und die man als den teutſchen
Bauern eigen allgemein anerkennt. Daher das Maſ-
ſive, Ungeſchlachte, für die höheren Stände Unflätige
des Witzes, der nur gar zu gern in körperliche Effluvien
ſich ergießt, obgleich niemal in das eigentlich Obſcöne
ſich verliert. Allein wenn man das anſtößig finden
wollte, dann bedenke man doch, daß der Scherz des
Ariſtophanes durchgängig von nicht viel mehr ſublimirter
Art erſcheint, und daß das ganze athenienſiſche Publi-
kum keinen Anſtand nahm, von den Götterbildern zu
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Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/214>, abgerufen am 21.11.2024.
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