Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

unserer feinen Literatur die Kunstwerke umsummen
und stier und dumm begaffen sehen, und dann in dem
bösen Pfuhle, der sich um die hohen Bilder sammelt,
die schönen Formen in mißfälligen Verzerrungen wie-
derscheinen, dann wittern wir Pöbelluft; die Schlech-
tigkeit im Volke hat ihre Repräsentanten zum großen
Convente abgesendet, und die sitzen nun im Rathe zu
Gericht über Leben, Kunst und Wissenschaft, und
legen ihren Comittenten periodisch Rechenschaft von
ihrem Thun und Lassen ab, und es ist ein Geist und
ein Willen und eine Gesinnung, die unter den ver-
bundenen Brüdern und Freunden herrschen. So hat
das Böse, das Schlechte, das Gemeine seine Kirche,
seinen sichtbaren Statthalter auf Erden, betraute
Näthe, Priester, Ritter, Layen, alles Janhagel,
feiner, gröber, bestialisch, geschliffen, pfiffig, dumm,
alles Janhagel. Von dieses Volkes Büchern reden
wir nicht, es würde zu weitläuftig seyn, und wir
würden uns zu hoch versteigen müssen. Aber es giebt
ein anderes Volk in diesem Volke, alle Genien in
Tugend, Kunst und Wissenschaft, und in jedem Thun
sind dieses Volkes Blüthe; jeder, der reinen Herzens
und lauterer Gesinnung ist, gehört zu ihm; durch
alle Stände zieht es, alles Niedere adelnd, sich hin-
durch, und jeglichen Standes innerster Kern, und

unſerer feinen Literatur die Kunſtwerke umſummen
und ſtier und dumm begaffen ſehen, und dann in dem
böſen Pfuhle, der ſich um die hohen Bilder ſammelt,
die ſchönen Formen in mißfälligen Verzerrungen wie-
derſcheinen, dann wittern wir Pöbelluft; die Schlech-
tigkeit im Volke hat ihre Repräſentanten zum großen
Convente abgeſendet, und die ſitzen nun im Rathe zu
Gericht über Leben, Kunſt und Wiſſenſchaft, und
legen ihren Comittenten periodiſch Rechenſchaft von
ihrem Thun und Laſſen ab, und es iſt ein Geiſt und
ein Willen und eine Geſinnung, die unter den ver-
bundenen Brüdern und Freunden herrſchen. So hat
das Böſe, das Schlechte, das Gemeine ſeine Kirche,
ſeinen ſichtbaren Statthalter auf Erden, betraute
Näthe, Prieſter, Ritter, Layen, alles Janhagel,
feiner, gröber, beſtialiſch, geſchliffen, pfiffig, dumm,
alles Janhagel. Von dieſes Volkes Büchern reden
wir nicht, es würde zu weitläuftig ſeyn, und wir
würden uns zu hoch verſteigen müſſen. Aber es giebt
ein anderes Volk in dieſem Volke, alle Genien in
Tugend, Kunſt und Wiſſenſchaft, und in jedem Thun
ſind dieſes Volkes Blüthe; jeder, der reinen Herzens
und lauterer Geſinnung iſt, gehört zu ihm; durch
alle Stände zieht es, alles Niedere adelnd, ſich hin-
durch, und jeglichen Standes innerſter Kern, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0024" n="6"/>
un&#x017F;erer feinen Literatur die Kun&#x017F;twerke um&#x017F;ummen<lb/>
und &#x017F;tier und dumm begaffen &#x017F;ehen, und dann in dem<lb/>&#x017F;en Pfuhle, der &#x017F;ich um die hohen Bilder &#x017F;ammelt,<lb/>
die &#x017F;chönen Formen in mißfälligen Verzerrungen wie-<lb/>
der&#x017F;cheinen, dann wittern wir Pöbelluft; die Schlech-<lb/>
tigkeit im Volke hat ihre Reprä&#x017F;entanten zum großen<lb/>
Convente abge&#x017F;endet, und die &#x017F;itzen nun im Rathe zu<lb/>
Gericht über Leben, Kun&#x017F;t und Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft, und<lb/>
legen ihren Comittenten periodi&#x017F;ch Rechen&#x017F;chaft von<lb/>
ihrem Thun und La&#x017F;&#x017F;en ab, und es i&#x017F;t <hi rendition="#g">ein</hi> Gei&#x017F;t und<lb/><hi rendition="#g">ein</hi> Willen und <hi rendition="#g">eine</hi> Ge&#x017F;innung, die unter den ver-<lb/>
bundenen Brüdern und Freunden herr&#x017F;chen. So hat<lb/>
das Bö&#x017F;e, das Schlechte, das Gemeine &#x017F;eine Kirche,<lb/>
&#x017F;einen &#x017F;ichtbaren Statthalter auf Erden, betraute<lb/>
Näthe, Prie&#x017F;ter, Ritter, Layen, alles Janhagel,<lb/>
feiner, gröber, be&#x017F;tiali&#x017F;ch, ge&#x017F;chliffen, pfiffig, dumm,<lb/>
alles Janhagel. Von die&#x017F;es Volkes Büchern reden<lb/>
wir nicht, es würde zu weitläuftig &#x017F;eyn, und wir<lb/>
würden uns zu hoch ver&#x017F;teigen mü&#x017F;&#x017F;en. Aber es giebt<lb/>
ein anderes Volk in die&#x017F;em Volke, alle Genien in<lb/>
Tugend, Kun&#x017F;t und Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft, und in jedem Thun<lb/>
&#x017F;ind die&#x017F;es Volkes Blüthe; jeder, der reinen Herzens<lb/>
und lauterer Ge&#x017F;innung i&#x017F;t, gehört zu ihm; durch<lb/>
alle Stände zieht es, alles Niedere adelnd, &#x017F;ich hin-<lb/>
durch, und jeglichen Standes inner&#x017F;ter Kern, und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[6/0024] unſerer feinen Literatur die Kunſtwerke umſummen und ſtier und dumm begaffen ſehen, und dann in dem böſen Pfuhle, der ſich um die hohen Bilder ſammelt, die ſchönen Formen in mißfälligen Verzerrungen wie- derſcheinen, dann wittern wir Pöbelluft; die Schlech- tigkeit im Volke hat ihre Repräſentanten zum großen Convente abgeſendet, und die ſitzen nun im Rathe zu Gericht über Leben, Kunſt und Wiſſenſchaft, und legen ihren Comittenten periodiſch Rechenſchaft von ihrem Thun und Laſſen ab, und es iſt ein Geiſt und ein Willen und eine Geſinnung, die unter den ver- bundenen Brüdern und Freunden herrſchen. So hat das Böſe, das Schlechte, das Gemeine ſeine Kirche, ſeinen ſichtbaren Statthalter auf Erden, betraute Näthe, Prieſter, Ritter, Layen, alles Janhagel, feiner, gröber, beſtialiſch, geſchliffen, pfiffig, dumm, alles Janhagel. Von dieſes Volkes Büchern reden wir nicht, es würde zu weitläuftig ſeyn, und wir würden uns zu hoch verſteigen müſſen. Aber es giebt ein anderes Volk in dieſem Volke, alle Genien in Tugend, Kunſt und Wiſſenſchaft, und in jedem Thun ſind dieſes Volkes Blüthe; jeder, der reinen Herzens und lauterer Geſinnung iſt, gehört zu ihm; durch alle Stände zieht es, alles Niedere adelnd, ſich hin- durch, und jeglichen Standes innerſter Kern, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/24
Zitationshilfe: Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/24>, abgerufen am 05.05.2024.