Blüthe blühend und die Nahrung von der Vorherge- gangenen aufgehäuft, in der sie in fortlaufender Meta- morphose gedeihen soll, und kein Besitz geht unter, wie der eigne Besitz nicht untergegangen ist. So leben die Alten und die Uralten noch unter uns, sie die über den großen Wasserfällen wohnen, wo jung und eng und klein der Zeitenstrom, noch eben aus Himmelswasser in dunkler Quelle erst geronnen, über die grauen, ver- witterten, alten Felsen stürzt, und rasch dann durch die wilden Länder eilt: wir aber, die wir unten in der Ebene unsere Heymath haben, wo er in tief gewühltem Bette zum breiten Strom geworden ist, und in viel- fache Canäle getheilt dem Verkehre dient, wir werden die Erbe vermehrt, wenn wir gekonnt, den Geistern des Ozeans überliefern, der ihn und uns in ihm auf- saugen wird. Was in Indiens Tempelhöhlen Köstliches, Wundervolles in den grauen Zeiten aus hoher Begeist- erung in dem großen Erdensabbath erwuchs, wo noch die Steine sich in frohem Wachsthum drängten, und die Diamanten Mann und Weib sich gatteten, und die geniale Erde nur noch Hymnen und Mythen in die Berge dichtete; was der Sonnentempel in Babylon geborgen, und der Perser unterirdisch im Carfunkel- schein und Goldesglanz dunkelglühend Gnomenreich Wunderseltsames gebohren; was die Zauberschlange
34.
Blüthe blühend und die Nahrung von der Vorherge- gangenen aufgehäuft, in der ſie in fortlaufender Meta- morphoſe gedeihen ſoll, und kein Beſitz geht unter, wie der eigne Beſitz nicht untergegangen iſt. So leben die Alten und die Uralten noch unter uns, ſie die über den großen Waſſerfällen wohnen, wo jung und eng und klein der Zeitenſtrom, noch eben aus Himmelswaſſer in dunkler Quelle erſt geronnen, über die grauen, ver- witterten, alten Felſen ſtürzt, und raſch dann durch die wilden Länder eilt: wir aber, die wir unten in der Ebene unſere Heymath haben, wo er in tief gewühltem Bette zum breiten Strom geworden iſt, und in viel- fache Canäle getheilt dem Verkehre dient, wir werden die Erbe vermehrt, wenn wir gekonnt, den Geiſtern des Ozeans überliefern, der ihn und uns in ihm auf- ſaugen wird. Was in Indiens Tempelhöhlen Köſtliches, Wundervolles in den grauen Zeiten aus hoher Begeiſt- erung in dem großen Erdenſabbath erwuchs, wo noch die Steine ſich in frohem Wachsthum drängten, und die Diamanten Mann und Weib ſich gatteten, und die geniale Erde nur noch Hymnen und Mythen in die Berge dichtete; was der Sonnentempel in Babylon geborgen, und der Perſer unterirdiſch im Carfunkel- ſchein und Goldesglanz dunkelglühend Gnomenreich Wunderſeltſames gebohren; was die Zauberſchlange
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Blüthe blühend und die Nahrung von der Vorherge-
gangenen aufgehäuft, in der ſie in fortlaufender Meta-
morphoſe gedeihen ſoll, und kein Beſitz geht unter,
wie der eigne Beſitz nicht untergegangen iſt. So leben
die Alten und die Uralten noch unter uns, ſie die über
den großen Waſſerfällen wohnen, wo jung und eng
und klein der Zeitenſtrom, noch eben aus Himmelswaſſer
in dunkler Quelle erſt geronnen, über die grauen, ver-
witterten, alten Felſen ſtürzt, und raſch dann durch
die wilden Länder eilt: wir aber, die wir unten in der
Ebene unſere Heymath haben, wo er in tief gewühltem
Bette zum breiten Strom geworden iſt, und in viel-
fache Canäle getheilt dem Verkehre dient, wir werden
die Erbe vermehrt, wenn wir gekonnt, den Geiſtern
des Ozeans überliefern, der ihn und uns in ihm auf-
ſaugen wird. Was in Indiens Tempelhöhlen Köſtliches,
Wundervolles in den grauen Zeiten aus hoher Begeiſt-
erung in dem großen Erdenſabbath erwuchs, wo noch
die Steine ſich in frohem Wachsthum drängten,
und die Diamanten Mann und Weib ſich gatteten,
und die geniale Erde nur noch Hymnen und Mythen in
die Berge dichtete; was der Sonnentempel in Babylon
geborgen, und der Perſer unterirdiſch im Carfunkel-
ſchein und Goldesglanz dunkelglühend Gnomenreich
Wunderſeltſames gebohren; was die Zauberſchlange
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Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 267[265]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/283>, abgerufen am 24.11.2024.
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