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Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.

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der Nil, aus dem Paradiese hervorgeschossen, die
Aegyptier gelehrt, und diese auf steinernen Tafeln, ein
Wunder und ein Räthsel der Zukunft, den Sphinxen
zu bewahren übergeben; die ganze Saat von göttlichen
Gewächsen, die auf Griechenlands Marmorfeldern
geblüht, die der Erdgeist, den der Menschengeist in sich
aufgenommen hat, hervorgetrieben, und die wie Naphta
brennend, glühend, leuchtend die Begeisterung des Genius
in allen Adern durchrinnt; was die Römer gewaltsam
von der Natur ertrotzt, sie die mit dem Stoffe und der
todten Materie gleich wie mit dem Leben ernst gerungen,
und während sie die Völker in Fessel legten, Jene zu
brechen sich bemühten, in die sie selbst die Natur
geschlagen: Alles ist nicht verloren für die Spätesten,
es ist ein Vermächtniß, das die Zeiten einander über-
liefern. Jede junge Zeit, wenn sie gebohren wird, findet
ihre Wiege mit den Gaben umstellt, die die Weissen aus
dem Morgen und dem Mittag und dem Abendlande ihr
gebracht; der Lebensgeist der nur im Besten kräftig wohnt,
bewahrt auch eben das Beste nur vor dem Verderben, wie
nur geistreicher Wein den Wechsel der Jahre überdauert;
und so gewinnt die Kunst und jedes menschliche Be-
mühen festen Besitz, und die Erde gewinnt ein Leben
und in ihm eine Geschichte und ein Gedächtniß der Ver-
gangenheit. So muß das Schlechte, nachdem es

der Nil, aus dem Paradieſe hervorgeſchoſſen, die
Aegyptier gelehrt, und dieſe auf ſteinernen Tafeln, ein
Wunder und ein Räthſel der Zukunft, den Sphinxen
zu bewahren übergeben; die ganze Saat von göttlichen
Gewächſen, die auf Griechenlands Marmorfeldern
geblüht, die der Erdgeiſt, den der Menſchengeiſt in ſich
aufgenommen hat, hervorgetrieben, und die wie Naphta
brennend, glühend, leuchtend die Begeiſterung des Genius
in allen Adern durchrinnt; was die Römer gewaltſam
von der Natur ertrotzt, ſie die mit dem Stoffe und der
todten Materie gleich wie mit dem Leben ernſt gerungen,
und während ſie die Völker in Feſſel legten, Jene zu
brechen ſich bemühten, in die ſie ſelbſt die Natur
geſchlagen: Alles iſt nicht verloren für die Späteſten,
es iſt ein Vermächtniß, das die Zeiten einander über-
liefern. Jede junge Zeit, wenn ſie gebohren wird, findet
ihre Wiege mit den Gaben umſtellt, die die Weiſſen aus
dem Morgen und dem Mittag und dem Abendlande ihr
gebracht; der Lebensgeiſt der nur im Beſten kräftig wohnt,
bewahrt auch eben das Beſte nur vor dem Verderben, wie
nur geiſtreicher Wein den Wechſel der Jahre überdauert;
und ſo gewinnt die Kunſt und jedes menſchliche Be-
mühen feſten Beſitz, und die Erde gewinnt ein Leben
und in ihm eine Geſchichte und ein Gedächtniß der Ver-
gangenheit. So muß das Schlechte, nachdem es

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[268[266]/0284] der Nil, aus dem Paradieſe hervorgeſchoſſen, die Aegyptier gelehrt, und dieſe auf ſteinernen Tafeln, ein Wunder und ein Räthſel der Zukunft, den Sphinxen zu bewahren übergeben; die ganze Saat von göttlichen Gewächſen, die auf Griechenlands Marmorfeldern geblüht, die der Erdgeiſt, den der Menſchengeiſt in ſich aufgenommen hat, hervorgetrieben, und die wie Naphta brennend, glühend, leuchtend die Begeiſterung des Genius in allen Adern durchrinnt; was die Römer gewaltſam von der Natur ertrotzt, ſie die mit dem Stoffe und der todten Materie gleich wie mit dem Leben ernſt gerungen, und während ſie die Völker in Feſſel legten, Jene zu brechen ſich bemühten, in die ſie ſelbſt die Natur geſchlagen: Alles iſt nicht verloren für die Späteſten, es iſt ein Vermächtniß, das die Zeiten einander über- liefern. Jede junge Zeit, wenn ſie gebohren wird, findet ihre Wiege mit den Gaben umſtellt, die die Weiſſen aus dem Morgen und dem Mittag und dem Abendlande ihr gebracht; der Lebensgeiſt der nur im Beſten kräftig wohnt, bewahrt auch eben das Beſte nur vor dem Verderben, wie nur geiſtreicher Wein den Wechſel der Jahre überdauert; und ſo gewinnt die Kunſt und jedes menſchliche Be- mühen feſten Beſitz, und die Erde gewinnt ein Leben und in ihm eine Geſchichte und ein Gedächtniß der Ver- gangenheit. So muß das Schlechte, nachdem es

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Zitationshilfe: Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 268[266]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/284>, abgerufen am 24.11.2024.