Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

flammend, nach dem heiligen Lande hin. Und es
begann der ungeheuere Kampf des eisernen nordischen
Ritterthums mit den Löwenschaaren, die Asien und
Afrika ihm entgegen gesendet hatte: es faßten sich die
Kämpfenden mit Kraft, es galt ob Erzes Macht, ob
Feuers Gewalt das Stärkere sey; die ganze alte Welt
war des Kampfes Zeuge, und viele aufeinanderfolgende
Generationen sahen sein Ende nicht. So kehrten die
alten mythischen Götterkriege unter den Menschen um
die Götter zurück; so war die Geschichte zu einem
großen religiösen Epos geworden, zu dem jede Nation
ihren Gesang geliefert; der ganze Westen aber hatte zu
einem großen Dome sich gewölbt, und nach Osten hin
am Hochaltare da brannte umgeben von ernster Stille
und verschwiegner Dunkelheit in mystisch wunderbarem
Lichte das heilige Grab, und geöffnet war über der
wundervollen Stätte die hohe Kuppel, und ein Strahl der
göttlichen Glorie fiel auf den geweihten Stein herab,
und aus ihm hervor quoll dann der Segen der Gnade
über die frommen Pilger nieder, die um das Heilig-
thum sich drängten, und wer den heiligen Gral erblickt,
der veraltete nimmermehr, und kein Bedürfniß mogt
ihn drängen, und des Todes Stachel stumpfte ab an
ihm: im Chore aber erhob sich der Vatikan, und da
saß auf hohem Sitz der Oberpriester und lenkte den

flammend, nach dem heiligen Lande hin. Und es
begann der ungeheuere Kampf des eiſernen nordiſchen
Ritterthums mit den Löwenſchaaren, die Aſien und
Afrika ihm entgegen geſendet hatte: es faßten ſich die
Kämpfenden mit Kraft, es galt ob Erzes Macht, ob
Feuers Gewalt das Stärkere ſey; die ganze alte Welt
war des Kampfes Zeuge, und viele aufeinanderfolgende
Generationen ſahen ſein Ende nicht. So kehrten die
alten mythiſchen Götterkriege unter den Menſchen um
die Götter zurück; ſo war die Geſchichte zu einem
großen religiöſen Epos geworden, zu dem jede Nation
ihren Geſang geliefert; der ganze Weſten aber hatte zu
einem großen Dome ſich gewölbt, und nach Oſten hin
am Hochaltare da brannte umgeben von ernſter Stille
und verſchwiegner Dunkelheit in myſtiſch wunderbarem
Lichte das heilige Grab, und geöffnet war über der
wundervollen Stätte die hohe Kuppel, und ein Strahl der
göttlichen Glorie fiel auf den geweihten Stein herab,
und aus ihm hervor quoll dann der Segen der Gnade
über die frommen Pilger nieder, die um das Heilig-
thum ſich drängten, und wer den heiligen Gral erblickt,
der veraltete nimmermehr, und kein Bedürfniß mogt
ihn drängen, und des Todes Stachel ſtumpfte ab an
ihm: im Chore aber erhob ſich der Vatikan, und da
ſaß auf hohem Sitz der Oberprieſter und lenkte den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0296" n="278"/>
flammend, nach dem heiligen Lande hin. Und es<lb/>
begann der ungeheuere Kampf des ei&#x017F;ernen nordi&#x017F;chen<lb/>
Ritterthums mit den Löwen&#x017F;chaaren, die A&#x017F;ien und<lb/>
Afrika ihm entgegen ge&#x017F;endet hatte: es faßten &#x017F;ich die<lb/>
Kämpfenden mit Kraft, es galt ob Erzes Macht, ob<lb/>
Feuers Gewalt das Stärkere &#x017F;ey; die ganze alte Welt<lb/>
war des Kampfes Zeuge, und viele aufeinanderfolgende<lb/>
Generationen &#x017F;ahen &#x017F;ein Ende nicht. So kehrten die<lb/>
alten mythi&#x017F;chen Götterkriege unter den Men&#x017F;chen um<lb/>
die Götter zurück; &#x017F;o war die Ge&#x017F;chichte zu einem<lb/>
großen religiö&#x017F;en Epos geworden, zu dem jede Nation<lb/>
ihren Ge&#x017F;ang geliefert; der ganze We&#x017F;ten aber hatte zu<lb/>
einem großen Dome &#x017F;ich gewölbt, und nach O&#x017F;ten hin<lb/>
am Hochaltare da brannte umgeben von ern&#x017F;ter Stille<lb/>
und ver&#x017F;chwiegner Dunkelheit in my&#x017F;ti&#x017F;ch wunderbarem<lb/>
Lichte das heilige Grab, und geöffnet war über der<lb/>
wundervollen Stätte die hohe Kuppel, und ein Strahl der<lb/>
göttlichen Glorie fiel auf den geweihten Stein herab,<lb/>
und aus ihm hervor quoll dann der Segen der Gnade<lb/>
über die frommen Pilger nieder, die um das Heilig-<lb/>
thum &#x017F;ich drängten, und wer den heiligen Gral erblickt,<lb/>
der veraltete nimmermehr, und kein Bedürfniß mogt<lb/>
ihn drängen, und des Todes Stachel &#x017F;tumpfte ab an<lb/>
ihm: im Chore aber erhob &#x017F;ich der Vatikan, und da<lb/>
&#x017F;aß auf hohem Sitz der Oberprie&#x017F;ter und lenkte den<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[278/0296] flammend, nach dem heiligen Lande hin. Und es begann der ungeheuere Kampf des eiſernen nordiſchen Ritterthums mit den Löwenſchaaren, die Aſien und Afrika ihm entgegen geſendet hatte: es faßten ſich die Kämpfenden mit Kraft, es galt ob Erzes Macht, ob Feuers Gewalt das Stärkere ſey; die ganze alte Welt war des Kampfes Zeuge, und viele aufeinanderfolgende Generationen ſahen ſein Ende nicht. So kehrten die alten mythiſchen Götterkriege unter den Menſchen um die Götter zurück; ſo war die Geſchichte zu einem großen religiöſen Epos geworden, zu dem jede Nation ihren Geſang geliefert; der ganze Weſten aber hatte zu einem großen Dome ſich gewölbt, und nach Oſten hin am Hochaltare da brannte umgeben von ernſter Stille und verſchwiegner Dunkelheit in myſtiſch wunderbarem Lichte das heilige Grab, und geöffnet war über der wundervollen Stätte die hohe Kuppel, und ein Strahl der göttlichen Glorie fiel auf den geweihten Stein herab, und aus ihm hervor quoll dann der Segen der Gnade über die frommen Pilger nieder, die um das Heilig- thum ſich drängten, und wer den heiligen Gral erblickt, der veraltete nimmermehr, und kein Bedürfniß mogt ihn drängen, und des Todes Stachel ſtumpfte ab an ihm: im Chore aber erhob ſich der Vatikan, und da ſaß auf hohem Sitz der Oberprieſter und lenkte den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/296
Zitationshilfe: Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/296>, abgerufen am 22.11.2024.